Laschet fordert Rücktritte in Maskenaffäre
Machtprobe in der Union – Löbel und Nüßlein behalten vorerst ihre Mandate
BERLIN (dpa) - Die Affäre um Profite von Bundestagsabgeordneten bei der Beschaffung von Corona-Masken bringt die Union massiv in Bedrängnis. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein (Neu-Ulm) und der CDU-Parlamentarier Nikolas Löbel (Mannheim) kündigten am Sonntag zwar an, als Konsequenz aus den Vorwürfen im September nicht mehr für den Bundestag zu kandieren. Beide wollen ihr Mandat aber vorerst behalten – gegen den Willen von Partei- und Fraktionsführung. Sie erklärten lediglich ihren Austritt aus der Unionsfraktion.
Damit steuert die Union auf eine offene Machtprobe zu. Denn CDUChef Armin Laschet und der Vorsitzende der Unionsfraktion, Ralf Brinkhaus, verlangen den sofortigen Rückzug. „Wer als Volksvertreter versucht, in dieser Krise für sich persönlich Geld zu verdienen, muss das Parlament unverzüglich verlassen“, sagte Laschet.
Auch Brinkhaus forderte die beiden Abgeordneten auf, ihr Mandat sofort aufzugeben. Zugleich räumte er in der ARD am Sonntagabend aber ein, dass der Fraktion in dieser Frage die Hände gebunden seien. „Wir haben eine Handhabe, wer Mitglied in der Fraktion ist, wir haben keine Handhabe, wer Mitglied im Deutschen Bundestag ist“, sagte er. „Das ist jetzt für beide Kollegen eine moralische Frage, wie sie damit umgehen. Es wäre besser für den Parlamentarismus, wenn sie ihr Bundestagsmandat aufgeben.“
Derweil rutschte die Union eine Woche vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und RheinlandPfalz erstmals seit Ende März vergangenen Jahres im „Sonntagstrend“der „Bild am Sonntag“um weitere zwei Prozentpunkte auf 32 Prozent und damit unter ihr Bundestagswahlergebnis 2017 von 32,9 Prozent.
Die beiden Abgeordneten sollen Provisionen in sechsstelliger Höhe für die Vermittlung von Geschäften mit Corona-Schutzmasken kassiert haben. Gegen Nüßlein wird von der Münchner Generalstaatsanwaltschaft unter anderem wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern ermittelt. Der CSU-Politiker hatte am Freitag mitteilen lassen, er lege sein Amt als Fraktionsvize der Union nieder und werde nicht mehr für den Bundestag kandidieren.
MANNHEIM/STUTTGART (dpa) Die Affäre um fragwürdige Geschäfte mit Corona-Masken kostet den Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel die politische Karriere und bringt die Union im Südwesten eine Woche vor der Landtagswahl in Bedrängnis. Nach geballtem Druck aus der Union kündigte der 34-jährige frühere JU-Landeschef Löbel am Sonntag an, sein Bundestagsmandat Ende August niederzulegen und nicht für den nächsten Bundestag zu kandidieren.
Zahlreiche CDU-Politiker in Bund und Land sowie sein Kreisverband in Mannheim forderten Löbel daraufhin mit teils drastischen Worten auf, sich unverzüglich aus dem Bundestag zurückzuziehen. „Politische Verantwortung übernimmt man in so einem Fall sofort und umfassend“, sagte etwa CDU-Landeschef Thomas Strobl.
Löbel hatte eine Beteiligung an Geschäften mit Corona-Schutzmasken bestätigt und Fehler eingeräumt. Seine Firma hat demnach Provisionen von rund 250 000 Euro kassiert, weil sie Kaufverträge über Masken zwischen einem Lieferanten – nach Informationen des „Spiegels“aus dem Landkreis Tuttlingen – und zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelt hatte. Der 34-Jährige gestand ein, er habe die Ansprüche an seine Ämter verletzt. „Dafür möchte ich mich bei allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes entschuldigen.“CDU-Landeschef Strobl reicht das nicht: „So, wie jetzt geplant, entspricht das nicht meinem Verständnis von Verantwortung.“Und: „Richtig wäre ein konsequenter, sofortiger Rückzug aus allen Ämtern. Da gibt es kein Vertun.“Der Sachverhalt müsse „absolut lückenlos aufgeklärt“werden. „Abgeordnete als Krisengewinner für die eigene Tasche – das geht gar nicht.“Der Chef der Südwest-Landesgruppe im Bundestag, Andreas Jung, erklärte, ein „harter Schnitt“sei unumgänglich.
„Theoretisch könnte man sich freuen, wenn sich der politische Gegner vor einer Wahl zerlegt. Aber was da grad bei CDU/CSU passiert, ist einfach nur furchtbar. Für alle“, twitterte die Grünen-Landeschefin Sandra Detzer. Uli Sckerl, parlamentarischer Geschäftsführer der GrünenLandtagsfraktion, verwies auf das geplante Transparenzregister im Land: „In der nächsten Wahlperiode wird ein Lobbyregister verdeckte Einflussnahmen und Verflechtungen sichtbar machen.“Das stärke das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie.
SPD-Generalsekretär Sascha Binder nannte Löbels Rückzug „halbherzig“. Er forderte Strobl und CDUSpitzenkandidatin Susanne Eisenmann auf, offenzulegen, „ob es im Zusammenhang mit den in den letzten Tagen bekannt gewordenen Skandalen Spenden an die Landes-CDU gegeben hat“. Auch Eisenmann hatte über Löbel gesagt: „Wenn das Mandat dafür eingesetzt wurde, diesen Verkauf, diese Vermittlung zu bewerkstelligen, dann ist auch der Rücktritt umgehend erforderlich.“
Vor Löbel hatte in der Masken-Affäre der bisherige Unions-Fraktionsvize Georg Nüßlein im Fokus gestanden. Gegen den CSU-Politiker wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Ankauf von Masken ermittelt. Nüßlein erklärte seinen Austritt aus der Unionsfraktion. Auch er will sein Bundestagsmandat aber bis zum Ende der Wahlperiode behalten, wie er am Sonntagabend in einer persönlichen Erklärung mitteilte.
Für die Südwest-CDU kommt die Affäre eine Woche vor der Landtagswahl zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In Umfragen war die Union in der vergangenen Woche auch ohne die Causa Löbel deutlich zurückgefallen. Nach dem ZDF-„Politbarometer“vergrößerten die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann ihren Vorsprung auf die CDU auf elf Punkte. Käme die Südwest-CDU wirklich nur auf 24 Prozent, wäre das ihr historisch schlechtestes Ergebnis in der Geschichte des Landes. In einer ARDUmfrage lag die CDU acht Punkte hinter den Grünen.