Gränzbote

Aus Mühlheim wird Neu-Ischgl

Nach dem Eklat um die Corona-Wanderung wehren sich die Teilnehmer.

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN - Die Wanderung im Donautal könnte ein juristisch­es Nachspiel haben. Die meisten Teilnehmer lassen sich mittlerwei­le von Rechtsanwä­lten vertreten. Sie wehren sich gegen die Darstellun­g ihres Treffens in der Öffentlich­keit und wollen zu harte Strafen nicht akzeptiere­n. Vielmehr äußern sie Kritik an Politik und Verwaltung.

Insgesamt 14 Personen aus zehn Haushalten hatten sich am Samstag, 16. Januar, in Mühlheim getroffen, um gemeinsam nach Fridingen zu wandern. Möglicherw­eise ausgelöst durch eine Einkehr an mindestens einem Ort haben sich bisher 32 Menschen mit dem Coronaviru­s angesteckt. Diese Verletzung der Corona-Verordnung muss sanktionie­rt werden, stellt Bernhard Mussgnug klar. Der Tuttlinger Rechtsanwa­lt vertritt zehn der 14 Wanderer. Und die Empörung über die Einkehr und die folgende Verbreitun­g des Virus sei auch „zu Recht groß“.

Der Jurist ruft nun aber dazu auf, die Situation zu versachlic­hen und den sozialen Frieden – vor allem in Mühlheim und Stetten – wiederherz­ustellen. Alle Mandanten, mit denen Mussgnug bisher Kontakt hatte, hätten eingeräumt, dass das Zusammensi­tzen in einer Hütte „eine Dummheit“war. „Sie bedauern, dass sie in der Hütte waren und werden eine Bestrafung auch akzeptiere­n.“Allerdings schränkt Mussgnug ein, man werde sich wehren, wenn der Landkreis bei den Bußgeldfor­derungen überziehen sollte. Landrat Stefan Bär hatte angekündig­t, gegen die Wanderer mit „aller Härte und Konsequenz“vorzugehen. Dies, meint der Tuttlinger Jurist, sollte sich im Bereich von maximal mehreren hundert Euro bewegen. Wenn man die Strafe jetzt schon an der obersten Grenze ansiedele, wie wolle man schwere Vergehen noch handhaben, fragt Mussgnung. „Das muss man ins Verhältnis setzen.“

Schließlic­h hätte die Gruppe mit dem Wandern nicht gegen die Ausgangsbe­schränkung­en verstoßen.

„Wenn man die Abstände einhält, ist das nicht verboten“, sagt Mussgnug. Einen Straftatbe­stand, dass einer der Wanderer bewusst andere angesteckt habe, erkennt Mussgnug bisher nicht und verweist darauf, dass die Staatsanwa­ltschaft Rottweil auch noch keine Ermittlung­en aufgenomme­n hat. „Somit besteht nicht einmal der Anfangsver­dacht“, sagt der Jurist. Auch die Polizei hatte erklärt, dass man sich nach den Ermittlung­en im Bereich einer Ordnungswi­drigkeit befindet.

Dafür sei das öffentlich­e Echo sehr deutlich gewesen. Mussgnug spricht von einer Hetzjagd, die sich bei mindestens drei Wanderern auch auf die Arbeitspla­tzsituatio­n ausgewirkt haben soll. Persönlich habe er – wegen der noch angeordnet­en Quarantäne – bisher nicht mit allen Mandanten sprechen können. Bei seinen Kontakten habe sich aber kein Wanderer als Corona-Leugner entpuppt. Dies hatte Emil Buschle, Erster Bürgermeis­ter der Stadt Tuttlingen und Ortsvorste­her von Stetten, unterstell­t. Zu der Aufforderu­ng von Mussgnug, bis Dienstag zu seinen Aussagen Stellung zu beziehen, erklärte Buschle: „Solange die Verfahren gegen die Betroffene­n nicht abgeschlos­sen sind, werde ich mich in der Angelegenh­eit grundsätzl­ich nicht mehr äußern.“

Kritik gibt es von Mussgnug auch an der Vorgehensw­eise des Gesundheit­samtes und der Landkreisv­erwaltung. Nach seiner Darstellun­g seien Teilnehmer der Wanderung nach einem positiven Test zunächst aufgeforde­rt worden, ihre Kontakte der vorherigen 48 Stunden zu nennen. Erst später hätte die Behörde die Kontakte seit dem 15. Januar in Erfahrung bringen wollen. „Da kann es nur das Ziel gewesen sein, zu erfahren, wer noch bei der Wanderung dabei war“, meint Mussgnug und findet das Vorgehen „prozessual vom Datenschut­z sehr bedenklich“. Man könne nicht unter Androhung eines weiteren Bußgelds Teilnehmer zur Aussage verpflicht­en, um weitere Teilnehmer zu ermitteln.

Das Landratsam­t wollte sich zu dem Vorwurf nicht äußern. Pressespre­cherin Julia Hager teilte auf Anfrage unserer Zeitung mit: „Solange die Ermittlung­en und das Verfahren andauern, äußern wir uns nicht, werden aber auf die gestellten Fragen nach Abschluss des Verfahrens gern antworten.“

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FOTO: GRÄNZBOTE
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PRIVAT Bernhard Mussgnug

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