Sorglos ist es trotz Impfungen noch nicht
Immerhin: In den Pflegeheimen im Kreis Tuttlingen sind derzeit keine Bewohner betroffen
KREIS TUTTLINGEN - Wer in einem Pflegeheim lebt, ist zwingend auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen – und gehört mit Blick auf eine Coronainfektion oft zur Risikogruppe. Umso schwieriger, wenn in solchen Einrichtungen das Virus um sich greift. Auch im Landkreis Tuttlingen hatte es in einzelnen Heimen unterschiedlich starke Corona-Ausbrüche gegeben. Mittlerweile scheint die Lage im Griff zu sein. Auch Lockerungen für Geimpfte und Genesene sind nach der Entscheidung des Bundesrats am Freitag nun in Sicht. Wie wirkt sich das auf den Alltag in den Einrichtungen aus?
Im Landkreis Tuttlingen leben mehr als 1300 Menschen in stationären Pflege- und Behinderteneinrichtungen. Sie werden dort von mehr als 1500 Mitarbeitenden versorgt. Seit Beginn der Coronapandemie sind kreisweit 70 Pflegebedürftige dieser Einrichtungen an oder mit Covid-19 verstorben, etwas mehr als 200 waren infiziert, unter den Angestellten gab es insgesamt gut 90 Fälle, wie das Landratsamt auf Nachfrage mitteilt. Aktuell aber ein Lichtblick: Trotz hoher Inzidenz gibt es laut aktuellen Zahlen unter den Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeheimen keine Infizierten, unter den Mitarbeitenden sind es momentan vier Coronafälle.
In den vergangenen Monaten sah das zeitweise noch anders aus. Zum Beispiel im Pflegeheim St. Anton in Mühlheim, das genauso wie die Pflegeheime St. Anna und das Bürgerheim in Tuttlingen von der Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn betrieben wird. Insgesamt seien in diesen drei Einrichtungen 33 Mitarbeitende und 44 Bewohnerinnen und Bewohner mit dem Coronavirus infiziert gewesen, wie Pressesprecher Harald Blocher mitteilt. Zwölf Bewohner starben an beziehungsweise mit Covid-19.
Am stärksten traf es dabei die Mühlheimer Einrichtung, obwohl diese mit aktuell 39 belegten Plätzen und 50 Mitarbeitenden das kleinste der drei Pflegeheime ist (St. Anna: 68 Bewohner/79 Mitarbeiter, Bürgerheim: 100 Bewohner/120 Mitarbeiter). Dort waren 22 Mitarbeitende und 29 Bewohnerinnen und Bewohner erkrankt, zehn von ihnen starben.
Mittlerweile sind 75 Prozent der Bewohner und 60 Prozent der Mitarbeiter in den drei Pflegeeinrichtungen geimpft. „Dort, wo viele Bewohner
infiziert waren, ist auch die Impfbeteiligung geringer. Denn wer bereits infiziert war, ist in der Impfreihenfolge zunächst nicht priorisiert“, erklärt Blocher. Gleichzeitig gebe es aber auch Bewohner und Mitarbeitende, die sich vor Nebenwirkungen sorgen oder die ihr Risiko für einen schweren Verlauf der Krankheit als niedrig einschätzen.
Das spiegelt sich auch im Zweckverband Pflegeheim Haus Wartenberg wieder. Dort stehen 388 Betreuungsplätze zur Verfügung, die von rund 400 Mitarbeitenden betreut werden. Geimpft sind bislang 163 Mitarbeitende und 272 Bewohnerinnen und Bewohner, so Direktor Manfred Wolf. Wer noch keine Impfung erhalten hat, habe laut Wolf meist Sorgen mit Blick auf mögliche Nebenwirkungen oder Langzeitschäden aufgrund fehlender Datenlage.
Der Zweckverband war in der Vergangenheit von zwei CoronaAusbrüchen betroffen, einmal im November, einmal im Januar. Insgesamt waren 34 Mitarbeitende und 88 Bewohnerinnen und Bewohner infiziert. Unter den Bewohnern verstarben 22 Personen an bzw. mit Corona.
In der Pflegeresidenz Rosengarten in Seitingen-Oberflacht hatte es laut Bürgermeister Jürgen Buhl insgesamt mehr als 30 Coronafälle gegeben, zehn Betroffene starben. Mittlerweile gehe aber auch dort das Impfen gut voran und es gebe keine aktuellen Fälle, wie Projektleiterin Tina Wernet auf Nachfrage mitteilte. Genaue Zahlen lagen kurzfristig jedoch nicht vor.
Doch wie machen sich die Impfungen in den Pflegeheimen bemerkbar? Bislang tatsächlich noch kaum, sagt Blocher. „Es ist wie auch im Privaten: Die Impfungen verbreiten einerseits Optimismus. Andererseits bestehen aufgrund der hohen Inzidenz und der Mutanten auch Sorgen. Es ist ein Mischgefühl“, beschreibt er. Hinzu komme, dass auch in den Heimen nach wie vor die Regeln der Coronaverordnung gelten. Sorglos sei da das Miteinander allein aufgrund der Impfung noch nicht. Es herrsche nach wie vor „ein Heidenrespekt und eine große Sorgfalt“.
Das bestätigt auch Wolf: „Die anhaltende Pandemielage fordert sowohl von Bewohnern, Angehörigen und vor allem den Mitarbeitenden ein Höchstmaß an Disziplin, Einsatzbereitschaft, Engagement und Verständnis.“Er erhoffe sich von den Impfungen insbesondere, dass möglicherweise auftretende Erkrankungen mild verlaufen.
Kurzfristig ist in den Pflegeheimen nicht absehbar, wie sich die am Freitag vom Bundesrat abgenickten Lockerungen für Geimpfte und Genesene im Alltag auswirken werden. „In einer Senioreneinrichtung muss es einfach sicher sein“, so die Devise, die Wernet vertritt. Egal ob Norovirus, Grippe oder Corona – die Bewohnerinnen und Bewohner mit schwachem Immunsystem sollen geschützt werden. Deshalb wolle man nicht voreilig sein, sich die neuen gesetzlichen Vorgaben erst einmal genau anschauen und dann intern entscheiden, wie künftig weiter verfahren wird. Bis dahin bleibe erst einmal alles beim Alten.
Auch in den Einrichtungen der Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn wird das so gehandhabt. „Sobald es neue Vorgaben für die Altenhilfe gibt, wird die Umsetzung besprochen und in die Wege geleitet“, stellte Blocher am Freitag in Aussicht.