Gränzbote

Für immer Pagenkopf

Seit mehr als 50 Jahren steht Mireille Mathieu auf der Bühne – Nun wird sie 75 Jahre alt

- Von Sabine Glaubitz

Sängerin Mireille Mathieu feiert 75. Geburtstag

PARIS (dpa) - Weder ihren schwarzen Pagenkopf noch die Farbe ihres roten Lippenstif­ts hat Mireille Mathieu in mehr als einem halben Jahrhunder­t geändert. Sie sind eins mit dem Namen der Sängerin geworden, die seit den 1960er-Jahren Lieder von Liebe, Frankreich und Paris singt. Mehr Zeitlosigk­eit und Beständigk­eit in einer Person vereint kann es kaum geben. Daran wird sich auch nichts ändern: Die Französin, die an diesem Donnerstag 75 Jahre alt wird, fühlt sich wohl, so wie sie ist.

Ihre Frisur wurde oft als Helm oder klösterlic­her Schnitt verspottet. Fragen, warum sie sie nicht ändert, ist sie gewöhnt. Das sei eine zeitlose Frisur, und sie fühle sich in ihrer Haut wohl, sagte sie einmal. In einer Welt, die immer schnellleb­iger wird, scheint um sie herum die Zeit still zu stehen. Denn seit den Sechzigerj­ahren hat sie auch jeden Musiktrend überlebt und begeistert ihre Fans.

Mireille Mathieu könnte man nicht nur wegen ihrer Unverkennb­arkeit und Zeitlosigk­eit ein Phänomen nennen. Seit über einem halben Jahrhunder­t kennt man ihren Namen, ihre Stimme, ihre Lieder – und Erfolge. Mehr als 130 Millionen Alben und 55 Millionen Singles hat sie nach Angaben auf ihrer Website verkauft, rund 1200 Chansons nahm sie in elf Sprachen auf, darunter Deutsch, Chinesisch und Finnisch. Auf Tournee geht sie regelmäßig. Im Dezember sind Konzerte in Slowenien

und Tschechien angesagt. Zu ihren Welterfolg­en gehören „Pariser Tango“, „Akropolis Adieu“und „Ganz Paris ist ein Theater“.

Doch nur wenig ist über ihr Privatlebe­n publik geworden. Von der nur 1,58 Meter großen Französin sind keine Geschichte­n oder Skandale bekannt. Geboren wurde sie am 22. Juli 1946 in Avignon in bescheiden­en Verhältnis­sen. Ihr Vater war ein Friedhofss­teinmetz und sie die Älteste von 14 Geschwiste­rn. Die Liebe zur Musik hat ihr der Vater vermacht. Er sang die ganze Zeit Opernarien, wie sie sagte. Sie habe von sich selbst als Aschenputt­el geträumt und den Besen als Mikrofon benutzt.

Ihre ersten Auftritte hatte sie schon als Kind in der Kirche und auf Festen. Weil sie unter Legastheni­e litt, verließ sie die Schule. Sie begann als Fabrikarbe­iterin ihr Geld zu verdienen und nahm früh an Talentwett­bewerben teil. Im Jahr 1964 gewann sie mit Edith Piafs „Jezebel“die Ausscheidu­ng für unbekannte Talente in Avignon. Damit begann eine kometenhaf­te Karriere. Die Sängerin ist katholisch und konservati­v. Ihre Stimme betrachtet sie als Geschenk Gottes. Sie danke ihm für dieses Geschenk, dieses Märchen, wird sie von der Zeitschrif­t „Le Journal des Femmes“zitiert. Sie sei sehr religiös und bete jeden Tag.

Die Französin lebt zusammen mit ihrer Schwester Monique in einem Stadthaus im schicken Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine. Familie ist für sie sehr wichtig. Im Jahr 2016 starb ihre Mutter, zu der sie eine enge Beziehung hatte, im Alter von 94 Jahren. Das sei ein endloser Schmerz, eine Wunde, die nicht heilen werde, erklärte sie Monate später. Die Mutter sei eine weise Frau gewesen, unermüdlic­h und immer lächelnd, so stolz auf jedes ihrer vierzehn Kinder. Was die Sängerin sonst noch über sich preisgibt? Sie meidet die Sonne, schläft durchschni­ttlich neun Stunden, isst vorzugswei­se Bioprodukt­e, raucht nicht und trinkt nur in Maßen. Über Liebe singt sie viel, redet aber kaum darüber. Natürlich habe es Männer in ihrem Leben gegeben, aber ihre Privatsphä­re sei ein geheimer Garten, sagte sie „Figaro TV“.

Mathieu gehört mit ihrer bemerkensw­erten Stimme neben Dalida und Edith Piaf gewisserma­ßen zum nationalen Kulturerbe Frankreich­s. Im Jahr 1984 erhielt sie das Bundesverd­ienstkreuz für ihre Verdienste um die deutsch-französisc­he Freundscha­ft, 1999 wurde sie Ritterin der Ehrenlegio­n in Frankreich. Zu ihren Fans gehört sogar der russische Staatschef Wladimir Putin, vor dem sie 2008 im Großen Saal des Kremlpalas­t gesungen hatte.

Eine besondere Schwäche für die kleine Französin haben die Deutschen, die die Sängerin als „Spatz von Avignon“verehren. Rund ein Drittel ihrer Alben werden in Deutschlan­d verkauft. Ihr erster auf Deutsch gesungener Hit lautete „Hinter den Kulissen von Paris“.

Sie wisse, dass manche Leute sagen, sie sei aus der Mode, sagte sie in dem „Figaro TV“-Interview weiter. Ihre Antwort darauf: Seit über 50 Jahren sei sie da, und das Publikum sei ihr immer noch treu. Und diese Liebe sei die schönste Belohnung.

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FOTO: FELIX ZAHN/DPA
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FOTO: ETIENNE GEORGE/IMAGO IMAGES Die junge Künstlerin: Mireille Mathieu im Jahr 1973 – bereits damals mit dem Pagenkopf.
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FOTO: EVENTPRESS/IMAGO IMAGES Die Sängerin im Jahr 2018: Mireille Mathieu bei einem Fernsehauf­tritt gemeinsam mit Florian Silbereise­n.

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