Gut geschützt und weich gepolstert
Warum Abgeordnete sich wehren, ihr Mandat niederzulegen
BERLIN - Am Ende wurde der Druck dann doch zu groß. Nachdem am Wochenende jeder mit Rang und Namen in der Union – über die beiden Parteivorsitzenden und den Generalsekretär bis hin zum Fraktionschef – den sofortigen Rückzug aus dem Bundestag forderte, gab der Mannheimer CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel nach und sein Mandat „mit sofortiger Wirkung“auf.
Löbel musste am Freitag einräumen, Provisionen von rund 250 000 Euro für Kaufverträge über Masken kassiert zu haben. Sein CSU-Kollege Georg Nüßlein, an den die Forderungen genauso gerichtet waren, trat zwar aus der Partei aus, will aber bis September sein Mandat behalten.
So sehr CDU und CSU das gerne ändern würden, so wenig Werkzeug, einen solchen Mandatsverzicht zu erzwingen, haben sie in der Hand. Denn die Fälle Löbel und Nüßlein fallen ausgerechnet in ein Superwahljahr, die aktuelle Berichterstattung ist alles andere als hilfreich für die beiden bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.
Doch die Parteien sind relativ machtlos, was die Mitgliedschaft der Parlamentarier im Bundestag angeht. Der Grund dafür ist das freie Mandat, das einen hohen verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Entsprechend hoch sind auch die Hürden, um Abgeordnete gegen ihren Willen aus dem Parlament zu werfen. Selbst wenn die überwältigende Mehrheit des Hohen Hauses noch so sehr davon überzeugt sein sollte, dass dieser Ausschluss angemessen wäre.
„Kurzfristig“, erklärt der Verfassungsrechtler Sebastian Nellesen von der Kanzlei Dolde Mayen & Partner, „kann kein Mandatsverlust erzwungen werden.“Es gibt sowohl im Bundeswahlgesetz als auch im Strafgesetzbuch Paragrafen, die sich dem Thema widmen. Gemeinsam haben sie eines: Ein Rauswurf wird erst möglich, wenn ein Gericht einen Abgeordneten wegen einer Straftat verurteilt hat und dieses Urteil dazu führt, dass die Person ihr passives Wahlrecht verliert.
Gerichtsverhandlungen sind jedoch nicht auf rasche Konsequenzen ausgelegt, die sich so mancher in der
Union jetzt wünscht. Gleichzeitig haben Abgeordnete ein finanzielles Interesse daran, ihr Mandat möglichst lange zu behalten. Ein volles Jahr als Mitglied im Bundestag bringt 252 Euro mehr Pensionsanspruch im Monat. Der CSU-Politiker Nüßlein ist 51 Jahre alt. Niemand kann ihn hindern, die restlichen Monate bis zur Bundestagswahl Parlamentarier zu bleiben und am Ende, sobald er 67 ist, für 19 Jahre Abgeordnetentätigkeit 4788 Euro Pension zu erhalten.
Verfassungsrechtler Nellesen findet die gesetzliche Regelung grundsätzlich richtig: „Wir wollen ja freie und starke Abgeordnete.“Da er aus der CDU/CSU-Fraktion ausgetreten ist, gesellt sich Nüßlein zukünftig zu sieben weiteren Abgeordneten, die keiner Fraktion angehören.