„Vorhersage zu Mutationen nicht möglich“
Warum die Impfstoffentwicklung den Corona-Varianten hinterherhinkt
RAVENSBURG - Mutationen des Coronavirus bereiten Experten und Politik derzeit Sorgen. Der Ulmer Virologe Thomas Mertens erklärt im Gespräch mit Daniel Hadrys, was Forscher in aller Welt bereits über die Mutanten wissen. Außerdem geht es um die Frage, wie Wissenschaftler die bisherigen Forschungsergebnisse dazu nutzen können, um Impfungen oder Tests anpassen zu können.
Studien aus New York und Kalifornien zeigen, dass das Coronavirus weltweit unabhängig voneinander ähnlich mutiert. Wie lässt sich diese Erkenntnis für die Impfungen nutzen?
Es ist ja so, dass die Viren ausschließlich während der Vermehrung in der Wirtszelle mutieren können. Nämlich, wenn neue RNA-Moleküle als Genome für die neu zu bildenden Virusnachkommen gebildet werden. Die Ursachen sind sozusagen „Kopierfehler“bei der Herstellung dieser neuen RNA-Moleküle. Nun besitzt Sars-CoV-2 ungefähr 30 000 Nukleotide, von denen theoretisch alle betroffen sein können. Das stimmt nicht ganz, weil erstens die Wahrscheinlichkeit einer Mutation nicht bei allen 30 000 Nukleotiden gleich groß ist. Zweitens sind alle Mutationen nicht möglich, die zu einem Virus führen, das sich nicht mehr vermehren kann. Mutationen haben Auswirkungen, wenn sie Bereiche des Virusgenoms betreffen, die die Herstellung bestimmter Virus-Eiweiße wie zum Beispiel das Spike-Protein steuern. Ein Virus, das eine Mutation besitzt, nennt man Mutante, und eine Mutante mit neuen biologischen Eigenschaften eine Virusvariante. Durch sogenannten Selektionsdruck können Virusvarianten selektiert „herausgezüchtet“werden, wenn die Varianten Vorteile gegenüber den bisherigen Viren haben – zum Beispiel eine schnellere Vermehrung, eine höhere Infektiosität, oder eine Resistenz gegenüber beim Wirt vorhandenen Antikörper. Bei gleichem Selektionsdruck werden auch überall ähnliche oder gleiche Mutanten/ Varianten selektiert, also „herausgezüchtet“. Das erklärt das oben zitierte Forschungsergebnis. Das kann man auch im Labor erreichen. Die Vorhersage, welche Mutationen eintreten und selektiert werden, ist leider nicht möglich. Daher sind Versuche, bei Grippeviren „vorausschauende“GrippeImpfstoffe herzustellen, bislang nicht erfolgreich gewesen.
Kann ein Virus sich auch irgendwann „ausmutiert“haben?
Theoretisch ja, siehe oben. In der Praxis können es aber doch recht viele sein, zumal auch einzelne Mutationen die räumliche Struktur eines Proteins verändern können.
Eine „bretonische Variante“des Virus beunruhigt indes derzeit viele Forscher. Was wissen wir bislang darüber?
Diese Virusvariante ist erst kürzlich beschrieben worden. Das Wissen über diese Variante ist daher noch sehr begrenzt. Aufgefallen ist, dass das Virus offenbar schneller in die tieferen Atemwege wechselt und dann in den oberen Atemwegen (Nase-Rachen) nicht mehr so leicht nachweisbar ist. Es soll aber nicht zu schwereren Erkrankungen führen als die „Standardviren Wuhan“. Die Frage, warum nicht alle Infektionen durch dieses Virus bei den Patienten mit der üblichen PCR erkannt werden konnten, ist noch nicht vollständig beantwortet. Diese Variante besitzt neun Mutationen, die im Virusgenom verteilt sind. Es könnte sein, dass einzelne Mutationen die Stellen im Virusgenom betreffen, die für den Nachweis mit der PCR wichtig sind. Falls dies relevant werden würde, lässt sich die PCR aber relativ leicht so anpassen, dass der Nachweis sicher möglich bleibt.
Ausführliche Informationen zur
Corona-Impfung und Terminen auf
www.schwä0bische.de/impfen