Minisprung löst heftige Debatte aus
25 Narren trotzen Vorgaben – Harsche Kritik in sozialen Netzwerken – Strafen gefordert
ROTTWEIL (sbo) - Einige Narren haben es in Rottweil doch getan und sind am Montagmorgen durch das Schwarze Tor gejuckt. Die Polizei löste die Veranstaltung nach 15 Minuten auf. Alleine dadurch, dass es zu einer Menschenansammlung kam, sei gegen die Corona-Verordnung verstoßen worden, sagt Tobias Hermann, Pressesprecher der Stadt Rottweil.
Die Aktion von circa 25 Narren am Montagmorgen bietet nun Stoff für hitzige Diskussionen und wird (nicht nur) in den sozialen Medien kritisch kommentiert. Traditionell säumen am Fasnetsmontag mehrere Tausend Zuschauer die Straßen in der historischen Innenstadt, um einen der Höhepunkte der schwäbisch-alemannischen Fasnet mitzuerleben: den Rottweiler Narrensprung. Wegen der Corona-Pandemie wurde der Sprung von der Narrenzunft vor Wochen abgesagt. Zunft und Stadtverwaltung beknieten die Narren, zu Hause zu bleiben. Ein virtuelles Programm wurde als Ersatz angeboten, das sich laut Stadt am Montagmorgen 10 000 Menschen anschauten (mehr dazu auf Seite 16).
Doch nicht alle wollten sich von der Ausübung der Tradition abhalten lassen. Neben 25 Narren säumten mehrere Hundert Zuschauer die Obere Hauptstraße. Ungewöhnliche Anblicke boten sich bereits vor 8 Uhr oberhalb des Schwarzen Tors. Da unterhielt sich ein „Biß“mit Polizeibeamten und ein besonders „Gschell“– ein Halbnarr – machte auf sich aufmerksam. Die Larve halbseitig schwarz bemalt und nur grob bearbeitet, hatte der Narr einen schwarzgelben Abstandsstab mit eineinhalb Metern Länge dabei.
Die Polizisten machten kurz vor 8 Uhr den Weg frei und ließen die Narren durch das Tor passieren. Hu-HuHu-Rufe erklangen, Peitschen knallten. Narrenmeister Christoph Bechtold beobachtete die Szenerie mit gemischten Gefühlen.
An manchem Fenster beobachteten Rössle, Fransenkleidle und Gschell das Geschehen auf der Straße. Auch im Haus 1, dem Narrenzunft-Hauptquartier, konnten es die im Fenster drapierten Guller, Narren-engel und Co. nicht recht glauben, was sich auf der Straße zutrug. Die Polizei schritt dann doch ein. Kaum waren die Narren halb die Obere Hauptstraße hinuntergejuckt, beendeten die Beamten, es war 8.10 Uhr, das närrische Treiben.
Die Abstände wurden größtenteils eingehalten und die Masken waren sichtbar, wie Polizeisprecher Markus Haug Agenturangaben zufolge erklärte. Einzelne seien angesprochen worden, alles in allem habe die Polizei nicht einschreiten müssen: „Mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, war nicht verhältnismäßig. Wir haben nicht die große Keule geschwungen“, sagte Haug.
Die Fasnet sorgt in diesem Jahr also angesichts der strengen CoronaRegeln für höchst gemischte Gefühle. Während manch ein Beobachter des kurzen Spektakels am Montagmorgen Tränen vor Rührung in den Augen hatte, trieb es anderen die Zornesröte ins Gesicht.
Auf Facebook wird die Aktion zu einem überwiegenden Teil harsch kritisiert. Eine Nutzerin meint, es sei „ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die sich penibel an die Maßnahmen, Hygienevorschriften halten und trotzdem ihr Geschäft, Restaurant ect. nicht öffnen dürfen, während Kinder zuhause sitzen...“An die Vorbildfunktion der Erwachsenen für Kinder erinnert diese Stimme: „Die Kleinen hält man zurück, aber die großen dürfen. Find ich echt frech.“
Ein anderer Nutzer fasst zusammen: „Ich bin selber Narr und auch mir hat dieses Jahr mein Herz geblutet, aber sowas kann ich absolut nicht nachvollziehen. Geschäfte, Gastronomie, Kindergärten und Schulen dicht, im Krankenhaus in Rottweil ein Haufen Infizierte, und die Narren laufen in der Stadt, als nichts wäre. Viele Vereine haben sich an die Regeln gehalten. Dann hätte solch eine Aktion auch nicht sein müssen. Entweder alle oder keiner.“
Nur vereinzelt wird die Aktion begrüßt und für gut geheißen. Ein früherer Stadtrat etwa schreibt: „Stolz und im positiven Sinne neidisch bin ich auf euch Narren. Vielleicht ist das ein Auftakt zur alten Tradition.“
VS-VILLINGEN (sbo) - Den Aufrufen von Zunftmeister und Polizei zum Trotz haben sich am Fasnetmendig zahlreiche Narren in der Villinger Innenstadt getroffen. Mit einem spontanen Umzug am Morgen des Fasnetmendig hat es begonnen, dann zog sich das Narrentreiben schon über den kompletten Tag. Für die Stadtverwaltung ein Unding, wie sie in einer Stellungnahme betont.
Gegen 9 Uhr, dann wenn sonst der Historische Umzug der Narrozunft startet, zogen Narro, Morbile und Stachi durch die Straßen. Ihr Motto: "1. Historische Corona-Austreibung Villingen 2021". Dazu gesellten sich einige Hexen und darüber hinaus Blechtrommler der Glonkis. Auch am Straßenrand fanden sich einige Narren - die meisten mit Mundschutz zusammen, die das Treiben fröhlich beobachteten.
Kritisch beäugt wurde das Zusammenkommen der Narren von der Polizei, die mit mehreren Streifen vor Ort war. Abgesehen von mehreren Ermahnungen ließen sie das Treiben aber zu und schritten nicht ein.
Die Stadt Villingen-Schwenningen hat das närrische Treiben in der Villinger Innenstadt derweil scharf kritisiert. Oberbürgmeister Jürgen Roth rief die Narren dazu auf, nach Hause zu gehen.
„Vor Ort müssen leider zahlreiche Verstöße gegen die Corona-Verordnung festgestellt werden. Es kommt zu Menschenansammlungen, der Mindestabstand und die Kontaktbeschränkungen werden nicht eingehalten“, erklärt die städtische Pressesprecherin Oxana Brunner. Wenn es sich nicht vermeiden lasse, würden auch Bußgelder ausgesprochen. Brunner: „Wenn wir Stüble oder unzulässige Feste im Privaten oder sonstiges gemeldet bekommen, werden wir vor Ort gehen, diese unzulässigen Veranstaltungen auflösen und diese ganz sicher mit Bußgeldern belegen.“
Auch Oberbürgermeister Jürgen Roth zeigt für das Treiben kein Verständnis. „Das Verhalten erschreckt mich, weil es so konzentriert erfolgt“, erklärt er in einer Stellungnahme. Dass ein paar Narren in der Stadt umherlaufen, sei absehbar und auch kalkuliert gewesen. Roth betont aber:
„Dieser Auflauf an Menschen und dies auch noch in vorheriger Absprache halte ich in der pandemischen Gesamtsituation für unklug, unangemessen und leichtsinnig – und vor allem: unverantwortlich allen Mitmenschen gegenüber.“
Auch für die Zuschauer, die eng beieinanderstehen und dem Treiben folgen würden, als ob nichts wäre, würde er kein Verständnis aufbringen. „Ich appelliere dringend an alle im Städtle: Gehen Sie nach Hause!“, so OB Jürgen Roth.
Bei der Historischen Narrozunft Villingen zeigt sich Zunftmeister Anselm Säger „hochzufrieden, dass es nur ein paar wenige Hästräger waren – die sind zu vernachlässigen“. So erklärt Säger, dass man damit gerechnet habe, dass vereinzelt Narren unterwegs sind. „Es wäre aber natürlich besser gewesen, wenn alle daheim geblieben wären“, so Säger. Aus seiner Sicht seien nicht „die 20 Hästräger“beim morgendlichen Umzug, sondern viel mehr die Zuschauer das Problem gewesen. Diese seien schnell in Gruppen zusammengestanden, während Hästräger ihren Abstand gewahrt hätten.
Aus Sicht der Polizei habe es bislang keine Probleme gegeben. „Es gibt nichts zu beanstanden“, so Jörg
Kluge auf Nachfrage unserer Redaktion. Es seien ein paar Hästräger unterwegs gewesen, die aber Abstände eingehalten und zudem Masken getragen hätten. Aus Sicht der Polizei sei es – mit Blick auf den Umzug am Morgen – nicht möglich zu überprüfen, ob die Hästräger verabredet waren. Kluge: „Man hat sich getroffen und ist dann gemeinsam in eine Richtung gelaufen – da müssen wir erstmal das Gegenteil beweisen.“Die Polizei sei verstärkt unterwegs, um die Vorschriften zu kontrollieren. Fremdkräfte, wie etwa die Bereitschaftspolizei, habe man nicht hinzugezogen.