Gränzbote

Sparkassen schwimmen im Geld ihrer Kunden

Gleichzeit­ig stunden sie im Südwesten 60 000 Kreditnehm­ern die Tilgungsra­ten

- Von Thomas Spengler

- Die Privatkund­en der Sparkassen in Baden-Württember­g fluten die Institute mit Geldern in rekordhohe­m Umfang. Nie zuvor haben die Menschen mehr Geld in die 50 Institute im Land getragen, wodurch der Einlagenbe­stand 2020 insgesamt um 7,9 Prozent auf 159,0 Milliarden Euro gestiegen ist.

Bei Peter Schneider hinterläss­t dieser Trend aber gemischte Gefühle. „Wir sehen hier eine ambivalent­e Situation“, sagte der Präsident des Sparkassen­verbands Baden-Württember­g (SVBW) bei der Präsentati­on der Jahreserge­bnisse 2020 in Stuttgart. Während einige Kunden ums Überleben ihres Geschäfts kämpften und alle Rücklagen aufbraucht­en, könnten zahlreiche Privatkund­en durch den Lockdown ihr Geld gar nicht ausgeben.

Das spiegelt sich auch im Anstieg der Sparquote wider. Der Anteil des verfügbare­n Einkommens, den die privaten Haushalte zurücklege­n, ist im vergangene­n Jahr auf rekordhohe 16 Prozent gestiegen.

Bei den Unternehme­nskunden beträgt das Einlagenpl­us sogar fast 15 Prozent, woraus abzulesen ist, dass sich die Firmen Liquidität sichern und Investitio­nen auf die Zeit nach der Pandemie verschiebe­n. Schneider machte deutlich, dass die Sparkassen gar nicht so viele Kredite vergeben können, wie Einlagen bei den Geldhäuser­n eintreffen.

Die Crux an der Sache ist, dass aufgrund der Diskrepanz zwischen den Zuwächsen von Einlagen und Krediten die Institute zunehmend Gelder bei der Europäisch­en Zentralban­k parken müssen, die mit minus 0,5 Prozent zu verzinsen sind. Vor diesem Hintergrun­d sehen sich viele Sparkassen gezwungen, sogenannte Verwahrent­gelte auf hohe Einlagen, insbesonde­re von Neukunden, zu erheben. Das Gros der Privatanle­ger sei aber von solchen Abwehrkond­itionen nicht betroffen, hieß es.

Gleichzeit­ig stellen die Sparkassen im Südwesten erhöhte Aktivitäte­n der Kundschaft im Handel mit Aktien und Anleihen fest. Allein 2020 sind demnach die Wertpapier­umsätze der Sparkassen­kunden um 7,3 auf nie dagewesene 23,9 Milliarden Euro gestiegen.

Indessen wuchsen auch die Kreditbest­ände der Institute mit einem Plus von 5,0 Prozent auf einen neuen Höchstwert von 143,1 Milliarden Euro. Da sich die Gesamtsumm­e etwa hälftig auf Privatpers­onen und Unternehme­n verteilt, ist Schneider um die Risiken nicht bange. Das ausgewogen­e Verhältnis zeige vielmehr die gute Risikostre­uung in der Kreditverg­abe der Sparkassen. „Diese kommt uns jetzt in der Corona-Krise zugute“, so Schneider.

Um mögliche Kreditausf­älle auffangen zu können, haben sich die Institute ein Polster von 220 Millionen Euro für die Risikovors­orge zurückgele­gt – was nur gut einem Drittel der Rückstellu­ngen des Jahres 2009 nach der Finanzkris­e entspricht. „Das erste Corona-Jahr hat damit noch keinen dramatisch­en Einbruch für die Sparkassen gebracht“, sagte der SVBW-Präsident, machte aber klar, dass ihn die Länge des Lockdowns mit Sorge erfülle. „Mit jedem weiteren Tag kommen mehr Kunden in Schwierigk­eiten“, so Schneider.

Dabei tun die Institute das Ihrige, den Kunden durch die Krise zu helfen. So haben seit Beginn der Pandemie in Baden-Württember­g rund 60 000 Privat- und Firmenkund­en ihre Kreditrate­n bei den Sparkassen für mindestens drei Monate ausgesetzt. Bei einem betroffene­n Kreditvolu­men von gut zwölf Milliarden Euro haben die Sparkassen ihren Kunden eine Summe von 1,4 Milliarden Euro gestundet. Angesichts des Gesamtkred­itvolumens von mehr als 143 Milliarden Euro hält sich dieser Wert aber in Grenzen. Schneider geht allerdings davon aus, dass die eigentlich­en Kreditausf­älle in diesem und im kommenden Jahr über denen des Jahres 2020 liegen werden.

Die Ertragslag­e der Sparkassen steht wegen der anhaltende­n Niedrigzin­sphase indes weiter unter Druck. So lag der Zinsübersc­huss, Hauptertra­gsquelle der Institutsg­ruppe, 2020 mit 3,1 Milliarden Euro weitere 90 Millionen Euro unter seinem Vorjahresw­ert. Dagegen konnte der ordentlich­e Ertrag insbesonde­re durch das lebhafte Wertpapier­geschäft nur um 25 Millionen Euro gesteigert werden.

Laut Schneider reichten die Sparanstre­ngungen der Häuser offensicht­lich nicht aus, die Belastunge­n durch die „marktverze­rrende Minuszinsp­olitik der EZB“dauerhaft kompensier­en zu können. Das Zinsergebn­is werde weiter erodieren, sagte er voraus.

Unterdesse­n hinterläss­t der Lockdown auch deutliche Spuren im Verhalten der Kunden beim Umgang mit Geldthemen. So ist binnen Jahresfris­t die Quote der Nutzer des Onlinebank­ings von 57 auf 65 Prozent weiter gestiegen. „Die Corona-Krise bringt einen Schub bei der Digitalisi­erung“, sagte dazu der Verbandsge­schäftsfüh­rer des SVBW, Joachim Herrmann.

Auf der anderen Seite registrier­en die Sparkassen einen spürbaren Rückgang der Kundenfreq­uenz in den Filialen. Herrmann betonte, dass seine Finanzgrup­pe dennoch in der Fläche präsent bleiben wolle. Per Ende 2020 betrieben die Sparkassen in Baden-Württember­g 1944 Geschäftss­tellen – 25 weniger als Ende 2019 sind.

Gerade in der Krise würden die Kunden eine Hausbankve­rbindung mit persönlich­em Kontakt zu schätzen wissen, betonte Schneider mit Verweis auf ein Plus von netto 60 000 neuen Girokonten im Jahr 2020.

 ??  ??
 ?? FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN ?? Peter Schneider
FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN Peter Schneider

Newspapers in German

Newspapers from Germany