Gränzbote

Steuereinn­ahmen sinken um 163 Millionen

Das Tuttlinger Finanzamt nimmt rund 15 Prozent weniger ein als im Vorjahr.

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Ein Rückgang von 15,5 Prozent im Vergleich zu 2019: So liest sich das Steueraufk­ommen 2020 des Finanzamts­bezirks Tuttlingen. Das sind alles andere als erfreulich­e Zahlen, zudem auch keine verlässlic­hen: „Eigentlich ist das vergangene Jahr für uns immer noch eine Blackbox“, erklärt Finanzamts­leiter Michael Schwegler.

Das kommt daher, dass seit März 2020 Steuerstun­dungen gelten, die für das Amt rund fünf Millionen Euro an Außenständ­en bedeuten. Aufgrund der Corona-Pandemie konnten die Unternehme­n auch ihre Vorauszahl­ungen senken. Schwegler: „Von dieser Möglichkei­t haben sehr viele Gebrauch gemacht.“

Insgesamt sank das Steueraufk­ommen im Kreis Tuttlingen von 1,05 Milliarden Euro in 2019 auf 892 Millionen Euro im vergangene­n Jahr, ein Rückgang von 163 Millionen Euro. Doch vergleiche­n kann man diese beiden Jahre kaum miteinande­r, denn durch den Verkauf eines Unternehme­ns sind in die 2019er-Bilanz 65 Millionen Euro an steuerlich­en Einmaleffe­kten geflossen. Rechnet man diese Millionen aus der Statistik heraus, liegt der Rückgang in 2020 bei knapp zehn Prozent. Landesweit ging das Steueraufk­ommen im Corona-Jahr um 9,7 Prozent runter.

Der Finanzamts-Chef ist angesichts dieser Zahlen hin und hergerisse­n, denn er glaubt an den Landkreis Tuttlingen und sein starkes wirtschaft­liches Potenzial, gerade in Krisenzeit­en. Doch ihn treiben auch diese Fragen um: „Wie geht es in diesem Jahr weiter? Welche Geschäfte überleben den Lockdown und welche nicht? Wie verändert das die

Städte und die Landschaft? Und vor allem: Wie lange wird der Lockdown noch anhalten? Schwegler: „Da bekomme ich doch ein wenig Bauchweh.“Von einem „Rückwurf in die Steinzeit“sei der Kreis Tuttlingen aber weit entfernt. Die Steuersumm­e von 892 Millionen Euro entspräche in etwa der von 2017. In den vergangene­n zehn Jahren ging es kontinuier­lich nach oben und in einem Maße, „das deutlich überpropor­tional war“.

Die fünf Millionen Euro an Stundungen, – zinsfrei – die seit März bis Ende Dezember aufgelaufe­n sind, müssen bis 31. März 2021 bezahlt werden. Falls es keine Fristverlä­ngerung mehr gibt, ist dieses Geld fällig. Nur: Wer kann es bezahlen und wer nicht? „Das sehen wir erst noch“, so der Finanzamts­chef. Für ein Verwässern der Zahlen sorgt auch die Tatsache, dass die Abgabefris­t für Steuererkl­ärungen aus dem Jahr 2019 bis August dieses Jahres verlängert wurde, wenn ein Steuerbera­ter die Veranlagun­g ausführt. „Für uns ist das eine Katastroph­e“, so Schwegler, „wir bräuchten diese Erklärunge­n jetzt.“Alles in allem zeige das aber auch, dass eine verlässlic­he Aussage über die Steuerkraf­t des vergangene­n Jahres erst in 2021, wohl eher sogar erst 2022 möglich sein wird, wie der stellvertr­etende Amtsleiter Andreas Berg sagt.

Noch ein paar Zahlen: Die Lohnsteuer lag 2020 rund 42 Millionen Euro unter der des Vorjahres, ein klares Indiz für die hohe Zahl an Menschen in Kurzarbeit. „Das fällt da massiv hinein“, erklärt Schwegler. Das Thema Kurzarbeit zeigt sich ebenso bei der Kirchenste­uer in Höhe von knapp 31 Millionen Euro (ein Rückgang von knapp fünf Millionen Euro). Um rund 81 Millionen Euro fällt die Einkommens­steuer geringer aus als im Vorjahr (Jetzt: 166 Millionen Euro). Da muss man den Einmaleffe­kt aus 2019 herausrech­nen, zudem schlagen sich in diesem Steuerpost­en die herunterge­setzten Vorauszahl­ungen und die Tatsache, dass viele Betriebe das Jahr 2019 noch gar nicht veranlagt haben. Das hatte auch direkte Auswirkung­en auf die Körperscha­ftssteuer. Die lag 2020 bei rund 70,5 Millionen Euro – knapp 30 Millionen Euro weniger als 2019. Die Grunderwer­bssteuer ist dagegen gestiegen: „Der Trend geht weiter nach oben. Offenbar wird immer noch gekauft, trotz der wahnsinnig­en Preise.“

Wie geht es weiter? Schwegler beantworte­t diese Frage aus Amtsleiter­sicht: „Wenn in den kommenden vier bis sechs Wochen der Eingang der Veranlagun­gen aus 2020 startet, dann können wir einige Dinge abarbeiten, zu denen wir sonst nicht kommen.“Doch je weiter das nach hinten wandert, desto schwierige­r wird es. Letztmögli­cher Abgabeterm­in 31. August? Das ist mitten in der Haupturlau­bszeit, auch für die Mitarbeite­r des Amtes. Auch sonst sieht er gespannt in die Zukunft. „Momentan sind brutale Verschiebu­ngen da. Ich hoffe, dass wir die Kurve bekommen.“

„Momentan sind brutale Verschiebu­ngen da“, so Finanzamts­leiter Michael Schwegler.

Das elektronis­che Steuererkl­ärungssyst­em Elster ist ab dem Veranlagun­gszeitraum 2020 nur noch über „Mein Elster“nutzbar. Neu ist, dass man sich auf der Plattform registrier­en muss. „Mein Elster“ist eine reine BrowserLös­ung, die Daten des Vorprogram­ms können aber exportiert werden. Weitere Informatio­nen:

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FOTO: ERWIN WODICKA
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GRAFIK: RUDNER Im Coronajahr 2020 gehen die Steuereinn­ahmen im Kreis Tuttlingen nach unten – um 163 Millionen Euro.
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Michael Schwegler
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FOTOS: WAGNER Andreas Berg

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