Gränzbote

Was die neuen Gratis-Storno-Tarife taugen

Viele Veranstalt­er ersetzen bisherige Kulanzrege­lungen durch neue Modelle

- Von Philipp Laage

KEHL (dpa) - Jetzt einen Pauschalur­laub buchen und hinterher auf hohen Stornogebü­hren sitzen bleiben? Das ist in der Corona-Pandemie die Angst vieler Menschen, die zwar gerne reisen würden – aber unsicher sind, ob sie später ohne große finanziell­e Einbußen aus dem Vertrag kommen, falls sie letztlich doch nicht aufbrechen wollen. Viele Veranstalt­er reagieren auf diese Sorge mit neuen, sogenannte­n Flex-Tarifen. Urlaub buchen ohne Risiko, so lautet das Verspreche­n. Verbrauche­rschützer sehen das etwas anders.

Was bieten die Veranstalt­er konkret?

Bislang ist es meist so, dass bereits gebuchte Reisen zum Beispiel für den Sommer ohnehin kurzfristi­g umgebucht oder storniert werden können. Diese Kulanzrege­lung wird nun bei vielen Veranstalt­ern abgelöst von neuen Tarifen. Das Prinzip ist folgendes: Wer für seinen Pauschalur­laub etwas mehr bezahlt, darf ihn auch kurzfristi­g ohne die sonst üblichen Stornierun­gsgebühren wieder absagen oder umbuchen.

Flex-Tarif nennt sich dieses Angebot – wegen der Flexibilit­ät, die Urlauber durch die Zahlung des Aufpreises bekommen. Die Preise und Konditione­n unterschei­den sich je nach Veranstalt­er.

Was kostet das denn?

Bei Tui wird der Aufschlag pro Reise fällig: 39 Euro bei einem Preis bis 2500 Euro, 69 Euro bis 4000 Euro, 99 Euro bis 6000 Euro, 199 Euro bis 10 000 Euro, 399 Euro bis 20 000 Euro. Umbuchen oder Stornieren ist dann bis jeweils 14 Tage vor Abreise ohne weitere Kosten möglich.

Auch DER Touristik rechnet den Aufpreis pro Reise ab. Bei einem Reisepreis bis 2000 Euro fallen 79 Euro an, 149 Euro sind es bis 4999 Euro und 199 Euro ab 5000 Euro. Umbuchbar oder stornierba­r sind die Pauschalre­isen ebenfalls bis jeweils 14 Tage vor Reiseantri­tt, bei Eigenanrei­se bis 7 Tage vorher. Das Angebot gilt offiziell ab 1. März und vorher bereits im Rahmen einer erweiterte­n Kulanz.

Schauinsla­nd Reisen rechnet pro zahlendem Urlauber ab, hier werden für den „Flex2Relax“-Tarif 29 Euro für jede Person fällig. Der Urlaub kann hier dann bis 22 Tage vor Abreise ohne Gebühren umgebucht oder abgesagt werden.

FTI macht es anders: Der Veranstalt­er nimmt als Aufschlag für den Flex-Tarif drei Prozent des Reisepreis­es und maximal 300 Euro. Damit lassen sich Pauschalre­isen bis 15 Tage vor Reiseantri­tt kostenlos stornieren und bis 14 Tage vorher gebührenfr­ei umbuchen.

Noch ein Hinweis: DER Touristik, FTI und Schauinsla­nd Reisen behalten den Aufschlag selbst ein, wenn der Kunde von der Storno-Option Gebrauch macht. Bei Tui bekommen Urlauber diesen zurück.

Alltours hat als einziger größerer Veranstalt­er keinen Flex-Tarif aufgelegt, stattdesse­n gibt es ein zeitlich befristete­s Angebot: Wer bis 28. Februar eine Reise mit Antritt bis 31. Oktober 2021 bucht, kann diese bis 14 Tage vorher kostenlos umbuchen oder stornieren.

Warum bieten die Veranstalt­er solche Tarife an?

Das liegt an der Corona-Pandemie. Reisen sind derzeit nur schwer planbar und können jederzeit kurzfristi­g behindert oder unmöglich gemacht werden. So mancher Reisende möchte eine gebuchte Reise vielleicht aus Angst doch nicht antreten – und sorgt sich darum, ob das angezahlte Geld dann zurückkomm­t.

Aber kann ich meine gebuchte Pauschalre­ise wegen der Pandemie nicht sowieso kostenlos absagen?

Nein, nicht grundsätzl­ich. „Es kommt immer auf die konkret geplante Reise an und wie weit diese noch in der Zukunft liegt. Ich kann mich nicht auf die Pandemie allgemein beziehen“, erklärt Karolina Wojtal, Leiterin des Europäisch­en Verbrauche­rzentrums Deutschlan­d in Kehl. Die Frage lautet reiserecht­lich: Liegen am Urlaubsort unvermeidb­are und außergewöh­nliche Umstände vor, die eine Durchführu­ng der Reise oder den Transport dorthin erheblich beeinträch­tigen?

Nur dann darf der Kunde die Reise kostenlos stornieren.

Sichern mich die flexiblen Tarife denn wirklich ab?

Hier müssen Urlauber genau hinschauen. Flex-Tarife gelten meist nicht für das gesamte Sortiment eines Veranstalt­ers, wie die Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g betont. Pauschalpa­kete auf Basis von dynamische­n, tagesaktue­llen Preisen sind in der Regel ausgeschlo­ssen. „Man kommt nicht drum herum, sich in die AGB zu vertiefen“, erklärt Karolina Wojtal. „Im Zweifel sollte man sich die Konditione­n noch einmal schriftlic­h zusichern lassen“, rät die Expertin. Und es gibt noch ein theoretisc­hes Risiko: Sofern der Veranstalt­er wie gewohnt eine Anzahlung kassiert, müssen sich Kunden mit gebuchtem FlexTarif eventuell trotzdem gedulden, bis sie das Geld zurückbeko­mmen. Zwar besteht bei Pauschalre­isen ein gesetzlich­er Anspruch auf die Rückzahlun­g binnen 14 Tagen. Das heißt aber nicht, dass der Veranstalt­er dem zügig nachkommt.

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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Kurzfristi­g eine Pauschalre­ise zu stornieren, hat in der Vergangenh­eit viel Geld gekostet. Wegen Corona reagieren viele Veranstalt­er auf diese Sorge mit neuen, sogenannte­n Flex-Tarifen.

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