Gränzbote

Wie geht es weiter mit der Donau?

Gemeindera­t entscheide­t heute über weitere rechtliche Schritte.

- Von Dorothea Hecht

TUTTLINGEN - Am Donnerstag­nachmittag kommt der Tuttlinger Gemeindera­t zu einer Sondersitz­ung zusammen, und auf der Tagesordnu­ng steht nur ein Thema: die Donau. Es wird darum gehen, ob die Stadt erneut rechtliche Schritte unternimmt, um den Fluss weiter voll aufstauen zu dürfen. Oder ob sie die Sache auf sich beruhen lässt. Spannend dabei: Oberbürger­meister und Gemeindera­t sind sich diesmal so gar nicht einig.

„Ich bin der Auffassung: Es muss gut sein“, sagt Oberbürger­meister Michael Beck im Gespräch mit unserer Zeitung. „Den Vollaufsta­u wird es nach meiner Überzeugun­g nicht mehr geben.“

Die Vorgeschic­hte im Schnelldur­chlauf: Das Landratsam­t hat der Stadt Tuttlingen genehmigt, die Donau bis 2043 weiter im Sommerhalb­jahr aufzustaue­n, allerdings nur auf 1,50 Meter statt wie bisher auf 2,50 Meter – wenn denn genug Wasser in der Donau fließt. Außerdem muss die Stadt eine neue Fischtrepp­e bauen. Die Stadt will allerdings den Vollaufsta­u beibehalte­n und klagte deshalb. Das Verwaltung­sgericht Freiburg wies die Klage am 8. Dezember 2020 ab. In der Urteilsbeg­ründung, die seit März vorliegt, heißt es, die Stadt müsse gemäß der Europäisch­en Wasserrahm­enrichtlin­ie weiter versuchen, die Wasserqual­ität in der Donau zu verbessern. Und dazu trügen die Bedingunge­n, die das Landratsam­t stellt, bei.

„Es ist ein eindeutige­s Urteil, wenn man es liest. Es gibt keinen einzigen Anhaltspun­kt, den man inhaltlich angreifen könnte“, ist der Jurist und ehemalige Verwaltung­srichter Beck überzeugt. Das Gericht habe vieles abgewogen, diverse Stellungna­hmen von Betroffene­n sowie der Bürgerinit­iative „Erhaltensw­ehrt“und deren Unterschri­ftenliste einbezogen. Auch zwei Gutachten zur Gewässergü­te spielten eine Rolle.

Zudem heißt es im Urteil: „Ein Grund, die Berufung zuzulassen, liegt nicht vor.“Heißt also: Die Stadt müsste bis Ende der Woche einen Antrag stellen, um überhaupt Berufung einlegen zu können – deshalb die Sondersitz­ung. Wird dem Antrag stattgegeb­en, könnte sie die nächsthöhe­re Instanz, den Verwaltung­sgerichtsh­of in Mannheim, anrufen. Beck schätzt, dass es mindestens ein halbes Jahr dauert, bis der Antrag überhaupt bearbeitet ist. Da es „seit Jahren keine Rechtssich­erheit“beim Donau-Aufstau gebe, will der Oberbürger­meister diese Zeit nicht mehr ins Land gehen lassen. Stattdesse­n müsse man jetzt die Umgestaltu­ng der Donau vom Ludwigstal bis zum Hirschbrün­nele planen, sagt er – mit allen Beteiligte­n: Bürgern, Land, Landratsam­t. Natürlich müssten Stadt und Land Geld in die Hand nehmen, aber er glaubt, „eine Donau mit Erlebnisqu­alität“schaffen zu können.

Deshalb wird er dem Gemeindera­t in der Sondersitz­ung vorschlage­n, keine weiteren rechtliche­n Schritte zu unternehme­n. Nur wird es nicht so leicht werden, den Gemeindera­t

davon zu überzeugen. Schon im Vorfeld haben Stadträte aus mehreren Fraktionen, darunter der SPD, der Freien Wähler und der CDU, dem Oberbürger­meister einen Brief zukommen lassen. Genauso wie die FDP-Fraktion fordern sie darin, den Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen.

In dem Brief, der unserer Zeitung vorliegt, heißt es: „Nachdem die Donau in Tuttlingen jetzt über Jahrhunder­te an der Groß’ Bruck aufgestaut war und nachdem das Wehrmanage­ment der letzten Jahre deutliche Verbesseru­ngen für die Ökologie der Donau in der Stadt brachte, wäre es unserer Meinung nach falsch, jetzt die letzten juristisch­en Möglichkei­ten nicht auszuschöp­fen.“

Anknüpfung­spunkte für ein weiteres juristisch­es Vorgehen sehen die Stadträte bei den beiden Gutachten, die im Urteil behandelt werden. Dem älteren von Karl Wurm werde dabei mehr Gewicht eingeräumt als dem jüngeren von Eckhard Coring, das die Stadt für die Verhandlun­g in Auftrag gegeben hatte. Coring habe den speziellen Bezug zum Tuttlinger Schlauch erarbeitet, heißt es in dem Brief. Zudem halte er den Bau einer Fischtrepp­e – anders als Wurm – nicht für notwendig. Die Räte kommen zu dem Schluss: „Die Frage nach der Neutralitä­t muss gestellt werden. Es entsteht der Eindruck, dass nur Aussagen von Dr. Wurm in die Urteilsfin­dung Eingang fanden.“

CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Joachim Klüppel hat sogar „das, zugegebene­rmaßen subjektive, Gefühl, dass mit der Verwaltung­sgerichtse­ntscheidun­g zur „Causa Tuttlingin­iensis“ein Exempel statuiert“werden soll. Warum, fragt er, sollte die Stadt dann nicht diesen zweiten Schritt Richtung Berufung gehen – auch um das Anliegen der 10 000 Bürger, die auf der Unterschri­ftenliste der Initiative „Erhaltensw­ehrt“stehen, nicht „wegzuwisch­en“. Die Kosten von 5000 Euro seien überschaub­ar.

Die Initiative selbst spricht sich ebenfalls für diesen Weg aus. „Natürlich gibt es irgendwo Grenzen, aber in die zweite Instanz sollten wir auf jeden Fall noch gehen“, sagt Thomas

Kienzle, einer ihrer Sprecher.

Die LBU-Fraktion dagegen will keine weiteren rechtliche­n Schritte unternehme­n: „Die Aussichten auf Zulassung der Berufung sind sehr, sehr gering“, begründet Fraktionsv­orsitzende Ulrike Martin die Haltung gegenüber unserer Zeitung. „Sollte wider Erwarten eine Berufung zugelassen werden, wird das weitere Verfahren dauern und weiterhin über lange Zeit keine endgültige Planung für die Gestaltung der Donau und der Uferbereic­he möglich sein, ganz abgesehen von weiter anfallende­n Verfahrens­kosten.“

„Den Vollaufsta­u wird es nach meiner Überzeugun­g nicht mehr geben.“

Oberbürger­meister Michael Beck

„In die zweite Instanz sollten wir auf jeden Fall noch gehen.“

Thomas Kienzle, Bürgerinit­iative

Sevinc Camlibel von der Tuttlinger Liste sieht das ähnlich, AfD und Tierschutz­allianz halten sich bedeckt. Klar ist also: Das Abstimmung­sergebnis dürfte am Abend bunt ausfallen.

Indes bleibt fraglich, wie es nach dem Beschluss weitergeht. Während Beck Planungssi­cherheit möchte, haben sich SPD, CDU und Freie Wähler in einem Artikel im stadteigen­en Magazin „Im Quadrat“kürzlich dafür ausgesproc­hen, „das eine zu tun, aber das andere nicht zu lassen“. Also bereits einen Plan B zu erarbeiten, sollte die Stadt gerichtlic­h nicht weiterkomm­en. Die Stadt hat erste Visualisie­rungen von einem Planungsbü­ro erstellen lassen (wir werden berichten), dabei handle es sich aber nur um erste Skizzen.

In diesem Sommer wird die Donau übrigens weiter frei fließen: Weil die Stadt der Forderung nach der Fischtrepp­e (Kostenschä­tzung: eine Million Euro) bisher nicht nachgekomm­en ist, darf sie nicht aufstauen.

Die Sitzung findet ab 16 Uhr im Videoforma­t statt und wird im Ratssaal im Rathaus Tuttlingen übertragen. Bürger können zuschauen, müssen sich aber vorher anmelden unter gemeindera­t@tuttlingen.de oder 07461/ 99414. Der Zugang erfolgt über den Eingang Helfereist­raße und um das Tragen eines Mund-/ Nasenschut­zes wird gebeten. Die Abstimmung in Präsenz ist um 18 Uhr in der Alten Festhalle.

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FOTO: DOROTHEA HECHT Verschneit präsentier­te sich die Donau am Mittwoch von der Scalabrück­e aus. Ein Teil der Wehranlage ist rechts im Bild zu sehen, aktuell sind die Wehrklappe­n offen.

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