Putin in Spaichingen und andere Geschichten
Der Heimatbrief 2021 über das vergangene Jahr nutzt Gelegenheiten, Jubiläen zu beschreiben
SPAICHINGEN - Der Spaichinger Heimatbrief 2021 ist wie das ganze Jahr 2020 – anders. Aber nicht so anders, wie im Zusammenhang mit den herunter gefahrenen Aktivitäten des „Coronajahrs I“befürchtet. Die Autoren haben aus der Not eine Tugend gemacht und die Jubiläen und Beiträge, die ein, zwei Jahre zuvor nicht möglich waren, einfach nachgeholt.
So ist zum Beispiel alles über die Entwicklung des Kindergartens St. Michael nachzulesen, der 2019 50 Jahre alt geworden ist. Kindergartengeschichte ist auch Stadt- und Gesellschaftsgeschichte, zusammen getragen von Axel Kästner und Maria Stitzenberger.
2019 hätte eigentlich der Kleintierzuchtverein Spaichingen sein 100-jähriges Bestehen feiern können. So wurde seine Geschichte eben für den Heimatbrief 2020 aufgeschrieben. Dies haben Wolfgang Büermann und Dr. Albrecht Dapp übernommen: Die Funktion der Kleintierzuchtvereine wandelte sich von einer Betätigung, die Not und Hunger mildern sollte, über die Freude an verschiedenen nebeneinander gepflegten Rassen bis hin zum Hobby, zur Liebhaberei. Die Mode – krähende Hähne stören Langschläfer – und auch unterschiedliche Ansichten zum Tierschutz boten in der neueren Zeit Widerstände. Und heute: Die Vereine sind diejenigen, die die verschiedenen Kleintierrassen erhalten, auch alte, die in der modernen fabrikmäßigen Landwirtschaft keinen Platz mehr hatten.
Das Gewerbemuseum, 1976 eingeweiht, ist aber seit 1918 – also über 100 Jahre – im Besitz der Stadt Spaichingen. Was dieser einst vom 1861 gegründeten Gewerbeverein erstellte Prachtbau bedeutete und wie sich seine Funktionen im Lauf der Geschichte vom Repräsentationsbau über Bankräume, Musterungsräume für die SS, Bibliothek, Schule, Vereinshaus bis hin zum städtischen Museum veränderten, hat Museumsleiterin Angelika Feldes zusammengetragen. Wenn also im Jahr 2020 nicht wirklich Jubiläen gefeiert werden konnten, die Geschichten dazu haben die Autoren zusammen getragen. Erstaunlich auch, wie reich die Chronologie geraten ist.
Und noch eine Geschichte ist indirekt mit den ganz besonderen Umständen im Coronajahr I verbunden: Museumsleiterin Angelika Feldes, die im Hin- und Her der möglichen, verschobenen und abgesagten Veranstaltungen, Ausstellungen und Aktionen manövrierte, hat die Zeit genutzt, um ihr Museum in die Digitalisierung mitzunehmen mit einem virtuellen Rundgang. Außerdem hat sie Forschungen zur Berufstätigkeit von Spaichinger Frauen in den 30er-Jahren angestellt und: Die erzwungenen Schließungen hatten endlich Zeit geschaffen, das Archiv auf Vordermann zu bringen und aufzuräumen. Auch davon berichtet Feldes.
Der Beitrag zur Berufstätigkeit von Frauen ist einem Glücksfall zu verdanken: zwei Einwohnerbüchern aus den 30er-Jahren, die akribisch aufgearbeitet und die Inhalte eingeordnet wurden.
Manfred Brugger beschäftigt sich mit der Geschichte der Hausmüllabfuhr, die bis 1960 überhaupt nicht geregelt war. Der Müll landete überall in Wald und Flur. Eine geordnete Abfuhr richtet ein Spaichinger, Alois Heinemann, als „Müllpionier“ein, so Brugger. Brugger beschäftigt sich auch mit den Einträgen ins goldene Buch der Stadt. Man staunt, wie viele Bundes-, Landes- und internationale Politiker den Weg ins Städtle gefunden haben. Dass der grüne Joschka Fischer im schwarzen Städtle nicht empfangen wurde und nach Hausen musste, das ist eine andere Anekdote und hier auch nicht erwähnt.
Aber: In seiner Zeit als Berater des Petersburger Oberbürgermeisters und ehemaliger KGB-Offizier begleitete ein Mann, den heute jeder kennt den OB nach Spaichingen: Wladimir Putin und zwar 1993. Auch das ist im Beitrag erwähnt.
Was gibt es noch im Heimatbrief? Die freundliche Begrüßung des im Jahr 2020 gewählten Bürgermeisters Markus Hugger, einen lesenswerten Beitrag zur Rückkehr der Störche nach über 120 Jahren von Zdenko Merkt, einen Bericht von Daniela Hug zum Jahrgangsprojekt, die Jahresberichte der beiden Kirchengemeinden, Kurt Glücklers Bilder des Jahres 2020, einen Beitrag von Fritz Mattes und eine liebevolle Würdigung eines ganz besonderen Spaichingers und Originals, Walter Weiss von Wolfgang Hagen und Beate und Erich Kramer.