Zwei Frauen, zwei Visionen, ein Ziel
Maria-Lena Weiss und Birgit Hakenjos bewerben sich als CDU-Kandidatinnen für den Bundestag
TUTTLINGEN - Wer folgt auf Volker Kauder als Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen? Diese Frage wird am Sonntag, 26. September, entschieden. Für die CDU geht eine Frau ins Rennen: Maria-Lena Weiss oder Birgit Hakenjos. Die Kandidatinnen stellen sich am Samstag den CDU-Mitgliedern beider Kreise noch einmal vor. Dann erfolgt die Abstimmung per Brief, wer die CDU in Berlin vertreten soll. Zuvor haben die beiden Kontrahentinnen Ingeborg Wagner und Matthias Jansen Rede und Antwort gestanden.
Wollen Sie wirklich für die CDU in den Bundestag? Zuletzt gab es für die Union nicht die besten Kritiken. Maria-Lena Weiss: Jetzt umso mehr. Die CDU gibt derzeit kein gutes Bild ab, weder im Land noch im Bund, da müssen wir uns nichts vormachen. Ich sehe vieles, was wir besser machen müssen, gerade auch beim Thema Corona. Der Frust ist groß, nach einem Jahr Pandemie muss mehr getan werden, als die Menschen einzusperren. Ich teile die Meinung der Bürgermeister im Kreis, dass auch wir Modellkreis werden wollen, nach dem Vorbild Tübingens. Diese Maßnahmen müssen in die Fläche kommen, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Durch die Maskenaffäre haben wir Vertrauen verspielt.
Birgit Hakenjos: Das will ich auch nach wie vor. In der jetzigen Situation braucht es im Bundestag mehr denn je Wirtschaftskompetenz. Wenn ich allein den Vorstoß der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten sehe, den 1. April zum Ruhetag machen zu wollen. Das hat zu Recht einen Sturm der Entrüstung bei den Firmen gegeben. Schließlich geht es um das Einhalten der Lieferketten und um den Stillstand riesiger Produktionsbereiche, wenn nicht rechtzeitig geliefert wird. Eine schnelle Änderung der Abläufe wäre nicht umsetzbar gewesen. Und rechtlich wohl auch nicht erzwingbar.
Die CDU war aber auch durch die Maskenaffäre in der Kritik? Hakenjos: Das hat mich peinlich berührt. Der Vertrauensverlust ist enorm, wenn Abgeordnete im Bundestag, die Vertreter unseres Volkes sind, sich in der schwierigsten Zeit der Bundesrepublik persönlich bereichern wollen. Trotzdem sollte man nicht alle Abgeordnete über einen Kamm scheren.
Danach sind wieder Stimmen laut geworden, dass die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte offenlegen sollen. Welche Nebeneinkünfte haben Sie, falls Sie Bundestagsabgeordnete würden?
Weiss: Ich hätte gar keine Nebeneinkünfte. Für mich ist klar, dass ich keine anderen Tätigkeiten ausüben würde, falls ich im Bundestag wäre. Ich würde mich mit voller Kraft meiner politischen Arbeit widmen und mein Rechtsanwaltsmandat ruhen lassen. Ich bin der Meinung, dass das grundsätzlich so sein sollte und Bundestagsmitglieder keine anderen Nebentätigkeiten haben sollten.
Hakenjos: Ich bin Geschäftsführerin und Gesellschafterin meiner Firma Hakos. Zum 1. Juni habe ich einen Geschäftsführer eingestellt, damit ich mich mit meiner ganzen Zeit dem Mandat widmen könnte. Das Eigentum an meiner Firma bleibt mir und ich beziehe daraus Einkünfte.
Die Landtagswahl wurde krachend verloren. Was fehlt der CDU derzeit, um Wähler für ihre Positionen begeistern zu können? Hakenjos: Ich habe mir die Analysen angeschaut: die CDU hat sehr viele Wähler an die Grünen verloren. Das ist das Resultat von Jahren und Jahrzehnten, in denen wir unsere DNA nicht nach vorne gebracht haben. Der Umweltschutz ist schon im C enthalten. Für die Menschen ist der Umweltschutz wichtig. Aber es muss kluger Umweltschutz sein. Wir dürfen zum Beispiel nicht ausschließlich auf die E-Mobilität setzen. Wir brauchen den Verbrenner mit E-Fuels, also synthetischen Kraftstoffen, ebenso Wasserstoffantriebe. Außerdem hat es unsere Partei versäumt, sich zu verjüngen. Im Kreis merkt man das ganz stark. Es gibt viele ältere CDU-Mitglieder. Und die Junge Union. Aber die Mitte fehlt.
Weiss: Der wichtigste Punkt ist, dass die CDU wieder klar machen muss, für was sie steht. Unsere Inhalte sind offenbar nicht durchgedrungen. Ich sehe da viel Arbeit vor uns liegen. Meinem Eindruck nach wollen die Menschen auch neue Gesichter im Land, und zwar an der Spitze der Partei und der Fraktion und wenn es zu einer Regierungsbildung mit der CDU kommt, dann mit neuen Personen, die vorne stehen. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Generation U45 die Verantwortung übernimmt. Dafür werde ich mich stark machen. Das ist auch etwas, wofür ich im Bund stehe.
Was sind Ihre Themen, mit denen Sie den Landkreis Tuttlingen in Berlin voranbringen wollen? Weiss: Da denke ich zunächst an den Strukturwandel, der vor allem auf der Zeitschiene wirtschafts- und sozialverträglich gestaltet werden muss. Dann auch an den Klimaschutz. Es reicht nicht aus, zu sagen, durch das C im Parteinamen erübrigt sich das Thema Klimaschutz für uns. Für mich gehören Umweltschutz und Wirtschaft zusammen, es gilt, Ökologie und Ökonomie zusammen zu denken. Wir wollen keine Zwangsbegrünung jedes Hausdachs. Aber wir wollen Klimaschutz durch Innovation und mehr Wasserstoff, Biokraftstoff und synthetische Kraftstoffe ebenso wie Regionalität, statt Lebensmittel, die durch die Welt geflogen werden. Klimaschutz und der Verbrennungsmotor sind für mich keine Gegensätze, ich denke, da kann man noch einiges an Effizienz herausholen. Gerade für unsere Region gilt, darauf aufmerksam zu machen, dass wir nicht nur auf Elektromobilität setzen sollten. Mein beruflicher Schwerpunkt ist Energierecht. Da kann ich auch im Bundestag einiges an fachlicher Kompetenz einbringen. Gerade wenn es darum geht, Wasserstoff in die Fläche zu bringen, muss dies marktwirtschaftlich gestaltet werden, anstatt ein neues Subventionssystem wie die EEG-Umlage zu schaffen. Die Energieversorgung muss eines bleiben: sicher, preisgünstig und eben umweltfreundlicher. Familie ist ein großes Thema für mich, es schmerzt mich, wenn ich sehe, dass junge Familien nur schwer Wohnraum oder Bauplätze finden. Mit zwei kleinen Kindern kann ich für viele in ähnlichen Situationen sprechen, gerade auch in der belastenden Zeit des Lockdowns. Wichtig ist mir zudem die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum, die flächendeckend und hochwertig sein muss und mehr auf den Menschen als auf Zahlen ausgerichtet. Bei der Infrastruktur, bei Straßen und Schienen, hat Volker Kauder vieles auf den Weg gebracht. Allerdings reicht mittlerweile selbst eine Politikergeneration nicht mehr aus, um die Projekte umzusetzen und zum Abschluss zu bringen. Ich mache mich für die Ortsumfahrungen in den Kreisen Tuttlingen und Rottweil stark und für eine flächendeckende digitale Infrastruktur.
Hakenjos: Ich will mich vor allem wirtschaftspolitisch einbringen, um die mittelständischen Strukturen zu stärken. Wir haben zum Beispiel Automobilzulieferer, die jahrzehntelang den allgemeinen Wohlstandszuwachs geschaffen haben. Die müssen wir jetzt bei ihren Innovationen unterstützen. Warum sollen wir uns unsere Dieseltechnologie schlecht reden lassen? Die EMobilität muss es erst einmal mit grüner Energie geben. Es macht doch keinen Sinn, wenn Batterien in China mit schmutzigem Kohlestrom hergestellt werden. Wenn wir es mit dem Klimaschutz ernst meinen, müssen wir uns die Herstellungsprozesse insgesamt und weltweit anschauen. Ökonomie und Ökologie müssen Hand in Hand gehen. Es ist nicht der erste Strukturwandel, den werden wir gemeinsam meistern. Wir dürfen uns aber nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen.
Die digitale Infrastruktur ist mir besonders wichtig. Wenn die nicht besser wird, werden wir abgehängt. Ebenso Bildung und gerade Berufsausbildung. Auch wenn das Thema Ländersache ist, möchte ich mich in Berlin dafür einsetzen. Wir können nicht warten, bis 16 Länder sich auf jedes Detail einigen.
Dann ist da das Verhältnis von Ballungszentren und ländlichem Raum. Das ist unausgeglichen. Da müssen wir ran. Die jungen Leute sollten bei uns im ländlichen Raum bleiben oder auch – Stichwort Fachkräftemangel – herziehen können.
Zu guter Letzt: Sicherheit und Ordnung. Dafür steht die CDU. Da müssen wir zeigen, was wir können, aber ohne Schaum vor dem Mund. Wir müssen den Tätern Grenzen setzen und diese durchsetzen.
Bei der Gäubahn geht es nicht wirklich voran. Sehen Sie da Möglichkeiten, oder ist ohne Antrieb der Deutschen Bahn eigentlich nichts zu machen?
Hakenjos: Da stoßen wir immer noch auf Mauern. Aber die Deutsche Bahn ist eine 100-prozentige Tochter des Bundes. Die müsste eigentlich machen, was ihr vom Eigentümer angesagt wird. Da muss man politisch mit Vehemenz vorgehen. Wenn wir in der Wirtschaft so lange für notwendige Entscheidungen brauchen würden, wären wir schon längst pleite. Dabei ist das Geld da, es liegen keine Einsprüche vor. Da ist nur zu viel Bürokratismus.
Weiss: Die Politik muss liefern, da wird jede Glaubwürdigkeit verspielt. Aus meiner Sicht wurde es versäumt, Chancen zu nutzen, indem der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann nicht bereit war, die Gäubahn in das Maßnahmenvorbereitungsgesetz einzubringen. Da konnten die Länder Schienenverbindungen nennen, die priorisiert gebaut werden sollen. Damit wäre der Ausbau der Gäubahn per Gesetz beschlossen worden statt als Verwaltungsverfahren. Das hat Hermann verhindert. Steffen Bilger, unser parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, hat das Thema
Gäubahn im Blick. Ich kenne ihn gut. Diese Chance müssen wir nutzen. Die Gäubahn ist ganz vorne auf der Agenda eines Bundestagsabgeordneten aus der Region.
Wenn Sie Wahlkampf für Ihre Konkurrentin machen müssten: Worin sehen Sie deren Stärken? Weiss: Darin, dass sie seit Jahren ein Familienunternehmen führt und nun den Willen hat, in die Politik zu gehen.
Hakenjos: Sie ist von früher Jugend an in ihrer heimischen CDU gut vernetzt. Sie kennt das parteipolitische Geschäft. Ihr ehrenamtliches Engagement hat meinen vollen Respekt.
Und wo liegen Ihre? Hakenjos: Ich führe seit 20 Jahren ein Unternehmen, habe die notwendige Wirtschafts- und Lösungskompetenz. Ich kann Verhandlungen führen und bin gewohnt, Entscheidungen zu treffen, für deren Folgen ich persönlich einstehen muss. Ich glaube, das ist entscheidend. Aber ich bin auch ein Familienmensch. Die Mitarbeiter in meinem Unternehmen werden wie die Familie behandelt. Es gibt eine Vertrauensbasis, einen respektvollen Umgang und Dialog. Das ist die Art, wie man in der heutigen Zeit zusammenarbeiten sollte. Zu meinen Stärken gehört aber auch, pragmatisch zu handeln, also sach- und lösungsorientiert. Wir brauchen in der aktuellen Situation mehr Pragmatiker. Im Bundestag haben wir reichlich Beamte und Rechtsanwälte. Den enormen Bürokratismus haben wir sicher nicht den Unternehmern zu verdanken.
Weiss: Ich bin aus der Mitte der Gesellschaft und habe das Ohr am Bürger. Man trifft mich im Verein, am Kindergarten, auf dem Spielplatz, nach dem Gottesdienst. Ich habe einen klaren Kompass, dessen christliches Menschenbild die Grundlage bildet. Zudem bin ich seit 13 Jahren als Anwältin selbstständig und weiß daher, dass man nur so viel Geld ausgeben kann, wie man einnimmt. Diese schwäbische Sicht der Haushaltsführung lebe ich beruflich wie privat. Ich weiß, wie ein Parlament funktioniert, wer die Entscheider sind und wo ich sie treffe. Seit ich 18 Jahre alt bin übernehme ich Verantwortung in der Partei. Ich bin gut vernetzt und kenne die entscheidenden Leute auf Bund-, Landesund Europaebene. Ich könnte nahtlos an die Arbeit von Volker Kauder anknüpfen, denn ich weiß, wo mein Platz ist.
Im Falle Ihrer Wahl würden Sie in große Fußstapfen treten. Suchen Sie den Austausch mit Volker Kauder oder machen Sie lieber ihr eigenes Ding?
Weiss: In erster Linie wird es mein Weg sein, den ich gehe. Aber natürlich bin ich durch viele Jahre von Volker Kauder geprägt und will an seinen Erfolg anknüpfen. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihm und bin sehr dankbar für seine Unterstützung.
Hakenjos: Die Arbeit von Volker Kauder zu toppen, ist schwer. Seine Arbeit war wichtig, eine großartige Leistung. Aber die Zeiten jetzt sind andere. Wir brauchen neue Ansätze, Ideen und Konzepte. Da will ich lieber meinen eigenen Weg gehen. Den Meinungsaustausch mit Volker Kauder werde ich aber selbstverständlich suchen.