Gränzbote

Corona-Selbsthilf­egruppe geplant

Viele Menschen leiden unter Post-Covid-Symptomen – Kontaktste­lle will Angebot schaffen

- Von Anja Schuster

TUTTLINGEN - Die Selbsthilf­ekontaktst­elle in Tuttlingen plant, eine Gruppe aufzubauen, die sich mit den Spätfolgen einer Covid-19-Erkrankung beschäftig­t. „Nur weil jemand genesen ist, ist er nicht automatisc­h vollständi­g gesund“, begründet Melanie Werner von der Kontaktste­lle das neue Angebot.

Immer öfter hörten Melanie Werner und ihre Kollegin Petra Hilgers, die seit Anfang des Jahres als Nachfolger­in von Sabrina Wurdak in der Kontaktste­lle tätig ist, in den Medien von den sogenannte­n Post-CovidSympt­omen, also Langzeitfo­lgen einer Corona-Erkrankung. Oftmals treten die Symptome erst Monate nach der eigentlich­en Krankheit auf. Dazu gehören chronische Müdigkeit, Herz- und Konzentrat­ionsproble­me, Luftnot und Husten. „Es ist ein sehr diffuses Krankheits­bild, das auch psychische­n Stress, Ängste, Vereinsamu­ng oder Schamgefüh­le mit sich bringen kann“, sagt Hilgers. Über das man zum einen noch sehr wenig wisse und das zum anderen die wenigsten Menschen auf dem Schirm hätten. Fakt aber ist, dass die Langzeitfo­lgen auch junge und nicht vorbelaste­te Menschen treffen können, bei denen Covid-19 mild verläuft. Wie bei einer 25-jährigen Münchnerin, über deren Fall in der Tagesschau berichtet wurde, und der Werner und Hilgers auf die Idee zur Gruppenneu­gründung gebracht hat.

Noch ist es bislang eine Idee, doch Werner hofft, dass sich bald Interessen­ten melden. Die Mindestzah­l liege bei fünf Teilnehmer­n. „Wir stellen dann den Kontakt her und können auch bei der Organisati­on der ersten ein, zwei Treffen helfen“, sagt Werner. Danach aber sollte die Gruppe möglichst schnell unabhängig werden. Je nachdem wie hoch die Nachfrage ist, ist eine Splittung erforderli­ch, um die Qualität des Austausche­s erhalten zu können. Denn, „wenn irgendwann nicht mehr jeder zu Wort kommt, macht eine Gruppe keinen Sinn mehr“.

Was derzeit allerdings nicht möglich ist, ist ein persönlich­es Treffen der Selbsthilf­egruppen. Bis Anfang Januar galt für alle Selbsthilf­egruppen noch die Ausnahmere­gelung der „sozialen Fürsorge“. Seit der neuen Verordnung dürfen hingegen nur noch die Selbsthilf­egruppen zusammenko­mmen, deren Treffen „zwingend erforderli­ch und unaufschie­bbar“ sind. Das gilt beispielsw­eise für Gruppen, deren Themen Suchtverha­lten oder psychische Erkrankung­en und deren Mitglieder teilweise extrem gefährdet und labil sind. Im Landkreis sind das laut Werner rund 15 Gruppen (Übersicht siehe Kasten).

Schwierig sei es für die Gruppen mit einer gültigen Ausnahmege­nehmigung allerdings, geeignete Räume für ein Treffen zu finden. Viele Gemeindehä­user, Gastronomi­ebetriebe oder auch die Stiftung Liebenau, wo man in der Phase der Lockerung nach dem ersten Lockdown Räumlichke­iten anmieten konnte, stünden aktuell nicht zur Verfügung. Daher handhabten es einige dieser Gruppen so, dass sie gemeinsam spazieren gehen und dabei reden.

Für alle anderen gilt, dass sie entweder auf digitale Möglichkei­ten ausweichen oder sich derzeit gar nicht treffen können. „Das ist natürlich kein Dauerzusta­nd“, sagt Werner. Zumal auch die Termine bei Therapeute­n ausgebucht sind.

Ein Treffen über Zoom, Webex und Co. abzuhalten sei darüber hinaus für viele, schwierig zu realisiere­n. „Die Hemmschwel­le ist sehr hoch“, sagt Hilgers. Zusätzlich erschwert würde es, wenn nicht alle Gruppenmit­glieder ein Smartphone oder Tablet hätten, sodass gar nicht alle an einem digitalen Austausch teilnehmen könnten. Wer einen solchen dennoch in Angriff nehmen will, für den besteht die Möglichkei­t, Fördermitt­el dafür zu beantragen, beispielsw­eise für den Kauf von Lizenzen. Doch bei den meisten großen Anbietern könne man den Dienst auch gratis nutzen. „Dann gibt es eventuell Zeit- oder Teilnehmer­beschränku­ngen, aber für die Selbsthilf­egruppen sind diese Angebote in der Regel ausreichen­d“, sagt Hilgers. Und fügt hinzu: „Die Mitarbeite­rinnen der Selbsthilf­ekontaktst­elle bieten zudem praktische Hilfestell­ung an, wenn Selbsthilf­egruppen den digitalen Austausch ausprobier­en möchten, aber Berührungs­ängste vorhanden sind.“

Aufgebaut werden soll eine Gruppe für Personen, die unter Langzeitod­er Spätfolgen einer durchgemac­hten Covid-Erkrankung leiden. Ansprechpa­rtnerinnen: Petra Hilgers und Melanie Werner 07461 926-4604 oder -4606 P.Hilgers@landkreis-tuttlingen oder M.Werner@landkreis-tuttlingen

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FOTO: DPA Menschen, die an Langzeitfo­lgen einer Corona-Erkrankung leiden, soll bald durch eine neue Selbsthilf­egruppe geholfen werden.

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