Gränzbote

Der Kunstverst­ärker

Der aus Altshausen stammende Künstler Gerold Miller hat internatio­nal Karriere gemacht – Ein Atelierbes­uch

- Von Martin Oswald set-Bilder

Egal ob in Zürich, New Orleans, Buenos Aires, Paris, Berlin oder in seiner oberschwäb­ischen Heimat – die Werke des im Jahr 1961 in Altshausen geborenen Künstlers Gerold Miller finden sich in Sammlungen auf der ganzen Welt. Die internatio­nale Karriere des Künstlers ist beachtlich. Ein Besuch in Berlin anlässlich des runden Geburtstag­s.

Manches Kunstmuseu­m wäre froh um ein solches Depot. Gerold Miller hat sich mit dem Bau eines eigenen Showrooms für sein umfänglich­es Werk einen lange gehegten Wunsch erfüllt. Vorausscha­uend in der Nähe des neuen Flughafens Berlin gelegen und weit vor diesem vollendet, bietet die schicke, anthrazits­chwarze Halle nicht nur einen perfekt klimatisie­rten Raum für die empfindlic­hen Skulpturen und Bildobjekt­e, sondern auch für Berlinbesu­cher die Gelegenhei­t, sich einen umfassende­n Überblick zum Werk des Künstlers Gerold Miller zu verschaffe­n.

Das Atelier selbst findet sich näher am Zentrum, in einer ehemaligen Mälzerei im Bezirk Tempelhof. Es ist eine tennisplat­zgroße, weiß gestrichen­e Halle in einem schick sanierten Industrieg­ebäude aus der Gründerzei­t. „Ich brauche die Leere, um aus dem Nichts eine Idee zu entwickeln“, beschreibt Miller den Ausgangspu­nkt des künstleris­chen Prozesses.

Gerold Millers autonome Kunstobjek­te bedienen sich einer universale­n Bildsprach­e. Die ungegenstä­ndlichen Werke bewegen sich zwischen Malerei, Objekt und Skulptur, ohne sich auf ein bestimmtes Genre festlegen zu lassen. Insofern spiegeln die Werkserien eine zeitgenöss­ische Position, die sich traditione­llen Zuordnunge­n bewusst entzieht. Gerold Miller studierte von 1984 bis 1989 an der Staatliche­n Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Bildhauere­i und sieht sich als Grenzgänge­r zwischen den Künsten. Selbst der Aufruf kunsthisto­rischer Bezüge wie etwa dem zur minimalist­ischen Kunst oder zu Strömungen der Konkreten Kunst wird nur bedingt einem Künstler gerecht, der seinen ganz eigenen Weg gegangen ist. Das bestätigt auch der Erfolg des Oberschwab­en, der im Jahr 1989 Berlin als Fixpunkt seines Schaffens wählte.

Auf dem großen Arbeitstis­ch steht ein MAC mit einem großen

Bildschirm. Handwerksz­eug, Farbtöpfe gar, Staub oder Späne sucht man hier vergebens. Der Künstler hat sich schon vor Jahren entschiede­n, sich auf den Entwurfspr­ozess zu konzentrie­ren. In immer neuen Variatione­n lotet Miller zunächst an Hand kleiner Papiermode­lle unterschie­dlichste Möglichkei­ten der Kompositio­n aus. Papier, Pappe, Messer – das ist sein Entwurfswe­rkzeug. Dabei geht es weder um Berechnung noch um mathematis­che Raster, sondern um Intuition und künstleris­che Empirik.

Die Produktion der technisch aufwendige­n Werke ist wiederum nur in Spezialwer­kstätten möglich. Dort werden die Aluplatten vorbereite­t, dort wird in vielen Arbeitsgän­gen die Oberfläche lackiert und poliert. Alles vom Künstler überwacht und kontrollie­rt. Oft kommen Oberfläche­n zum Einsatz, die das Licht unterschie­dlich absorbiere­n. In einigen Fällen spielen die Bilder mit der Erwartungs­haltung der Betrachter, die davon ausgehen, dass sich eine Fläche über eine zweite schiebt, wiewohl sie tatsächlic­h nur zwei L-förmige Farbstreif­en am Rand eines Rechtecks sehen. Es ist nur konsequent, dass Gerold Miller jüngst einen Schritt weiter ging und diesen Winkel zur Grundform seiner Skulpturen wählt, die nun exakt jenen Leerraum vermessen, der sich in Gedanken hinter und zwischen den Farbfelder­n seiner

verbirgt. Der Künstler nennt diese neuen Skulpturen „Verstärker“, Kraftfelde­r also, die zwischen dem vorhandene­n Leerraum und dem imaginiert­en Raum vermitteln.

Diese Skulpturen definieren Räume in der denkbar einfachste­n Form, indem sie sich auf die drei Achsen des Koordinate­nsystems beschränke­n. Dennoch – und gerade darin liegt das Potenzial der Werkserie – erlaubt dieser formale Ansatz eine Fülle an geradezu unendlich breiten Variatione­n.

Was macht die große Anziehungs­kraft

„Ich brauche die Leere, um aus dem Nichts eine Idee zu entwickeln.“

Der Künstler Gerold Miller

dieser Kunst auf die Betrachter aus? Vielleicht ist es gerade die machtvolle Beschränku­ng auf das Elementare, aus der diese Kunst eine Energie bezieht, die jeweils neu vor dem Werk erfahren werden will. Vielleicht ist es das Maß und die Ordnung in einer sonst chaotische­n und entgleiten­den Welt. In immer neuen Variatione­n und Dimensione­n untersucht Gerold Miller die Beziehung von Form, Farbe und Raum und befragt dabei die Funktion des Bildes an sich.

Viele der Werke übrigens gehen nach Übersee, etliche Sammler leben in Südamerika. Allein für dieses Jahr sind weltweit zehn Einzelauss­tellungen geplant. Die eigentlich­e Jubiläumsa­usstellung eröffnet am 19. Februar 2021, drei Tage nach seinem runden Geburtstag, in der feinen New Yorker Galerie Ashes. In Oberschwab­en, etwa bei den Ausstellun­gen der Fähre in Bad Saulgau, hat Gerold Miller die ersten entscheide­nden Impulse empfangen, um sein Leben ganz der Kunst zu widmen. Millers Weg ist ein schönes Argument für ein anspruchsv­olles Angebot an Kunst abseits der großen Metropolen.

 ?? FOTO: ROLAND RASEMANN ?? Gerold Miller (rechts) im Gespräch mit dem Sammler Siegfried Weishaupt bei seiner Einzelauss­tellung im Jahr 2016 in der Kunsthalle Weishaupt in Ulm. Zur Grundform seiner Skulpturen hat Miller den Winkel gewählt. Die polierten Flächen generieren Spiegeleff­ekte.
FOTO: ROLAND RASEMANN Gerold Miller (rechts) im Gespräch mit dem Sammler Siegfried Weishaupt bei seiner Einzelauss­tellung im Jahr 2016 in der Kunsthalle Weishaupt in Ulm. Zur Grundform seiner Skulpturen hat Miller den Winkel gewählt. Die polierten Flächen generieren Spiegeleff­ekte.

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