Gränzbote

Gut geschützt und weich gepolstert

Warum Abgeordnet­e sich wehren, ihr Mandat niederzule­gen

- Von Dominik Guggemoos

BERLIN - Am Ende wurde der Druck dann doch zu groß. Nachdem am Wochenende jeder mit Rang und Namen in der Union – über die beiden Parteivors­itzenden und den Generalsek­retär bis hin zum Fraktionsc­hef – den sofortigen Rückzug aus dem Bundestag forderte, gab der Mannheimer CDU-Abgeordnet­e Nikolas Löbel nach und sein Mandat „mit sofortiger Wirkung“auf.

Löbel musste am Freitag einräumen, Provisione­n von rund 250 000 Euro für Kaufverträ­ge über Masken kassiert zu haben. Sein CSU-Kollege Georg Nüßlein, an den die Forderunge­n genauso gerichtet waren, trat zwar aus der Partei aus, will aber bis September sein Mandat behalten.

So sehr CDU und CSU das gerne ändern würden, so wenig Werkzeug, einen solchen Mandatsver­zicht zu erzwingen, haben sie in der Hand. Denn die Fälle Löbel und Nüßlein fallen ausgerechn­et in ein Superwahlj­ahr, die aktuelle Berichters­tattung ist alles andere als hilfreich für die beiden bevorstehe­nden Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz.

Doch die Parteien sind relativ machtlos, was die Mitgliedsc­haft der Parlamenta­rier im Bundestag angeht. Der Grund dafür ist das freie Mandat, das einen hohen verfassung­srechtlich­en Schutz genießt. Entspreche­nd hoch sind auch die Hürden, um Abgeordnet­e gegen ihren Willen aus dem Parlament zu werfen. Selbst wenn die überwältig­ende Mehrheit des Hohen Hauses noch so sehr davon überzeugt sein sollte, dass dieser Ausschluss angemessen wäre.

„Kurzfristi­g“, erklärt der Verfassung­srechtler Sebastian Nellesen von der Kanzlei Dolde Mayen & Partner, „kann kein Mandatsver­lust erzwungen werden.“Es gibt sowohl im Bundeswahl­gesetz als auch im Strafgeset­zbuch Paragrafen, die sich dem Thema widmen. Gemeinsam haben sie eines: Ein Rauswurf wird erst möglich, wenn ein Gericht einen Abgeordnet­en wegen einer Straftat verurteilt hat und dieses Urteil dazu führt, dass die Person ihr passives Wahlrecht verliert.

Gerichtsve­rhandlunge­n sind jedoch nicht auf rasche Konsequenz­en ausgelegt, die sich so mancher in der

Union jetzt wünscht. Gleichzeit­ig haben Abgeordnet­e ein finanziell­es Interesse daran, ihr Mandat möglichst lange zu behalten. Ein volles Jahr als Mitglied im Bundestag bringt 252 Euro mehr Pensionsan­spruch im Monat. Der CSU-Politiker Nüßlein ist 51 Jahre alt. Niemand kann ihn hindern, die restlichen Monate bis zur Bundestags­wahl Parlamenta­rier zu bleiben und am Ende, sobald er 67 ist, für 19 Jahre Abgeordnet­entätigkei­t 4788 Euro Pension zu erhalten.

Verfassung­srechtler Nellesen findet die gesetzlich­e Regelung grundsätzl­ich richtig: „Wir wollen ja freie und starke Abgeordnet­e.“Da er aus der CDU/CSU-Fraktion ausgetrete­n ist, gesellt sich Nüßlein zukünftig zu sieben weiteren Abgeordnet­en, die keiner Fraktion angehören.

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Als wäre es nicht schon schwer genug

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