Gränzbote

Nähen und Malen boomen

Im Lockdown haben viele Menschen ihre Lust an der Handarbeit entdeckt

- Von Katharina Höcker

Darum sind kreative Hobbys aktuell besonders beliebt.

TUTTLINGEN - Mützen, Halstücher, Hosen für die Tochter – Ute Zarak beschäftig­t sich in letzter Zeit häufig mit ihrem neuen Hobby, dem Nähen. Für sich entdeckt hat sie die Arbeit mit Stoff und Nähmaschin­e im ersten Lockdown im Frühjahr. Seitdem hat sie etwa 30 verschiede­ne Teile genäht. Damit ist sie nicht allein: Viele Menschen haben während des Lockdowns ein neues Hobby begonnen.

Kreativ war Ute Zarak schon immer, in ihrer Freizeit bemalt sie unter anderem Keramik. „Im ersten Lockdown habe ich dann gedacht, ich mag mal was anderes machen“, erzählt sie. Spontan kauft sie eine gebrauchte Nähmaschin­e im Internet und legt los. Schnell sind die ersten Kleidungss­tücke fertig, viele davon für Zaraks Tochter, die im Oktober geboren wurde. „Alle Läden haben zu und die Kleine wächst so schnell. Da ist es super, dass ich die Kleidung selbst nähen kann“, so die junge Mutter.

Über 250 Stunden hat sie schon in ihre großen und kleinen Nähprojekt­e gesteckt. Die alte Nähmaschin­e wurde gegen ein neueres Modell ausgetausc­ht und eine kleine Ecke im Wohnzimmer hat sich Ute Zarak ebenfalls für ihr Hobby eingericht­et. Ihr anspruchsv­ollstes Projekt bisher: eine Krabbeldec­ke in Form einer Sonne, bestehend aus mehreren Schichten Stoff. „Das mache ich so schnell nicht nochmal“, sagt Zarak und lacht. Die Ideen werden ihr aber so schnell nicht ausgehen, mittlerwei­le haben schon Freundinne­n gefragt, ob Zarak ihnen nicht auch etwas nähen könne. Alle zwei, drei Wochen stöbert sie daher online bei Sabrina Münch im „Stoffeffek­t“nach neuem Material.

Etwa ein Viertel ihrer derzeitige­n Kundinnen hätten während Corona mit dem Nähen begonnen, schätzt Sabrina Münch. „Viele sind auch durchs Maskennähe­n wieder dazu gekommen“, erzählt die Inhaberin des Tuttlinger Geschäfts „Stoffeffek­t“. Im Lockdown beliefert sie ihre Kundinnen mit Stoffen und anderen Nähutensil­ien. Doch der Einstieg fällt manchen schwer: „Hilfe, ich brauche wieder Nähkurse – das habe ich jetzt schon öfter gehört“, erzählt Münch. Einsteiger­n empfiehlt sie daher, mit einfachen Projekten wie zum Beispiel kleinen Kosmetiktä­schchen oder Wimpelkett­en zu beginnen.

Grundsätzl­ich glaubt Münch, dass der derzeitige Boom von Handarbeit­en

Corona überdauern wird. „Grundsätzl­ich ist Nähen eine tolle Beschäftig­ung“, sagt sie. Trotzdem gäbe es eine gewisse Fluktuatio­n. Im Sommer würden sich viele anderen Hobbys wie Gartenarbe­it zuwenden, erst an kalten und regnerisch­en Tagen werde wieder mehr genäht.

Einen ähnlichen Trend beobachtet auch Carina Schäfer. Sie leitet den Fachbereic­h Kunst und Kultur an der Volkshochs­chule Tuttlingen. Kurse zum Thema Handarbeit­en,

Nähen oder Malen sind aktuell sehr beliebt. Die Volkshochs­chule hat im vergangene­n Jahr zwar kurze Präsenzpha­sen

erlebt, musste aber immer wieder wechselnde Auflagen umsetzen, die Veranstalt­ungen vor Ort schwierig gemacht haben. Seit Mai 2020 gibt es daher auch OnlineKurs­e.

„Auch viele Ältere haben sich auf das Online-Experiment eingelasse­n“, freut sich Schäfer. Vor allem die Nachfrage nach „freien künstleris­chen Arbeiten“wie Aquarell und Keramik sei gestiegen. Natürlich seien nicht uneingesch­ränkt alle Kurse auch online durchführb­ar. „Aber alle sind da sehr kreativ geworden - im doppelten Sinne“, erzählt Schäfer. Um etwa die Technik in Malkursen möglichst gut erklären zu können, haben die Dozenten mit Dokumenten­kameras gearbeitet. So hatten die Kursteilne­hmer die Möglichkei­t, dem Dozenten bei einzelnen Arbeitssch­ritten digital über die Schulter zu schauen. Und statt einer Abschluss-Ausstellun­g werden Fotos der Werke auf einer extra eingericht­eten Homepage präsentier­t.

Vollständi­g auf digitale Kurse zu setzen war jedoch nicht möglich. Die Nachfrage nach klassische­n Präsenzkur­sen wie etwa Goldschmie­den ist ungebroche­n. „Es gab aber mehrfach den Wunsch, die Online-Kurse beizubehal­ten“, so Schäfer. Der kam unter anderem von wenig mobilen Teilnehmer­n oder aber Menschen, die weit weg von Tuttlingen wohnen. „Wir hatten auch schon Teilnehmer aus Paris. Die haben sich online informiert und sind so zu uns gekommen“, sagt Schäfer und ergänzt: „Online-Kurse eröffnen jedenfalls viele neue Möglichkei­ten.“

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FOTO: PRIVAT
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FOTOS: PRIVAT COLLAGE: KATHARINA HÖCKER Ute Zarak hat im Lockdown das Nähen für sich entdeckt. Eines ihrer Projekte: Eine Krabbeldec­ke für ihre Tochter.
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FOTO: VHS Carina Schäfer

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