Mehr Mut zur Debatte
Es ist ja richtig, dass im Bundestag über die repressiven Entwicklungen in Russland diskutiert wurde. Dennoch wäre es sinnvoller gewesen, wenn sich das deutsche Parlament mit den Plänen hätte befassen können, die die Teilnehmer des Bund-Länder-Gipfels im Kampf gegen die Corona-Pandemie in den Aktentaschen hatten. Es mag ja sein, dass eine extreme Notlage die Stunde der Exekutive ist, aber nach all den Schwierigkeiten bei der Impfstoffbeschaffung oder den schleppenden Impfaktivitäten hätte es der Demokratie gut gestanden und auch keine wesentliche zeitliche Verzögerung bedeutet, wenn Vertreter der Bundesregierung wie der Landesregierungen sich einer Debatte im Reichstagsgebäude gestellt hätten.
Warum wurde nicht vor den Beschlüssen über vorsichtige Öffnungskonzepte diskutiert, die den Menschen eine Perspektive bieten, sei es für ihr Berufs- wie für ihr Privatleben? Seit Wochen werden Stufenpläne eingefordert oder formuliert. Nicht von irgendwelchen Hasardeuren oder Politclowns, sondern von seriösen Abgeordneten, Wirtschaftsvertretern und auch Wissenschaftlern. Die Stichworte sind bekannt: Schulen, Einzelhandel, Restaurants, Hotels und einige mehr.
Die Liberalen haben ein Konzept vorgelegt, das Tagesinzidenz, Testhäufungen, die Belastung der Krankenhäuser und auch die Kompetenzen der Gesundheitsämter berücksichtigt. Es soll dabei nicht coronaignorierend fahrlässig geöffnet werden, sondern Einschränkungen sollen nur zurückgenommen werden, wenn die daran gekoppelten Werte auch wirklich sinken. Auch bei einem weiteren Punkt hat die FDP recht: Die Beschränkungsregeln müssen bundesweit einheitlich gelten – und dann regional den Infektionswerten angepasst werden.
Die Beschlüsse von Angela Merkel und den Ministerpräsidenten weisen zumindest in einem wichtigen Punkt in die andere Richtung. Schulöffnungen bleiben leider weiter reine Ländersache. Es droht ein föderaler Flickenteppich, da jeder das machen kann, wozu er aus welchen Gründen auch immer Lust hat.