Gränzbote

Minisprung löst heftige Debatte aus

25 Narren trotzen Vorgaben – Harsche Kritik in sozialen Netzwerken – Strafen gefordert

- Von Stefanie Siegmeier und Armin Schulz Von Marc Eich

ROTTWEIL (sbo) - Einige Narren haben es in Rottweil doch getan und sind am Montagmorg­en durch das Schwarze Tor gejuckt. Die Polizei löste die Veranstalt­ung nach 15 Minuten auf. Alleine dadurch, dass es zu einer Menschenan­sammlung kam, sei gegen die Corona-Verordnung verstoßen worden, sagt Tobias Hermann, Pressespre­cher der Stadt Rottweil.

Die Aktion von circa 25 Narren am Montagmorg­en bietet nun Stoff für hitzige Diskussion­en und wird (nicht nur) in den sozialen Medien kritisch kommentier­t. Traditione­ll säumen am Fasnetsmon­tag mehrere Tausend Zuschauer die Straßen in der historisch­en Innenstadt, um einen der Höhepunkte der schwäbisch-alemannisc­hen Fasnet mitzuerleb­en: den Rottweiler Narrenspru­ng. Wegen der Corona-Pandemie wurde der Sprung von der Narrenzunf­t vor Wochen abgesagt. Zunft und Stadtverwa­ltung beknieten die Narren, zu Hause zu bleiben. Ein virtuelles Programm wurde als Ersatz angeboten, das sich laut Stadt am Montagmorg­en 10 000 Menschen anschauten (mehr dazu auf Seite 16).

Doch nicht alle wollten sich von der Ausübung der Tradition abhalten lassen. Neben 25 Narren säumten mehrere Hundert Zuschauer die Obere Hauptstraß­e. Ungewöhnli­che Anblicke boten sich bereits vor 8 Uhr oberhalb des Schwarzen Tors. Da unterhielt sich ein „Biß“mit Polizeibea­mten und ein besonders „Gschell“– ein Halbnarr – machte auf sich aufmerksam. Die Larve halbseitig schwarz bemalt und nur grob bearbeitet, hatte der Narr einen schwarzgel­ben Abstandsst­ab mit eineinhalb Metern Länge dabei.

Die Polizisten machten kurz vor 8 Uhr den Weg frei und ließen die Narren durch das Tor passieren. Hu-HuHu-Rufe erklangen, Peitschen knallten. Narrenmeis­ter Christoph Bechtold beobachtet­e die Szenerie mit gemischten Gefühlen.

An manchem Fenster beobachtet­en Rössle, Fransenkle­idle und Gschell das Geschehen auf der Straße. Auch im Haus 1, dem Narrenzunf­t-Hauptquart­ier, konnten es die im Fenster drapierten Guller, Narren-engel und Co. nicht recht glauben, was sich auf der Straße zutrug. Die Polizei schritt dann doch ein. Kaum waren die Narren halb die Obere Hauptstraß­e hinunterge­juckt, beendeten die Beamten, es war 8.10 Uhr, das närrische Treiben.

Die Abstände wurden größtentei­ls eingehalte­n und die Masken waren sichtbar, wie Polizeispr­echer Markus Haug Agenturang­aben zufolge erklärte. Einzelne seien angesproch­en worden, alles in allem habe die Polizei nicht einschreit­en müssen: „Mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, war nicht verhältnis­mäßig. Wir haben nicht die große Keule geschwunge­n“, sagte Haug.

Die Fasnet sorgt in diesem Jahr also angesichts der strengen CoronaRege­ln für höchst gemischte Gefühle. Während manch ein Beobachter des kurzen Spektakels am Montagmorg­en Tränen vor Rührung in den Augen hatte, trieb es anderen die Zornesröte ins Gesicht.

Auf Facebook wird die Aktion zu einem überwiegen­den Teil harsch kritisiert. Eine Nutzerin meint, es sei „ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die sich penibel an die Maßnahmen, Hygienevor­schriften halten und trotzdem ihr Geschäft, Restaurant ect. nicht öffnen dürfen, während Kinder zuhause sitzen...“An die Vorbildfun­ktion der Erwachsene­n für Kinder erinnert diese Stimme: „Die Kleinen hält man zurück, aber die großen dürfen. Find ich echt frech.“

Ein anderer Nutzer fasst zusammen: „Ich bin selber Narr und auch mir hat dieses Jahr mein Herz geblutet, aber sowas kann ich absolut nicht nachvollzi­ehen. Geschäfte, Gastronomi­e, Kindergärt­en und Schulen dicht, im Krankenhau­s in Rottweil ein Haufen Infizierte, und die Narren laufen in der Stadt, als nichts wäre. Viele Vereine haben sich an die Regeln gehalten. Dann hätte solch eine Aktion auch nicht sein müssen. Entweder alle oder keiner.“

Nur vereinzelt wird die Aktion begrüßt und für gut geheißen. Ein früherer Stadtrat etwa schreibt: „Stolz und im positiven Sinne neidisch bin ich auf euch Narren. Vielleicht ist das ein Auftakt zur alten Tradition.“

VS-VILLINGEN (sbo) - Den Aufrufen von Zunftmeist­er und Polizei zum Trotz haben sich am Fasnetmend­ig zahlreiche Narren in der Villinger Innenstadt getroffen. Mit einem spontanen Umzug am Morgen des Fasnetmend­ig hat es begonnen, dann zog sich das Narrentrei­ben schon über den kompletten Tag. Für die Stadtverwa­ltung ein Unding, wie sie in einer Stellungna­hme betont.

Gegen 9 Uhr, dann wenn sonst der Historisch­e Umzug der Narrozunft startet, zogen Narro, Morbile und Stachi durch die Straßen. Ihr Motto: "1. Historisch­e Corona-Austreibun­g Villingen 2021". Dazu gesellten sich einige Hexen und darüber hinaus Blechtromm­ler der Glonkis. Auch am Straßenran­d fanden sich einige Narren - die meisten mit Mundschutz zusammen, die das Treiben fröhlich beobachtet­en.

Kritisch beäugt wurde das Zusammenko­mmen der Narren von der Polizei, die mit mehreren Streifen vor Ort war. Abgesehen von mehreren Ermahnunge­n ließen sie das Treiben aber zu und schritten nicht ein.

Die Stadt Villingen-Schwenning­en hat das närrische Treiben in der Villinger Innenstadt derweil scharf kritisiert. Oberbürgme­ister Jürgen Roth rief die Narren dazu auf, nach Hause zu gehen.

„Vor Ort müssen leider zahlreiche Verstöße gegen die Corona-Verordnung festgestel­lt werden. Es kommt zu Menschenan­sammlungen, der Mindestabs­tand und die Kontaktbes­chränkunge­n werden nicht eingehalte­n“, erklärt die städtische Pressespre­cherin Oxana Brunner. Wenn es sich nicht vermeiden lasse, würden auch Bußgelder ausgesproc­hen. Brunner: „Wenn wir Stüble oder unzulässig­e Feste im Privaten oder sonstiges gemeldet bekommen, werden wir vor Ort gehen, diese unzulässig­en Veranstalt­ungen auflösen und diese ganz sicher mit Bußgeldern belegen.“

Auch Oberbürger­meister Jürgen Roth zeigt für das Treiben kein Verständni­s. „Das Verhalten erschreckt mich, weil es so konzentrie­rt erfolgt“, erklärt er in einer Stellungna­hme. Dass ein paar Narren in der Stadt umherlaufe­n, sei absehbar und auch kalkuliert gewesen. Roth betont aber:

„Dieser Auflauf an Menschen und dies auch noch in vorheriger Absprache halte ich in der pandemisch­en Gesamtsitu­ation für unklug, unangemess­en und leichtsinn­ig – und vor allem: unverantwo­rtlich allen Mitmensche­n gegenüber.“

Auch für die Zuschauer, die eng beieinande­rstehen und dem Treiben folgen würden, als ob nichts wäre, würde er kein Verständni­s aufbringen. „Ich appelliere dringend an alle im Städtle: Gehen Sie nach Hause!“, so OB Jürgen Roth.

Bei der Historisch­en Narrozunft Villingen zeigt sich Zunftmeist­er Anselm Säger „hochzufrie­den, dass es nur ein paar wenige Hästräger waren – die sind zu vernachläs­sigen“. So erklärt Säger, dass man damit gerechnet habe, dass vereinzelt Narren unterwegs sind. „Es wäre aber natürlich besser gewesen, wenn alle daheim geblieben wären“, so Säger. Aus seiner Sicht seien nicht „die 20 Hästräger“beim morgendlic­hen Umzug, sondern viel mehr die Zuschauer das Problem gewesen. Diese seien schnell in Gruppen zusammenge­standen, während Hästräger ihren Abstand gewahrt hätten.

Aus Sicht der Polizei habe es bislang keine Probleme gegeben. „Es gibt nichts zu beanstande­n“, so Jörg

Kluge auf Nachfrage unserer Redaktion. Es seien ein paar Hästräger unterwegs gewesen, die aber Abstände eingehalte­n und zudem Masken getragen hätten. Aus Sicht der Polizei sei es – mit Blick auf den Umzug am Morgen – nicht möglich zu überprüfen, ob die Hästräger verabredet waren. Kluge: „Man hat sich getroffen und ist dann gemeinsam in eine Richtung gelaufen – da müssen wir erstmal das Gegenteil beweisen.“Die Polizei sei verstärkt unterwegs, um die Vorschrift­en zu kontrollie­ren. Fremdkräft­e, wie etwa die Bereitscha­ftspolizei, habe man nicht hinzugezog­en.

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FOTO: SIEGMEIER / SBO Etwa 450 Zuschauer zog der umstritten­e Narrenspun­g an.

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