Gegenwind für Kauder
Unterschiedliche Reaktionen auf den Flüchtlings-Vorstoß
RAVENSBURG (dan) - Die Bundestagsabgeordneten Hilde Mattheis (SPD) und Volker Kauder (CDU) erhalten für ihre Initiative zur Flüchtlings-Aufnahme gemischte Reaktionen. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) widersprach bei der Forderung, mehr Menschen aus den Lagern auf der griechischen Insel Lesbos nach Deutschland zu holen. „Wir helfen dort, wo es geboten ist. Doch unterschiedslose Aufnahmen von Asylsuchenden aus Griechenland sind der falsche Weg“, sagte Frei. Kauder hatte bekannt gegeben, bei Frei für eine „parlamentarische Lösung“werben zu wollen.
Ute Vogt, innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, kündigte eine Initiative an, die Kommunen eine Aufnahme von Flüchtlingen aus den griechischen Lagern erleichtern soll. Eine solche Idee hatte auch Parteifreundin Mattheis in ihrem gemeinsamen Interview mit Volker Kauder gefordert.
RAVENSBURG - Die Bundestagsabgeordneten Volker Kauder und Hilde Mattheis fordern, mehr Flüchtlingen aufzunehmen – und erhalten dafür Ablehnung und Zuspruch. Wegen der menschenunwürdigen Bedingungen auf der griechischen Insel Lesbos wollen sie mehr Asylsuchende nach Deutschland holen. Dafür wollen sie in ihren Fraktionen werben, wie sie in einem Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“erklärt haben.
So hatte Kauder angekündigt, mit Unionsfraktionsvize Thorsten Frei „eine parlamentarische Lösung“suchen zu wollen – der aber erteilt seinem Parteikollegen eine Absage. „Wir helfen dort, wo es geboten ist. Doch die unterschiedslose Aufnahme von Asylsuchenden aus Griechenland ist der falsche Weg“, sagt der Bundestagsabgeordnete für den Schwarzwald-Baar-Kreis. „Wenn in Europa der Eindruck entstünde, dass Deutschland bereit wäre, im Zweifelsfall allein zu handeln, dann werden sich die anderen Staaten zurücklehnen und dann wird über kurz oder lang ein neues Moria in Griechenland entstehen, weil auch unsere Möglichkeiten begrenzt sind.“Von solchen Aufnahmen von Asylsuchenden gehe das „fatale Signal“in die Welt aus, der Weg nach Deutschland sei frei. Das würde das „EU-Türkei-Abkommen unterminieren und einen Eckpfeiler aus unserem Konzept zur Steuerung und Begrenzung von Migration herausbrechen“.
Frei verweist auf die freiwillige Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden, von behandlungsbedürftigen Kindern und von über 400 anerkannt schutzberechtigten Familien. „Insgesamt geht es dabei allein in den letzten Monaten um rund 2750 Personen, die wir bis Ende März aus Griechenland nach Deutschland bringen wollen“.
Laut Bundesinnenministerium hat Deutschland seit April 2020 1561 Personen aus Griechenland aufgenommen – einige davon leben jetzt im Südwesten. Landesinnenminister und CDU-Bundesvize Thomas Strobl wollte sich am Dienstag nicht zum Vorstoß seines CDU-Kollegen Kauder äußern. Ein Sprecher nannte jedoch Zahlen: Aus dem Kreis behandlungsbedürftiger Kinder und ihrer Familienangehörigen habe Baden-Württemberg
60 Personen aufgenommen, über das Bundesprogramm zur Aufnahme anerkannter Flüchtlinge seien 35 Menschen gekommen. Zudem habe Baden-Württemberg im Jahr 2020 insgesamt 20 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Griechenland aus Kontingenten aufgenommen.
„Wir unterstützen den Ansatz der Bundesregierung für ein koordiniertes europäisches Vorgehen ausdrücklich“, heißt es aus dem Innenministerium weiter. Eine nachhaltige Verbesserung der Situation der Flüchtlinge lasse sich nur im europäischen Kontext verwirklichen.
Eine solche Lösung sei wünschenswert, aber „absolut nicht in Sicht“, sagt Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Daher begrüßt er den Vorstoß der Abgeordneten Kauder und Mattheis. Gleichwohl ist er wenig optimistisch. „In der Vergangenheit konnten sich diejenigen, die diese Position vertreten haben, leider nicht durchsetzen. Ich finde es aber wichtig,
dass Abgeordnete aus verschiedenen Parteien das Thema an die Öffentlichkeit holen.“
Auch Ute Vogt, Stuttgarter Bundestagsabgeordnete und innenpolitische Sprecherin der SPD, lobt die Initiative von Kauder und Matteis. Wie ihre Parteifreundin sieht sie aufnahmebereite Kommunen und Änderungen beim Aufenthaltsrecht als Schlüssel für eine Verbesserung der Situation von Flüchtlingen. „Ich fände es richtig und notwendig, das Aufnahmeangebot vieler Städte und Gemeinden in Deutschland anzunehmen“, sagt Vogt. Im Rahmen des Bündnisses „Sichere Häfen“haben rund 200 Kommunen in Deutschland angeboten, Menschen aufzunehmen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte ihnen Alleingänge jedoch verboten. Vogt räumt zwar ein, dass die Zuständigkeit für Einreisen in Bundeshand bleiben müsse. Dennoch bereite die SPD-Fraktion die Initiative vor, „die den Ermessensspielraum des Innenministers einschränkt, damit aufnahmewillige
Städte und Gemeinden eine Chance haben, Menschen Zuflucht zu geben und sich um sie zu kümmern“, sagt Vogt. „Es wäre wichtig, dass auch die CDU/CSU-Fraktion diese Lösung unterstützt.“
So weit will Volker Kauder nicht gehen. Für die Aufnahme von mehr Menschen hatte er sich jedoch auch die Unterstützung der Kirchen erhofft. Zumindest in der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat er einen Mitstreiter. Deren Flüchtlingsbeauftragter Ludwig Rudloff, betont: „Es gibt genügend Platz für Geflüchtete und die Bereitschaft zum Helfen, die erbärmliche Not zu lindern.“Die Diözese werde sich weiter engagieren, Flüchtlingen Würde zu geben und ihnen zu helfen, wo es möglich sei. Auch Generalvikar Clemens Stroppel sagte die Unterstützung der katholischen Kirche zu. Sie fordere mit Nachdruck, dass vor allem Kinder, Familien und besonders vulnerable Flüchtende rasch auf das europäische Festland gebracht und in EUStaaten aufgenommen werden.