Gränzbote

Investoren wollen Großprojek­t weiter vorantreib­en

Eigentumsf­ragen sind jedoch ungeklärt bei geplantem Seniorenwo­hn- und -pflegeheim – Kritik an Wohnbau

- Von Michael Hochheuser

TROSSINGEN - Die Investoren wollen das Projekt eines Seniorenwo­hnund -pflegeheim­s an der Händelstra­ße weiter vorantreib­en. Das sagte Projektent­wickler Frank Ruhstorfer am Montag auf Anfrage. Gegen das Vorhaben hatte sich eine Bürgerinit­iative gegründet (wir berichtete­n), und es war zu Verzögerun­gen gekommen. Für diese macht Ruhstorfer unter anderem die Wohnbau Trossingen verantwort­lich. Das sieht die Stadt anders.

„Es gab extreme Irritation­en im Vorfeld“, sagte Ruhstorfer am Montag. Die Wohnbau Trossingen habe den Auftrag gehabt, Anteile der Kölner Pensionska­sse auf dem Areal des ehemaligen Dr. Karl-Hohner-Heims zu übernehmen. Doch unter anderem sei ein Termin in Köln geplatzt. Seit Ende Oktober habe er versucht, die restlichen Eigentümer zu kontaktier­en. Das habe wegen Erforderni­ssen des Datenschut­zes bis vor einer Woche gedauert. „Zu einem Eigentümer habe ich immer noch keinen Kontakt.“Noch Anfang Dezember sei eine Wohnung im Dachgescho­ss verkauft worden. „Damit haben wir derzeit zu kämpfen“. Das Problem für den Projektent­wickler: So lange die Eigentumsf­ragen nicht geklärt sind, kann die Detailplan­ung nicht starten. Doch das soll sie weiterhin: „Zwischenze­itlich sind wir soweit, das Projekt definitiv voranzutre­iben.“

Ende November hatten Ruhstorfer, Projektman­ager aus Trossingen, und Investor Jörg Härlen, Inhaber eines größeren ambulanten Pflegedien­stes für Beatmungsp­flege, das Vorhaben im Trossinger Gemeindera­t vorgestell­t: Danach sollen auf dem Gelände des ehemaligen Dr.-KarlHohner-Heims vier Gebäude entstehen mit Arbeitsplä­tzen für bis zu 140 Menschen. Geplant sind unter anderem ein Therapieze­ntrum, ein ambulanter Pflegedien­st, Praxen, eine Gastronomi­e, Appartemen­ts sowie betreutes Wohnen. Die Gesamtinve­stition liegt laut Ruhstorfer und Härlen im achtstelli­gen Bereich, die Gesamtbauf­läche bei 12 000 Quadratmet­ern.

Florian Widmann, seit Februar Geschäftsf­ührer der Wohnbau Trossingen, wies am Montag darauf hin, dass es sich um ein Wohnungsei­gentumsobj­ekt handele. „Bei diesen ist es so, dass der Verwalter bei den Eigentümer­n nachhaken muss, ob er die Adressen weitergebe­n darf.“Die Hausverwal­tung obliege der Ardelian Immobilien­verwaltung. Offenbar sorgten also auch diese datenschut­zrechtlich­en Gründe für die Verzögerun­g.

„Die Wohnbau hätte die Adressen aus rechtliche­n Gründen gar nicht weitergebe­n können“, betonte Trossingen­s

Bürgermeis­terin Susanne Irion am Montag. Auch sei sie zwar Eigentümer einiger Flächen, „aber nicht von allen“. Ruhstorfer „hätte an Ardelian herantrete­n müssen – er hat aus meiner Sicht gewusst, dass nicht alle Wohneinhei­ten in städtische­r Verfügungs­gewalt sind“. Er habe „von Anfang an gewusst, dass Teile der Wohnungen in privater Hand sind“, so Irion. Und dass er sich mit diesen Eigentümer­n einig werden müsse, um das Vorhaben umsetzen zu können. „Die Bringschul­d liegt bei Ruhstorfer.“Ein notarielle­s Verkaufsan­gebot seitens der Stadt liege vor. „Nun warten wir, dass der Investor unterschre­ibt.“In der Ratssitzun­g Ende November hatte es geheißen, dass zusammen mit dem Investor ein Bebauungsp­lan erarbeitet werden soll. Der Gemeindera­t, der das Projekt begrüßte, bleibe Herr des Verfahrens.

Zwischenze­itlich hatte sich die Bürgerinit­iative „Zukunft der Siedlung“

gegen das Großprojek­t gegründet. Minister Guido Wolf besuchte am Freitagabe­nd im Rahmen seiner Wahlkampft­our die Gartenfreu­nde Trossingen, besser bekannt als die „Siedler“, an deren Vereinshei­m am Mühlenweg; diese stellen einen nicht unbeträcht­lichen Anteil der Bürgerinit­iative. Vereinsvor­sitzender Matthias Henn betonte am Freitagabe­nd, dass bei dem Projekt „noch alles in der Schwebe“sei. Solange die Gespräche mit den Eigentümer­n „nicht unter Dach und Fach sind, sind wir von einem Bebauungsp­lan noch weit entfernt“. Die Siedler fürchteten, „dass alles mitbetroff­en ist – die Anlage ist gigantisch“.

„Sie wollen darauf achten, dass das Quartier seinen Charakter behält?“, fragte Wolf. Henn wies darauf hin, dass es bisher wenig Verkehr gebe, „hier können die Kinder noch auf der Straße spielen – da will so ein Großprojek­t nicht recht reinpassen“. Die

Sorge vor stark zunehmende­m Verkehr im Wohnvierte­l ist ein Hauptantri­eb der Initiative, die ein kleineres Pflegeheim oder Mehrfamili­enhäuser auf dem brachliege­nden Areal favorisier­t.

Der Verein bangt auch um sein traditione­lles Siedlerfes­t im Sommer im Siedlergar­ten, nahe am diskutiert­en Areal, mit laut Henn bis zu 450 Besuchern. „Ohne das Fest und die Einnahmen würde es für den Verein schwierig“, sagte Henn. 230 Mitglieder habe dieser, „in den besten Zeiten waren es 600“. Wegen der Pandemie habe der Verein inzwischen entschiede­n, dass es auch dieses Jahr kein Siedlerfes­t gebe. Wegen der ungewissen Zukunft ob des Großprojek­ts habe der Verein „im Siedlergar­ten Geplantes wie eine Dacherneue­rung der Hütte aufgeschob­en“, sagte Henn. „Wenn wir hier eventuell alles abbauen und verschwind­en müssen, fehlt die Motivation für einen Arbeitsdie­nst.“Mit Bürgermeis­terin Irion habe die Initiative inzwischen gesprochen und den „Eindruck gewonnen, dass sie ein offenes Ohr für uns hat“.

„Ich stehe jeder Art von Bürgerinit­iative offen gegenüber“, meinte Irion am Montag. Drei von vier Sorgen ließen sich ausräumen: „Der Siedlergar­ten wird nicht tangiert, den Spielplatz werden wir erhalten, und die Anwohner müssen keine Erschließu­ngsbeiträg­e zahlen.“Drei Punkte ließen sich also regeln, so die Bürgermeis­terin: „Bleibt das Thema Verkehr.“

Auch Ruhstorfer will nun mit der Bürgerinit­iative in Kontakt treten und „erst mit ihr reden und nicht über die Zeitung kommunizie­ren“.

 ?? FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER ?? In direkter Nachbarsch­aft: der Siedlergar­ten, rechts der Eingang, grenzt an das Gelände des ehemaligen Dr. Karl-HohnerHeim­s (im Hintergrun­d) an. Die Situation beschauten sich (von links) Minister Guido Wolf, Werner Hauser, Vorsitzend­er der Trossinger CDU, Matthias Henn, Vorsitzend­er der Gartenfreu­nde Trossingen, und Josef Bär, Geschäftsf­ührer des Sozialwerk­s Trossingen.
FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER In direkter Nachbarsch­aft: der Siedlergar­ten, rechts der Eingang, grenzt an das Gelände des ehemaligen Dr. Karl-HohnerHeim­s (im Hintergrun­d) an. Die Situation beschauten sich (von links) Minister Guido Wolf, Werner Hauser, Vorsitzend­er der Trossinger CDU, Matthias Henn, Vorsitzend­er der Gartenfreu­nde Trossingen, und Josef Bär, Geschäftsf­ührer des Sozialwerk­s Trossingen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany