Hess-Prozess verliert seine Schwere
Richter benennt mögliches Strafmaß – Staatsanwaltschaft bereit für Einigung
VILLINGEN-SCHWENNINGEN/ MANNHEIM (sbo) - Eine ungewohnte Leichtigkeit liegt schon zu Beginn über diesem Verhandlungstag im Hess-Prozess. Es wird voraussichtlich einer der Letzten sein. Schon jetzt sitzen Christoph Hess und Peter Ziegler nicht mehr als mutmaßliche Betrüger und Manipulateure auf der Anklagebank vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Mannheimer Landgerichts.
Leger lehnt Christoph Hess eine Viertelstunde vor Prozessbeginn in einem der Metallstühle im Gerichtsfoyer und wischt auf seiner Handyoberfläche herum. Die Anspannung vergangener Prozesstage scheint verflogen zu sein, die Verhandlung hat für die Angeklagten offensichtlich ihre Schwere verloren. Das lässt erahnen, dass der nichtöffentliche Erörterungstermin in der Vorwoche mit einem Ergebnis in die gewünschte Richtung endete. Auch Peter Ziegler steht in seinem grauen Anzug unaufgeregt vor Saal 1, wo wenig später ein weiterer Schritt hin zur Entscheidung über die Zukunft der beiden ehemaligen Geschäftsführer der zerschlagenen Hess AG aus Villingen getan werden soll.
Als mutmaßliche Betrüger im ganz großen Stil waren die beiden am 7. Oktober erstmals vor der Kammer erschienen. Gedrückt, gebeutelt von der Last und dem Spießrutenlauf der vergangenen zehn Jahre, unsicher, was nun kommen würde – zeitweise aber auch kampflustig, um ihre Sicht der Dinge darzulegen und ihre Argumente vorzubringen. Die Tagesordnung auf dem Aushang des Landgerichts in Mannheim vor Saal 1 ist dieses Mal eine andere. Betrug, Marktmanipulation und Untreue sind als Vorwürfe darauf schon erloschen. „Verdachts der unrichtigen Darstellung“ist dort nun nur noch zu lesen.
Nachdem wochenlang unzählige Aktenblätter der über 70 Leitz-Ordner im Rücken des Richters in ihrer digitalen Kopie gedreht und gewendet worden waren und Christoph
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Hess und Peter Ziegler persönlich, aber auch über ihre Verteidiger zu allem Stellung genommen hatten und vieles entkräften konnten, hatte der Richter die Einstellung der am schwersten wiegenden Vorwürfe in Aussicht gestellt. Gefängnisstrafen für Hess und Ziegler waren damit mit einem Mal vom Tisch.
Hinter den Kulissen erörterte man die Vorstellungen und Möglichkeiten. Dort wurde auch die letzte bange Frage geklärt: Wäre eine Verfahrenseinstellung in den betreffenden Punkten auch für die Erste Staatsanwältin Lisa Böhmer machbar? Oder hält sie an den Vorwürfen hinsichtlich des Bilanzbetrugs und der Untreue fest? Ihr eher passives Verhalten während der vorangegangenen Prozesstage ließ schon erahnen, was Richter Oliver Ratzel an diesem Donnerstagmorgen vor Gericht verkündet: Die Staatsanwaltschaft säße mit im Boot.
Hatten die Verteidiger bei den Erörterungsterminen für Peter Ziegler auf Freiheitsstrafen von unter einem Jahr, auszusetzen auf Bewährung, plädiert, gingen ihre Forderungen für Christoph Hess noch weiter. Er solle nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, so die Vorstellung seiner Verteidiger. Welche Geldsummen stattdessen bei den Gesprächen im Raum standen, dazu äußert sich Oliver Ratzel am Donnerstag nicht. Klar wird indes, dass das Gericht andere Vorstellungen hat: Für Peter Ziegler komme eine Verständigung auf eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und mindestens vier, maximal acht Monaten auf Bewährung in Betracht. Für Christoph Hess sei für die Richter eine Bewährungsstrafe in Höhe von mindestens acht Monaten und höchstens einem Jahr möglich, damit, so Ratzel, könne auch Staatsanwältin Lisa Böhmer mitgehen. Letztlich wird klar, es ist eine Abwägungssache. Hinter den Kulissen geht das Ringen um Details weiter. Am 31. März wird die Verhandlung fortgesetzt.