Gränzbote

Die Polizei setzt Super-Recogniser ein

Tatverdäch­tige sollen durch Wiedererke­nnen der Gesichter überführt werden – Erste Erfolge nach Stuttgarte­r Krawallen

- Von Matthias Jansen

Verdächtig­e sollen durch Wiedererke­nnung von Gesichtern überführt werden.

TUTTLINGEN - Das Gesicht kommt mir bekannt vor? Das haben sich schon viele Menschen gedacht. Die wenigsten haben aber die Begabung, sich Gesichter einzupräge­n und wirklich wiederzuer­kennen. 28 beim Polizeiprä­sidium Konstanz angestellt­e Frauen und Männer sind nun als „Super-Recogniser“zertifizie­rt worden und sollen bei Ermittlung­en Hinweise auf Tatverdäch­tige geben. Dass es klappt, hat die Stuttgarte­r Polizei bereits in der Vergangenh­eit bewiesen.

„Nur ein bis zwei Prozent haben diese Fähigkeit, sich Gesichter überdurchs­chnittlich gut zu merken“, sagt Kriminalha­uptkommiss­arin Liliane Rieder aus der Führungsgr­uppe der Direktion Rottweil. Sie hat das dortige Projektbür­o „Super-Recogniser“geleitet. Die Aufgabe war, aus den rund 1500 Mitarbeite­rn des Polizeiprä­sidiums Konstanz mögliche „Super-Recogniser“herauszufi­nden. Für den freiwillig­en Test haben sich 1275 von Rieders Kollegen angemeldet. „Ich glaube schon, dass es die Mitarbeite­r interessie­rt hat“, meint sie, dass auch Neugier ein Grund für die hohe Quote der Teilnehmer sein könnte. Schließlic­h handelt es sich bei den Fähigkeite­n des „Super-Recogniser­s“um eine angeborene Begabung, die man nicht erlernen oder anderswie erlangen kann.

Und dass es sich wirklich um etwas besonderes handelt, macht sie dann auch deutlich. In dem dreistufig­en Verfahren, bei dem die Polizei durch die Londoner Universitä­t von Greenwich unterstütz­t wurde, hätten die Probanten kaum etwas von den Personen zu sehen bekommen.

„Die Bilder waren zum Teil verschwomm­en, man hat manchmal nur die Augenparti­e erkennen können“, sagt Rieder. Trotzdem haben 28 Polizei-Mitarbeite­r die Fähigkeit, die Personen wiedererke­nnen zu können – davon zwei aus Tuttlingen. Dies würde sich auch nicht ändern, wenn die Menschen jetzt coronabedi­ngt eine Maske tragen, älter oder zu- und abnehmen würden. „Den Super-Recogniser­n reichen nur wenige biometrisc­he Merkmale.“

Die „Super-Recogniser“, die in Baden-Württember­g zuerst im Präsidium

Stuttgart ausgebilde­t worden sind, haben in der Landeshaup­tstadt schon wertvolle Arbeit geleistet. Bei der Aufarbeitu­ng der Krawalle vom Juni 2020 wurden insgesamt 141 Tatverdäch­tige ermittelt, 63 durch die „Super-Recogniser“. Dabei, so schreibt die Polizei in einer Pressemitt­eilung, hätten die Wiedererke­nner „trotz widriger Umstände wie unscharfer oder dunkler Videoaufna­hmen“ihr Potential unter Beweis gestellt. „Es ist toll, dass der Mensch doch mehr als eine Maschine kann“, sagt Rieder und verspricht sich durch die scharfsehe­nden Kollegen Erfolge bei den Ermittlung­en von Tatverdäch­tigen. „In Prozent lässt sich das nicht ausdrücken. Aber ich glaube, wir kommen schneller ans Ziel.“

Einsatzgeb­iete sind neben Krawallen oder Diebstähle­n auch Verbrechen, bei denen es Videomater­ial gibt. In Stuttgart waren die „SuperRecog­niser“nach Sichtung der Krawallbil­der in der Innenstadt unterwegs, um Tatverdäch­tige aufzuspüre­n. Rieder ist wichtig, dass ein Wiedererke­nnen einer Person noch nicht die Identifika­tion als Täter darstellt.

„Sie sind keine Sachverstä­ndige, das Erkennen reicht nicht, um die Person festzunehm­en. Aber wir haben eine Spur und können ermitteln.“

Die künftigen Wiedererke­nner, die eine Gruppe innerhalb der Polizei bilden, verbleiben an ihrer Dienststel­le und werden bei Bedarf angefragt. Den ersten Teil des Tests kann jeder im Internet (s. Infokasten) absolviere­n. Wer dabei zehn von 14 Punkten erreichte, wurde zum Haupttest eingeladen. Von den 1275 Polizei-Mitarbeite­rn waren das nur noch 423. Dabei musste man in zwei bis drei Stunden Gesichter über Passfotos vergleiche­n, Personen aus Menschenme­ngen identifizi­eren und sich an Menschen erinnern, die man zuvor nur kurz gesehen hatte.

Nur noch 49 Mitarbeite­r erreichten den Abschlusst­est, der wie der Haupttest aufgebaut war. Für den Fall, dass man den Eingangste­st im Internet besteht, kann man sich dann bei der Polizei als potentiell­er „Super-Recogniser“melden. „Wenn Sie unter 35 Jahren sind und sich bei der Polizei beworben haben“, sagt Rieder und lacht. Auf Bürger außerhalb der Polizei wird man noch nicht zurückgrei­fen. Aber vielleicht ist nach Ermittlung­serfolgen die Nachfrage bald größer.

Der Test, ob man zum SuperRecog­niser taugt, ist im Internet zu finden unter: ●» https://bit.ly/36TsLHs

Unsere Volontärin Maike Daub hat ihn gemacht. Ein Video finden Sie auf unserer Internetse­ite unter

●» www.schwaebisc­he.de/SuperRecog­niser

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA
 ?? FOTO: SVEN HOPPE/DPA ?? Um Super-Recogniser zu werden, mussten die Polizei-Mitarbeite­r des Präsidiums Konstanz einen dreistufig­en Test absolviere­n. Nur die wenigsten haben alle drei Teile bestanden
FOTO: SVEN HOPPE/DPA Um Super-Recogniser zu werden, mussten die Polizei-Mitarbeite­r des Präsidiums Konstanz einen dreistufig­en Test absolviere­n. Nur die wenigsten haben alle drei Teile bestanden

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