Gränzbote

Problemfal­l Corona-Software

Südwesten hinkt bei Einsatz in Ämtern hinterher

- Von Ludger Möllers Red.), (eine bayerische Software, d.

RAVENSBURG (mö) - In BadenWürtt­emberg nutzen, anders als mit dem Bund vereinbart, nicht alle Gesundheit­sämter dieselbe Software, um Kontakte von Corona-Infizierte­n nachzuverf­olgen. Eigentlich hatten der Bund und die Länder die Einführung des Programms bis Ende Februar angestrebt. Doch nach Angaben des Stuttgarte­r Sozialmini­steriums setzen bisher nur elf der 38 Gesundheit­sämter die IT-Lösung ein. Wann die restlichen 27 Ämter im Südwesten

die Arbeit mit dem Programm aufnehmen, ist unklar. In Bayern dagegen läuft das Programm bereits in allen zuständige­n Behörden.

Die Software „Sormas“erleichter­t den Datenausta­usch zwischen Behörden in Bund, Ländern und Kreisen. Ohne diese ist es zum Teil nötig, Daten per Fax zu übermittel­n. Die Landkreise beklagen, anders als vom Bund zugesagt fehle oft die nötige technische Unterstütz­ung, um das Programm zu betreiben.

RAVENSBURG - Sie soll die Kontaktver­folgung von Corona-Infizierte­n erleichter­n und die Arbeit in den Behörden beschleuni­gen: die Software Sormas. Doch bei der Einführung dieser bundesweit einheitlic­hen Software hakt es gewaltig.

Bislang arbeiten die Gesundheit­sämter der Kreise mit jeweils unterschie­dlichen PC-Programmen zur Erfassung von Kontakten. Der Vorteil: Die Programme sind genau auf die Abläufe im jeweiligen Amt abgestimmt. Der Nachteil: der Austausch etwa mit dem bundesweit für die Corona-Datenerfas­sung zuständige­n Robert-Koch-Instituts funktionie­rt oft nicht, Daten müssen zweimal eingegeben oder gar per Fax übermittel­t werden. Auch die landkreisü­bergreifen­de Suche nach Kontaktper­sonen von Infizierte­n wird erschwert.

Eigentlich hatten der Bund und die Länder die Sormas-Einführung bis Ende Februar angestrebt. Doch nach Angaben des Stuttgarte­r Sozialmini­steriums nutzen bisher nur elf der 38 Gesundheit­sämter in BadenWürtt­emberg die IT-Lösung. Wann die restlichen 27 Ämter im Südwesten die Arbeit mit Sormas aufnehmen, konnte ein Sprecher des Ministeriu­ms am Freitag nicht sagen. In Bayern hingegen arbeiten alle 76 Ämter mit Sormas.

Doch gerade die Nachverfol­gung der Kontakte gilt als besonders effektiv zur Eindämmung der Pandemie. Denn: Wer Kontakt zu einem Infizierte­n hatte, muss in Quarantäne und kann keine weiteren Personen anstecken, die Welle wird gebrochen. Im November 2020 hatten sich die Kanzlerin und die Ministerpr­äsidenten darauf verständig­t, die Sormas-Software des mehrheitli­ch staatlich finanziert­en Helmholtz-Instituts (HZI) bis Ende des Jahres in 90 Prozent der Gesundheit­sämter einzusetze­n. Anordnen kann die Bundesregi­erung das jedoch nicht, denn die Verantwort­ung für die Ausstattun­g der Gesundheit­sämter liegt bei den Bundesländ­ern.

128 Tage nach der Entscheidu­ng räumte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Regierungs­erklärung ein, dass sich zwar die meisten Bundesländ­er dem SormasSyst­em zur Kontaktnac­hverfolgun­g angeschlos­sen hätten, fügte aber hinzu: „Viel zu spät.“

Recherchen von WDR, NDR und der „Süddeutsch­en Zeitung“hatten im November ergeben, dass diese integriert­e Software bereits im Frühjahr 2020 in einer vereinfach­ten Form einsatzber­eit gewesen wäre. Das in Deutschlan­d entwickelt­e Programm war 2017 erstmals in Ghana und Nigeria in der Ebola-Pandemie eingesetzt worden und war demnach einfach für den Einsatz gegen Covid-19 umstellbar.

Doch zunächst geschah nichts. Ein Sprecher des deutschen Landkreist­ages erklärte Anfang Februar, die Gesundheit­sämter nutzten eigene digitale Instrument­e zur Kontaktnac­hverfolgun­g. Sie bräuchten keine zusätzlich­e Software.

Man sei aber gezwungen gewesen, etwa mit dem Robert Koch-Institut (RKI) via Fax zu kommunizie­ren, da es „am digitalen Meldeweg“fehle. Ein Verbandssp­recher sagte, man wolle die Vielfalt der Programme vor Ort dennoch erhalten. Warum, sagte er nicht. Nur so viel: „Wir halten das Ziel einer flächendec­kenden Einführung deshalb weder für erstrebens­wert, noch derzeit erreichbar.“Es sei zudem schwierig, inmitten der Belastungs­situation einen Umstieg zu vollziehen.

Die Landesregi­erung BadenWürtt­emberg stimmte dem Ende der Anwendung von Sormas zu. In 15 Gesundheit­sämtern passierte jedoch zunächst nichts. Mitte Februar erhöhte der Chef des Stuttgarte­r Staatsmini­steriums, Florian Stegmann, den Druck auf den Südwest Landkreis tags präsident Joachim Walter. Er forderte Walter dazu auf, das Gespräch mit den säumigen 15 Landräten zu suchen. Stegmann erklärte, er sei sehr beunruhigt.

Ende Februar kam die Meldung vom Landkreist­ag: Alle Gesundheit­sämter im Südwesten hätten den Vertrag zur Installati­on der Software unterzeich­net. Walter fügte hinzu: „Jetzt müssen Bund und Land dafür sorgen, dass die Schnittste­llen von Sormas zu den Meldesyste­men und den übrigen digitalen Anwendunge­n der Gesundheit­sämter geschaffen werden, damit die landes einheitlic­he Sormas- Software auch effektiv genutzt und betrieben werden kann.“

Die genannten Schnittste­llen sind offenkundi­g ein zentrales Problem. Sie sichern den automatisc­hen Datenausta­usch mit den bisher verwendete­n lokalen, selbst programmie­rten und individuel­len Lösungen. Weil aber in Behörden und Instituten so viele unterschie­dliche Systeme im Einsatz sind, können keine Einheitslö­sungen für den Datenausta­usch programmie­rt werden. Laut Stuttgarte­r Sozialmini­sterium soll das HIZ dies tun, aber es gebe noch nicht für alle Ämter Lösungen.

Ende März lautet die Auskunft aus Stuttgart: „Sormas wird derzeit von elf Gesundheit­sämtern zur Kontaktper­sonennachv­erfolgung genutzt.“Der flächendec­kende Einsatz der Software bei den übrigen Ämtern hänge von Schnittste­llen ab.

Doch nicht nur die Schnittste­llen sind problemati­sch. Große Bedenken gegen den Einsatz der Software haben die Fachleute im Landratsam­t des Alb-Donau-Kreises, die aber an einem möglichst reibungslo­sen Übergang arbeiten. „Der Zeitpunkt für einen grundlegen­den SoftwareSy­stemwechse­l jetzt, zu Beginn einer potentiell­en dritten Welle, die zudem von der Ausbreitun­g von hochanstec­kenden Virusvaria­nten gekennzeic­hnet ist, ist nicht ohne Risiko“, so ein Sprecher. Es gebe Risiken in der Datenübert­ragung bis hin zu einem temporären Stillstand.

Dort, wo Sormas eingesetzt wird, funktionie­rt die Software. Beispielsw­eise im Landkreis Sigmaringe­n, wo die Inzidenzwe­rte besonders hoch sind. Ein Sprecher sagt: „Das Programm ermöglicht eine effiziente Arbeit, sowohl in der Index-Ermittlung als auch in der Kontaktper­sonen-Nachverfol­gung. Infektions­cluster können nachvollzo­gen werden.“Im Landratsam­t Lindau ist Sormas seit Anfang Februar 2021 in Betrieb. Das bisherige Fazit ist ebenfalls positiv: „Die Grundstruk­tur ist zwar zum Teil umständlic­her als BaySIM

dafür bietet Sormas mehr Möglichkei­ten. Grundsätzl­ich kann man mit Sormas gut arbeiten, wenn der Ablauf eingespiel­t ist.“„Positiv“, antwortet eine Sprecherin des Ostalbkrei­ses auf die Frage nach Sormas. „Durch den Einsatz der Software wird die Kontaktper­sonennachv­erfolgung erleichter­t. Auch können wir uns ein genaueres Bild der Lage machen “

Im Hintertref­fen ist Oberschwab­en. Die Kreisverwa­ltung Biberach steckt noch in der Erprobungs­phase: „Sobald die notwendige­n Schnittste­llen funktionie­ren ist der Umstieg geplant.“Die Schnittste­lle etwa zur Meldesoftw­are des RKI seien dringend erforderli­ch, „da ansonsten umständlic­he und personalin­tensive Mehrfachei­ngaben der Fälle und Kontaktper­sonen notwendig sind.“

Auch der Landkreis Ravensburg hat noch Probleme, obwohl der Zugang installier­t ist. Hier wartet man auf die zugesagte Schnittste­lle zur verwaltung­seigenen Software. Im Landkreis Tuttlingen laufen nach Angaben einer Sprecherin alle Vorbereitu­ngen für den Einsatz von Sormas. Ab dem 1. April werde man die Software nutzen.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Die neue Software Sormas soll die Corona-Kontaktper­sonenverfo­lgung für die Gesundheit­sämter vereinfach­en. Doch nicht überall gibt es die passende Schnittste­lle für die bestehende­n Systeme.

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