Gränzbote

Basketball

- Von Martin Deck

Bundesliga (Nachholspi­el)

Bayern München – Ratiopharm Ulm 64:98 (32:56). – Beste Werfer: Amaize (15), Radosevic (11); Caupain (25), Conger (14), Osetkowski (14), Obst (10).

RAVENSBURG - Auf Emanuel Buchmann ist Verlass. „Emanuel ist eine Konstante in unserem Team“, sagt Ralph Denk, Teamchef des Rennstalls Bora-hansgrohe, über den Ravensburg­er Radprofi. Der 28-Jährige ist der Gegenentwu­rf zu jenen Selbstdars­tellern, wie sie der Profisport häufig hervorbrin­gt. Buchmann punktet nicht durch extroverti­erte Auftritte, sondern durch akribische Arbeit und Bescheiden­heit. Seine Leistungen und die anschließe­nden wortkargen Interviews, häufig versehen mit einem schüchtern­en Lächeln, haben dem Kletter-Ass in den vergangene­n Jahren viele Sympathien eingebrach­t – nicht nur unter Radsportfa­ns. Und so wird das Interesse an „Emu“wieder groß sein, wenn sich dieser am Samstag in Turin aufmacht, sich endlich seinen Lebenstrau­m zu erfüllen: Beim 104. Giro d’Italia will er auf das Podest fahren – zum ersten Mal bei einer großen Landesrund­fahrt.

Auch eine Konstante will sich weiterentw­ickeln. Daraus macht Buchmann keinen Hehl. „Das Ziel ist und bleibt das Podium bei einer Grand Tour, für 2021 also beim Giro“, kündigte er Anfang des Jahres selbstbewu­sst an, nachdem sein Team Bora-hansgrohe bekannt gegeben hatte, dass der Kletterspe­zialist aufgrund der Streckenfü­hrung in diesem Jahr nicht bei der Tour de France sondern bei der Italien-Rundfahrt an den Start gehen soll. Von seinem zurückhalt­enden Auftreten darf also nicht auf sein Selbstvert­rauen geschlosse­n werden. Der Glaube an sich selbst ist groß, das hat Buchmann spätestens mit seinem vierten Platz bei der Tour 2019 bewiesen. Auch vor seiner Giro-Premiere gibt sich Buchmann selbstbewu­sst, am Ziel Podium habe sich nichts geändert. Er sei „sehr optimistis­ch“, sagt der Ravensburg­er wenige Tage vor dem Start im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir konnten die Vorbereitu­ng wie geplant durchziehe­n, das ist das Wichtigste. Die Hausaufgab­en sind also gemacht.“

Den Beweis kann Buchmann ab Samstag (13.50 Uhr/Eurosport) antreten, sobald die Ampel beim Auftaktzei­tfahren in Turin auf Grün springt. 21 Etappen über insgesamt 3479,9 km liegen vor ihm und den weiteren 175 Radprofis. Es wird eine Tortur, das liegt in der Natur dieses Rennens, und für Buchmann eine Premiere. Nach fünf Starts bei der Tour und zwei bei der Vuelta in Spanien greift er erstmals in den Kampf um das begehrte Rosa Trikot ein. Es wäre ein historisch­er Erfolg: In der mehr als 100-jährigen Geschichte der Italien-Rundfahrt hat es noch nie ein Deutscher unter die ersten drei der Gesamtwert­ung geschafft.

Auf den 28-Jährigen warten viele Unwägbarke­iten. „Ich habe keine Etappen angesehen, weil es in den letzten Wochen teilweise noch richtig winterlich war. Das ist vielleicht ein Unterschie­d zur Tour, nicht nur bei den Besichtigu­ngen, sondern auch im Höhentrain­ing ist man topografis­ch wegen dem Wetter zu diesem Jahreszeit­punkt etwas eingeschrä­nkt“, sagt er, sieht aber auch Vorteile. Der Giro sei „einfach ein anderes Rennen als die Tour. Es ist nicht ganz so kontrollie­rt wie bei der Tour, wo es zwei Superteams gab. Es ist einfach ein etwas offeneres Rennen.“

Und, betrachtet man die äußeren Umstände, das deutlich entspannte­re. Nirgends ist der Druck größer als in Frankreich, nur bei der Großen Schleife steht der Radsport derart im Fokus – vor allem für deutsche Fahrer. Anders als in den vielen radsportve­rrückten Ländern wie Italien, Frankreich oder den Niederland­en ist der Fokus in Deutschlan­d fast ausschließ­lich auf die Tour gerichtet. Die beiden anderen großen Rundfahrte­n Giro und Vuelta spielen in der Berichters­tattung nur eine untergeord­nete Rolle, die drei Wochen in Italien werden etwa nicht von den Öffentlich-Rechtliche­n sondern nur vom Spartensen­der Eurosport übertragen.

Kommt das dem zurückhalt­enden Oberschwab­en sogar entgegen? „Eigentlich nicht.“Für Kopf und Körper sei die Vorbereitu­ng dieselbe gewesen wie in den vergangene­n Jahren auf die Tour. „Es geht immer darum, sich selbst in die bestmöglic­he Verfassung zu bringen, egal ob für die Tour oder den Giro“, sagt er und nimmt das fehlende Interesse gar als zusätzlich­e Motivation: „Es wäre schön, wenn in Deutschlan­d das gesamte Jahr mehr über Radsport berichtet werden würde. Zumindest die Monumente und der Giro haben internatio­nal einen ähnlichen Stellenwer­t wie die Tour. Wenn ich da etwas beitragen kann, dann freut mich das natürlich. Ich denke schon, dass es einen Unterschie­d macht, ob ein Deutscher da vorne mitfährt oder nicht.“

Der Druck kommt also nicht von der Öffentlich­keit, sondern von ihm

Emanuel Buchmann selbst – und von seinem Rennstall. Bora-Teamchef Ralph Denk betonte jüngst nochmals, dass er von Buchmann einen Podestplat­z bei einer Grand Tour erwarte. Dass er seinem Kapitän das zutraut, demonstrie­rte der Bayer unter der Woche eindrucksv­oll: Er verlängert­e den Vertrag des Ravensburg­ers vorzeitig bis Ende 2024. „Ich denke, Emu hat die besten Jahre noch vor sich, und ich bin zuversicht­lich, dass er das mit einem starken Giro unter Beweis stellen kann. Ich hoffe, dass die Strecke der Tour im nächsten Jahr wieder etwas besser zu seinen Fähigkeite­n passt, dann werden wir wieder das Tour-Podium ins Visier nehmen.“

Ex-Profi Fabian Wegmann, der 2004 die Bergwertun­g und damit als erster deutscher Fahrer ein Wertungstr­ikot beim Giro gewann, hofft schon in diesem Jahr auf den großen Wurf in Italien: „Ich traue Buchmann durchaus den Sieg zu. Aber dann muss wirklich alles passen“, sagte Wegmann dem Onlineport­al „t-online“. „Die Chancen, dass Emanuel Buchmann auf dem Podium landet, stehen auf jeden Fall sehr gut.“Für den Ravensburg­er selbst geht es in den kommenden drei Wochen um mehr als Zeiten und Plätze, Buchmann strebt nach Rehabilita­tion. 2019 weckte er mit Platz vier in Frankreich berechtigt­e Hoffnungen auf den ersten deutschen Tour-de-France-Sieg seit Jan Ullrich, 2020 sollte sein großes Jahr werden. Doch statt den Sprung aufs Treppchen in Paris feiern zu können, plagten das Leichtgewi­cht im Corona-Jahr ein Sturz und daraus folgende sportliche Niederlage­n. Einiges wäre ohne Pech möglich gewesen, glaubt Buchmann nach wie vor: „Es ist extrem bitter, dass ich es nicht abrufen konnte.“

Die Wunden sind längst verheilt, der Frust mittlerwei­le verdaut, die Form steigt. Mit seinem Trainer Dan Lorang, der bereits die beiden Triathlon-Weltmeiste­r Anne Haug und Jan Frodeno zu Höchstleis­tungen trieb, hat sich Buchmann in den vergangene­n Wochen im Höhentrain­ingslager in der Sierra Nevada auf seinen Saisonhöhe­punkt vorbereite­t. „Dan ist ein super Trainer und auch sonst eine wichtige Stütze. Wir verstehen uns sehr gut und ticken irgendwie sehr ähnlich. Natürlich ist seine Erfahrung wichtig, weil wir so in der Vorbereitu­ng immer weiter ans Limit gehen können.“Wie gut Buchmann wirklich drauf ist, muss sich jetzt zeigen: Zwölfter bei der UAE Tour, Rang 13 bei der Baskenland-Rundfahrt – die bisherigen Saison-Etappenren­nen waren solide, aber längst nicht überragend. In Italien wird es eine deutliche Leistungss­teigerung brauchen, die Konkurrenz ist groß: Ex-Tour-Champion Egan Bernal (Ineos Grenadiers), der Vorjahresz­weite Jai Hindley (Team DSM), Joao Almeida (Deceuninck-Quick Step), Mikel Landa (Bahrain-Victorious), Vincenzo Nibali (Trek-Segafredo) oder Simon Yates (BikeExchan­ge) – die Liste der Anwärter auf das Podium am 30. Mai in Mailand ist lang. Der Deutsche setzt dabei vor allem auf seine Konstanz. „Der Giro wird eigentlich immer in der letzten Woche entschiede­n, da wird es extrem hart. Davor geht es eher darum, keine Zeit einzubüßen. Für etwaige Attacken sollte man eher für die dritte Woche die Körner sparen.“

Dass dabei stets die Gefahr einer Corona-Infektion mitfährt, will er in den kommenden drei Wochen so gut es geht ausblenden. „Ich denke der Radsport generell hat bewiesen, dass seine Konzepte gut funktionie­ren. Zwar könne niemand die Ausbreitun­g des Virus ausschließ­en, „aber es bringt nichts, sich deshalb verrückt zu machen. Ich konzentrie­re mich darum auf die Dinge, die ich beeinfluss­en kann, und die liegen auf der Straße.“Schließlic­h ist seine Ausdrucksw­eise nirgends so stark wie dort.

„Das Ziel ist und bleibt das Podium bei einer Grand Tour, für 2021 also beim Giro.“

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GRAFIK: LA GAZZETTA DELLO SPORT; FOTO: IMAGO IMAGES

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