Investoren wollen Großprojekt weiter vorantreiben
Eigentumsfragen sind jedoch ungeklärt bei geplantem Seniorenwohn- und -pflegeheim – Kritik an Wohnbau
TROSSINGEN - Die Investoren wollen das Projekt eines Seniorenwohnund -pflegeheims an der Händelstraße weiter vorantreiben. Das sagte Projektentwickler Frank Ruhstorfer am Montag auf Anfrage. Gegen das Vorhaben hatte sich eine Bürgerinitiative gegründet (wir berichteten), und es war zu Verzögerungen gekommen. Für diese macht Ruhstorfer unter anderem die Wohnbau Trossingen verantwortlich. Das sieht die Stadt anders.
„Es gab extreme Irritationen im Vorfeld“, sagte Ruhstorfer am Montag. Die Wohnbau Trossingen habe den Auftrag gehabt, Anteile der Kölner Pensionskasse auf dem Areal des ehemaligen Dr. Karl-Hohner-Heims zu übernehmen. Doch unter anderem sei ein Termin in Köln geplatzt. Seit Ende Oktober habe er versucht, die restlichen Eigentümer zu kontaktieren. Das habe wegen Erfordernissen des Datenschutzes bis vor einer Woche gedauert. „Zu einem Eigentümer habe ich immer noch keinen Kontakt.“Noch Anfang Dezember sei eine Wohnung im Dachgeschoss verkauft worden. „Damit haben wir derzeit zu kämpfen“. Das Problem für den Projektentwickler: So lange die Eigentumsfragen nicht geklärt sind, kann die Detailplanung nicht starten. Doch das soll sie weiterhin: „Zwischenzeitlich sind wir soweit, das Projekt definitiv voranzutreiben.“
Ende November hatten Ruhstorfer, Projektmanager aus Trossingen, und Investor Jörg Härlen, Inhaber eines größeren ambulanten Pflegedienstes für Beatmungspflege, das Vorhaben im Trossinger Gemeinderat vorgestellt: Danach sollen auf dem Gelände des ehemaligen Dr.-KarlHohner-Heims vier Gebäude entstehen mit Arbeitsplätzen für bis zu 140 Menschen. Geplant sind unter anderem ein Therapiezentrum, ein ambulanter Pflegedienst, Praxen, eine Gastronomie, Appartements sowie betreutes Wohnen. Die Gesamtinvestition liegt laut Ruhstorfer und Härlen im achtstelligen Bereich, die Gesamtbaufläche bei 12 000 Quadratmetern.
Florian Widmann, seit Februar Geschäftsführer der Wohnbau Trossingen, wies am Montag darauf hin, dass es sich um ein Wohnungseigentumsobjekt handele. „Bei diesen ist es so, dass der Verwalter bei den Eigentümern nachhaken muss, ob er die Adressen weitergeben darf.“Die Hausverwaltung obliege der Ardelian Immobilienverwaltung. Offenbar sorgten also auch diese datenschutzrechtlichen Gründe für die Verzögerung.
„Die Wohnbau hätte die Adressen aus rechtlichen Gründen gar nicht weitergeben können“, betonte Trossingens
Bürgermeisterin Susanne Irion am Montag. Auch sei sie zwar Eigentümer einiger Flächen, „aber nicht von allen“. Ruhstorfer „hätte an Ardelian herantreten müssen – er hat aus meiner Sicht gewusst, dass nicht alle Wohneinheiten in städtischer Verfügungsgewalt sind“. Er habe „von Anfang an gewusst, dass Teile der Wohnungen in privater Hand sind“, so Irion. Und dass er sich mit diesen Eigentümern einig werden müsse, um das Vorhaben umsetzen zu können. „Die Bringschuld liegt bei Ruhstorfer.“Ein notarielles Verkaufsangebot seitens der Stadt liege vor. „Nun warten wir, dass der Investor unterschreibt.“In der Ratssitzung Ende November hatte es geheißen, dass zusammen mit dem Investor ein Bebauungsplan erarbeitet werden soll. Der Gemeinderat, der das Projekt begrüßte, bleibe Herr des Verfahrens.
Zwischenzeitlich hatte sich die Bürgerinitiative „Zukunft der Siedlung“
gegen das Großprojekt gegründet. Minister Guido Wolf besuchte am Freitagabend im Rahmen seiner Wahlkampftour die Gartenfreunde Trossingen, besser bekannt als die „Siedler“, an deren Vereinsheim am Mühlenweg; diese stellen einen nicht unbeträchtlichen Anteil der Bürgerinitiative. Vereinsvorsitzender Matthias Henn betonte am Freitagabend, dass bei dem Projekt „noch alles in der Schwebe“sei. Solange die Gespräche mit den Eigentümern „nicht unter Dach und Fach sind, sind wir von einem Bebauungsplan noch weit entfernt“. Die Siedler fürchteten, „dass alles mitbetroffen ist – die Anlage ist gigantisch“.
„Sie wollen darauf achten, dass das Quartier seinen Charakter behält?“, fragte Wolf. Henn wies darauf hin, dass es bisher wenig Verkehr gebe, „hier können die Kinder noch auf der Straße spielen – da will so ein Großprojekt nicht recht reinpassen“. Die
Sorge vor stark zunehmendem Verkehr im Wohnviertel ist ein Hauptantrieb der Initiative, die ein kleineres Pflegeheim oder Mehrfamilienhäuser auf dem brachliegenden Areal favorisiert.
Der Verein bangt auch um sein traditionelles Siedlerfest im Sommer im Siedlergarten, nahe am diskutierten Areal, mit laut Henn bis zu 450 Besuchern. „Ohne das Fest und die Einnahmen würde es für den Verein schwierig“, sagte Henn. 230 Mitglieder habe dieser, „in den besten Zeiten waren es 600“. Wegen der Pandemie habe der Verein inzwischen entschieden, dass es auch dieses Jahr kein Siedlerfest gebe. Wegen der ungewissen Zukunft ob des Großprojekts habe der Verein „im Siedlergarten Geplantes wie eine Dacherneuerung der Hütte aufgeschoben“, sagte Henn. „Wenn wir hier eventuell alles abbauen und verschwinden müssen, fehlt die Motivation für einen Arbeitsdienst.“Mit Bürgermeisterin Irion habe die Initiative inzwischen gesprochen und den „Eindruck gewonnen, dass sie ein offenes Ohr für uns hat“.
„Ich stehe jeder Art von Bürgerinitiative offen gegenüber“, meinte Irion am Montag. Drei von vier Sorgen ließen sich ausräumen: „Der Siedlergarten wird nicht tangiert, den Spielplatz werden wir erhalten, und die Anwohner müssen keine Erschließungsbeiträge zahlen.“Drei Punkte ließen sich also regeln, so die Bürgermeisterin: „Bleibt das Thema Verkehr.“
Auch Ruhstorfer will nun mit der Bürgerinitiative in Kontakt treten und „erst mit ihr reden und nicht über die Zeitung kommunizieren“.