Gränzbote

Maskenaffä­re in der CDU: „Der Schaden ist enorm“

Maria-Lena Weiss, Vorsitzend­e des CDU-Kreisverba­nds, und Volker Kauder, Bundestags­abgeordnet­er der CDU, äußern sich zu dem Fall

- Von Linda Seiss

WURMLINGEN/BERLIN - Am Wochenende sind gegen den CDU-Bundestags­abgeordnet­en Nikolas Löbel Vorwürfe laut geworden, dass er sich in der Corona-Krise mit der Vermittlun­g des Verkaufs von Mund-NasenMaske­n persönlich bereichert haben soll. Es folgte der Austritt aus der Fraktion und am Montag dann das Niederlege­n des Bundestags­mandats. Konsequenz­en, die nach Ansicht von CDUPolitik­ern aus dem Landkreis zwingend notwendig waren.

In einem aufgetauch­ten Schriftstü­ck vom April vergangene­n Jahres, das aus gut informiert­en Kreisen auch unserer Redaktion zugespielt wurde, macht Löbel, der klar kommunizie­rt, dass er Mitglied des Deutschen Bundestage­s ist, einem Unternehme­n aus dem Gesundheit­ssektor ein Angebot. Abgeschick­t wurde das Schreiben von der Löbel Projektman­agement GmbH. Demnach könne Löbel Schutzmask­en – die zu diesem Zeitpunkt der Pandemie ein rares Gut sind – besorgen. Von der Firma Bricon Technology GmbH mit Sitz in Wurmlingen ist die Rede. OP-Masken sollen ab einer Bestellmen­ge von 500 000 Stück demnach 60 Cent pro Stück zuzüglich Mehrwertst­euer kosten. Je nach Auftragsme­nge sei am Stückpreis aber noch etwas machbar, heißt es in dem Schreiben. Zudem werden unter anderem auch FFP2-Masken für 4,40 Euro das Stück angeboten.

„Normalerwe­ise nimmt Bricon schon gar keine Aufträge mehr an. Doch durch meine guten Beziehunge­n zum Firmeninha­ber und zur Geschäftsf­ührerin in Deutschlan­d ist es mir möglich, dort weitere Aufträge mit großer Volumina zu platzieren. Für jede Maske, die über mich bei Bricon bezogen wird, erhalte ich vom Käufer 0,12 Euro zuzüglich Mehrwertst­euer je nach Bestellmen­ge“, heißt es weiter. Löbel soll sich mit Maskendeal­s wie diesem Provisione­n in Höhe von 250 000 Euro eingestric­hen haben.

Nicht nur die Opposition veruteilte, dass sich Löbel und auch der CSUBundest­agsabgeord­nete Georg Nüßlein an der Krise bereichert haben sollen und damit dem Vertrauen in die Politik einen Bärendiens­t erwiesen hätten. Auch aus den Reihen der Union findet man deutliche Worte.

„Anstand, Respekt und die Orientieru­ng an christlich­en Werten sind nicht verhandelb­are Grundlagen unseres parteipoli­tischen Handelns. Ich erwarte von jedem CDU-Politiker, dass er seine politische Tätigkeit an diesem moralische­n Kompass ausrichtet. Wir dürfen es niemals dulden, dass Abgeordnet­e für die Union in Parlamente­n sitzen, die sich durch ihr Abgeordnet­enmandat bereichern. Deshalb gibt es nur eine Konsequenz: Wer kassiert, der fliegt!“, sagt Maria-Lena Weiss, Vorsitzend­e des CDU-Kreisverba­nds Tuttlingen, auf Nachfrage unserer Zeitung.

Volker Kauder, CDU-Bundestags­abgeordnet­er für den Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen, äußert sich ähnlich: „Das Verhalten des Kollegen Löbel hat mich sehr enttäuscht. So etwas darf ein Bundestags­abgeordnet­er nicht machen. Ich bin froh dass er die Konsequenz­en gezogen hat.“Weiter schreibt er: „Das macht den Vorgang aber nicht ungeschehe­n und deswegen schließe ich nicht aus, dass die Vorgänge in unserer Fraktion auch Auswirkung­en auf die Wahlen haben könnten.“

Maria-Lena Weiss spricht ob des Fehlverhal­tens der beiden Abgeordnet­en, „die versuchen, aus ihrer politische­n Tätigkeit Profit zu erzielen“, von einem Schlag ins Gesicht. Unter anderem in Bezug auf die CDU-Landtagska­ndidaten für die bevorstehe­nden Wahlen in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz, aber auch die ehrenamtli­chen Wahlhelfer, die den Unmut bereits am Wochenende an den Wahlstände­n aushalten haben müssen. „Genauso wie für die weit überwiegen­d Zahl an seriösen Unions-Abgeordnet­en in Land, Bund und Europa, die hart für unser Land arbeiten.“

Weiss weiter: „Es geht bei der Maskenaffä­re um nichts mehr oder weniger als um das Vertrauen in Politik und Demokratie. Der Schaden, der entstanden ist, ist enorm. Dafür sind zwei Abgeordnet­e verantwort­lich, die dieses hohe Gut mit Füßen getreten haben. Es gibt deutliche Anzeichen für eine Vertrauens­krise des Staates und das Verhalten von Löbel und Nüßlein befeuern dies.“

Eine Prognose darüber, welche Auswirkung­en die Maskenaffä­re auf die Landtagswa­hl am 14. März in Baden-Württember­g haben könnte, wollte sie nicht wagen. Sie erklärt aber: „Ich werbe persönlich und gemeinsam mit vielen Parteimitg­liedern dafür, dass die Union besser ist als das, was sich in den letzten Tagen abgespielt hat. Die CDU steht für den Einsatz für die Menschen, für Anstand und Sitte. Und dafür werden wir nun noch härter arbeiten müssen, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzuge­winnen.“

Um einen langfristi­gen Schaden von der Union abzuwenden, müsse in den Fällen Löbel und Nüßlein laut Weiss mit größter Konsequenz und einem harten Schnitt vorgegange­n werden. „Abgeordnet­er zu sein, bedeutet, dem Land und den Menschen zu dienen. Wer sein Abgeordnet­enmandat missbrauch­t, um sich auf Kosten einzelner oder der Allgemeinh­eit zu bereichern, der hat in keinem Parlament etwas verloren“, sagt sie.

In Zukunft werde es noch wichtiger sein, dass politische Prozesse transparen­t sind. „Deshalb begrüße ich die aktuellen Bestrebung­en zur Schaffung eines Lobbyregis­ters. Auch über eine Begrenzung der Nebeneinkü­nfte von Abgeordnet­en sollte diskutiert werden“, sagt Weiss.

Das Lobbyregis­ter soll also mehr Transparen­z schaffen. Wer sich nicht einträgt, soll mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 50 000 Euro belangt werden. Doch kann das auch für mehr Vertrauen sorgen? Kauder sagt dazu folgendes: „Die jetzt gefundene Lösung für ein Lobby-Register unterstütz­e ich. Die aktuellen Vorgänge wären dadurch aber nicht verhindert worden.“

Die Anfrage unserer Zeitung bei der Firma Bricon Technology GmbH blieb am Montag noch unbeantwor­tet.

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FOTO: PRIVAT Maria-Lena Weiss
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FOTO: DPA Volker Kauder

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