Sparkassen schwimmen im Geld ihrer Kunden
Gleichzeitig stunden sie im Südwesten 60 000 Kreditnehmern die Tilgungsraten
- Die Privatkunden der Sparkassen in Baden-Württemberg fluten die Institute mit Geldern in rekordhohem Umfang. Nie zuvor haben die Menschen mehr Geld in die 50 Institute im Land getragen, wodurch der Einlagenbestand 2020 insgesamt um 7,9 Prozent auf 159,0 Milliarden Euro gestiegen ist.
Bei Peter Schneider hinterlässt dieser Trend aber gemischte Gefühle. „Wir sehen hier eine ambivalente Situation“, sagte der Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg (SVBW) bei der Präsentation der Jahresergebnisse 2020 in Stuttgart. Während einige Kunden ums Überleben ihres Geschäfts kämpften und alle Rücklagen aufbrauchten, könnten zahlreiche Privatkunden durch den Lockdown ihr Geld gar nicht ausgeben.
Das spiegelt sich auch im Anstieg der Sparquote wider. Der Anteil des verfügbaren Einkommens, den die privaten Haushalte zurücklegen, ist im vergangenen Jahr auf rekordhohe 16 Prozent gestiegen.
Bei den Unternehmenskunden beträgt das Einlagenplus sogar fast 15 Prozent, woraus abzulesen ist, dass sich die Firmen Liquidität sichern und Investitionen auf die Zeit nach der Pandemie verschieben. Schneider machte deutlich, dass die Sparkassen gar nicht so viele Kredite vergeben können, wie Einlagen bei den Geldhäusern eintreffen.
Die Crux an der Sache ist, dass aufgrund der Diskrepanz zwischen den Zuwächsen von Einlagen und Krediten die Institute zunehmend Gelder bei der Europäischen Zentralbank parken müssen, die mit minus 0,5 Prozent zu verzinsen sind. Vor diesem Hintergrund sehen sich viele Sparkassen gezwungen, sogenannte Verwahrentgelte auf hohe Einlagen, insbesondere von Neukunden, zu erheben. Das Gros der Privatanleger sei aber von solchen Abwehrkonditionen nicht betroffen, hieß es.
Gleichzeitig stellen die Sparkassen im Südwesten erhöhte Aktivitäten der Kundschaft im Handel mit Aktien und Anleihen fest. Allein 2020 sind demnach die Wertpapierumsätze der Sparkassenkunden um 7,3 auf nie dagewesene 23,9 Milliarden Euro gestiegen.
Indessen wuchsen auch die Kreditbestände der Institute mit einem Plus von 5,0 Prozent auf einen neuen Höchstwert von 143,1 Milliarden Euro. Da sich die Gesamtsumme etwa hälftig auf Privatpersonen und Unternehmen verteilt, ist Schneider um die Risiken nicht bange. Das ausgewogene Verhältnis zeige vielmehr die gute Risikostreuung in der Kreditvergabe der Sparkassen. „Diese kommt uns jetzt in der Corona-Krise zugute“, so Schneider.
Um mögliche Kreditausfälle auffangen zu können, haben sich die Institute ein Polster von 220 Millionen Euro für die Risikovorsorge zurückgelegt – was nur gut einem Drittel der Rückstellungen des Jahres 2009 nach der Finanzkrise entspricht. „Das erste Corona-Jahr hat damit noch keinen dramatischen Einbruch für die Sparkassen gebracht“, sagte der SVBW-Präsident, machte aber klar, dass ihn die Länge des Lockdowns mit Sorge erfülle. „Mit jedem weiteren Tag kommen mehr Kunden in Schwierigkeiten“, so Schneider.
Dabei tun die Institute das Ihrige, den Kunden durch die Krise zu helfen. So haben seit Beginn der Pandemie in Baden-Württemberg rund 60 000 Privat- und Firmenkunden ihre Kreditraten bei den Sparkassen für mindestens drei Monate ausgesetzt. Bei einem betroffenen Kreditvolumen von gut zwölf Milliarden Euro haben die Sparkassen ihren Kunden eine Summe von 1,4 Milliarden Euro gestundet. Angesichts des Gesamtkreditvolumens von mehr als 143 Milliarden Euro hält sich dieser Wert aber in Grenzen. Schneider geht allerdings davon aus, dass die eigentlichen Kreditausfälle in diesem und im kommenden Jahr über denen des Jahres 2020 liegen werden.
Die Ertragslage der Sparkassen steht wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase indes weiter unter Druck. So lag der Zinsüberschuss, Hauptertragsquelle der Institutsgruppe, 2020 mit 3,1 Milliarden Euro weitere 90 Millionen Euro unter seinem Vorjahreswert. Dagegen konnte der ordentliche Ertrag insbesondere durch das lebhafte Wertpapiergeschäft nur um 25 Millionen Euro gesteigert werden.
Laut Schneider reichten die Sparanstrengungen der Häuser offensichtlich nicht aus, die Belastungen durch die „marktverzerrende Minuszinspolitik der EZB“dauerhaft kompensieren zu können. Das Zinsergebnis werde weiter erodieren, sagte er voraus.
Unterdessen hinterlässt der Lockdown auch deutliche Spuren im Verhalten der Kunden beim Umgang mit Geldthemen. So ist binnen Jahresfrist die Quote der Nutzer des Onlinebankings von 57 auf 65 Prozent weiter gestiegen. „Die Corona-Krise bringt einen Schub bei der Digitalisierung“, sagte dazu der Verbandsgeschäftsführer des SVBW, Joachim Herrmann.
Auf der anderen Seite registrieren die Sparkassen einen spürbaren Rückgang der Kundenfrequenz in den Filialen. Herrmann betonte, dass seine Finanzgruppe dennoch in der Fläche präsent bleiben wolle. Per Ende 2020 betrieben die Sparkassen in Baden-Württemberg 1944 Geschäftsstellen – 25 weniger als Ende 2019 sind.
Gerade in der Krise würden die Kunden eine Hausbankverbindung mit persönlichem Kontakt zu schätzen wissen, betonte Schneider mit Verweis auf ein Plus von netto 60 000 neuen Girokonten im Jahr 2020.