Einsame Trauer unter den Augen der Welt
Trauerfeier für den verstorbenen Prinzgemahl Philip – Die Queen verabschiedet sich gefasst und allein
LONDON - Zu Lebzeiten war Prinzgemahl Philip in der Öffentlichkeit stets ein, zwei Schritte hinter Queen Elizabeth II. zurückgeblieben. Auf dem letzten Gang folgte seine Ehefrau der vergangenen 73 Jahre dem Herzog von Edinburgh am Samstag zum ersten und letzten Mal. Mit imperialer Grandezza und klingendem Spiel wurde der vergangene Woche 99-jährig Verstorbene von Schloss Windsor zur Schlosskirche St. Georg geleitet, in deren Königsgruft seine sterblichen Überreste ihre letzte Ruhe fanden.
Auch wenn sich der Prinz schon vor vielen Jahren gegen ein Staatsbegräbnis entschieden hatte – in normalen Zeiten wäre die Trauerfeier von Hunderttausenden live verfolgt worden, hätte es ansehnliche Militärparaden in der Hauptstadt London gegeben. Unter Covid-Bedingungen konzentrierte sich das Geschehen auf das weitläufige Gelände des mehr als 900 Jahre alten Königsschlosses, wo der Hochbetagte zwei Monate vor seinem 100. Geburtstag gestorben war. Weil am Trauergottesdienst wie überall im Land lediglich 30 Menschen teilnehmen durften, musste Premierminister Boris Johnson wie Millionen anderer Briten das Geschehen am Fernseher verfolgen.
Dort bot sich den Zuschauern in aller Welt die gewohnt perfekte Inszenierung aus farbenfrohem Spektakel und würdiger Gedächtnisfeier. Kapellen sämtlicher Waffengattungen paradierten vorab über den prachtvoll grünen Schlosshof, ehe um 14.40 Uhr Ortszeit schlagartig Stille eintrat. Acht Grenadiere in roter Paradeuniform trugen den Sarg mit den sterblichen Überresten des als Prinz von Griechenland zur Welt gekommenen Abkömmlings des Hauses Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg zu einem militärgrünen Landrover, der nach den Vorgaben des Auto-Begeisterten zum Leichenwagen umgebaut worden war.
Der Sarg war eingehüllt in seine persönliche Standarte – sie enthält Anspielungen auf Dänemark und Griechenland sowie auf seinen Nachnamen Mountbatten und seinen Titel als Herzog von Edinburgh –, obenauf lagen die Admiralskappe, das Schwert eines Marineoffiziers sowie ein Bukett aus weißen Lilien und Rosen.
Auf dem kurzen Weg zur Kirche schritten einige der Kinder und Kindeskinder des Toten hinter dem
Landrover, Bediensteten des Hofstaates folgte die knapp 95-jährige Königin im royalen Bentley. In der von Thronfolger Charles, 72, angeführten Prozession der engsten Familienangehörigen blieb Prinzessin Anne, 70, die einzige Frau unter acht Männern. Hinter ihren Brüdern Edward und Andrew gingen die Prinzen William und Harry, zwischen sich den ältesten Enkel des Verstorbenen, Annes Sohn Peter Phillips. Am Eingang der Kirche musste der aus Kalifornien angereiste Harry – seine hochschwangere Frau Meghan war auf Anraten der Ärzte daheim geblieben – dann dem Bruder den Vortritt lassen, weil dort nur zwei Menschen nebeneinander gehen konnten.
Im Trauergottesdienst blieben gemäß der geltenden Corona-Regeln die 30 nächsten Angehörigen des Verstorbenen unter sich. Im prächtigen Chorgestühl des gewaltigen, spätgotischen Gotteshauses mussten sie maskiert und mit physischem Abstand voneinander Platz nehmen, die Witwe saß allein. Die 50-minütige Zeremonie entsprach den Wünschen des Weltkriegsveterans, der als junger Marineleutnant vor allem im Mittelmeer gedient hatte. Während des Schlussgebets verschwand der Sarg in der Königsgruft der Schlosskirche. Philips Überreste ruhen dort in der Gruft der nach Elizabeths II. 1952 verstorbenem Vater Georg VI. benannten Kapelle.
Mit der Zeremonie endete die einwöchige Staatstrauer um den Prinzgemahl. Nach tagelangen ausführlichen Würdigungen des Verstorbenen wandten sich die britischen Medien am Wochenende der Frage zu, wie es mit der Monarchie weitergehen solle. Unverblümt sprach der linksliberale „Guardian“den Tod der Monarchin selbst an; mit Elizabeth II., die im 70. Jahr ihrer Verweildauer auf dem britischen Thron steht, werde eine Ära zu Ende gehen, die eine Modernisierung der Institution zur Folge haben müsse.
Fragen nach der Zukunft stellte auch die konservative „Times“. Zwar bleibe das Königshaus „zentral für das Konzept der Nation“, auch habe das versprengte Häuflein von Republikanern bisher kein glaubwürdiges
Konzept einer Alternative vorlegen können. Doch müsse sich die Monarchie wandeln, womöglich schlanker werden, schließlich gehe das Interesse der jüngeren Generation zurück. So hatte es gegen die Gleichschaltung sämtlicher BBC-Fernsehkanäle an Philips Todestag beinahe 110 000 Beschwerden beim öffentlich-rechtlichen Sender gegeben.
Harsche Stimmen kamen, vielleicht nicht ganz zufällig, von schottischen Autoren. Dort wie auch in den anderen Regionen des Landes wurde der Wahlkampf vor dem Urnengang für Kommunal- und Regionalparlamente Anfang Mai am Tag der Beisetzung ebenso unterbrochen wie zuvor in den drei Tagen nach des Herzogs Tod.
Im Online-Magazin „Scottish Review“entwarf der Politologe Gerry Hassan von der Universität Dundee eine alternative jüngste Geschichte der Demokratie in Großbritannien. Die Behauptung von der zentralen Rolle der Monarchie für Staat und Gesellschaft stelle eine „beruhigende, aber tatsächlich faktenfreie Sichtweise“dar. Der Wissenschaftler wies nicht nur auf die Reste des rechtlich erst 1983 abgeschafften britischen Empire hin: Statt Kolonien verwendet man dafür heute den Euphemismus „britische Überseeterritorien“; bekanntestes Beispiel dürfte der Archipel der Falkland Islands/Malvinas im Südatlantik sein. Hassan erneuerte auch die auf der linken Seite des politischen Spektrums weitverbreitete Kritik an dem als „Queen’s und Prince’s Consent“bekannten Mechanismus. Dieser erlaubt der Königin und dem Thronfolger, die ihnen vorgelegten Gesetzentwürfe des Unterhauses auf die Beeinträchtigung ihrer Interessen hin untersuchen und gegebenenfalls beeinflussen zu dürfen.
Hart ging die Schriftstellerin Alison Kennedy mit der Monarchie und der Trauer-Inszenierung für Prinz Philip ins Gericht. Bezugnehmend auf mehr als 130 000 Covid-Tote schrieb sie in ihrer Kolumne für die „Süddeutsche Zeitung“: „So viele von uns trauern, fühlen sich wie betäubt, haben Wunden – und dieser Schmerz wird nun requiriert, um eine feudale Fantasie fortzuführen.“