Und plötzlich ist er da
Der frühere Mehrheitseigner von Heckler & Koch tritt überraschend vor Gericht auf
ROTTWEIL - Andreas Heeschen ist zwar jahrelang Mehrheitsaktionär des Oberndorfer Waffenherstellers Heckler & Koch gewesen, aber zu sehen bekamen ihn nur wenige. Er galt deshalb als Phantom. Jetzt zeigte er sich vor Gericht bei einem bemerkenswerten Auftritt als Zeuge.
Am Landgericht Rottweil gerieten Richter und Gerichtsangestellte zuletzt immer mehr an den Rand der Verzweiflung. Über Jahre hinweg zogen sie so ziemlich alle Register, um Heeschen als Zeuge vorzuladen. Ohne Erfolg. Einmal kam der Brief zurück. Ein anderes Mal kam er nachweislich an der Londoner Adresse an, blieb aber ohne Antwort. So ging es weiter. Es blieb völlig unklar, wo Andreas Heeschen lebte. In der engeren Auswahl waren London, Kent, Zürich, Köln und Düsseldorf. Schließlich kam auch noch Corona dazu.
An diesem Dienstag dann ein letzter Versuch. Auf dem Parkplatz des Landgerichts keimte Hoffnung auf, als eine größere Limousine mit Chauffeur, verdunkelten Scheiben und Züricher Kennzeichen vorfährt. Oben vor dem Gerichtssaal hat sich die „Sicherheitsgruppe“der Justiz aufgebaut. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme, weil Heeschen „plausibel Sicherheitsbedenken“dargelegt habe, wie ein Sprecher des Landgerichts erklärt.
Eine Minute vor Beginn tritt ein großer Mann mit schwarzem Anzug, weißem Hemd, Krawatte und Managerkoffer herein und wünscht einen freundlichen „Guten Tag“. Es ist Andreas Heeschen, leibhaftig. „60“, sagt er auf Frage des Richters nach dem Alter. Und als Beruf gibt er „Kaufmann“an. Andere nennen ihn „Finanz-Investor“, Abteilung Hochfinanz.
Heeschen sagt vor der Kammer für Handelssachen, er könne überhaupt nicht verstehen, warum das mit seiner Vorladung nicht geklappt habe. Man könne jederzeit bei Heckler & Koch oder in seinem Kölner Büro seine Anschrift erfahren. Er habe doch überhaupt keinen Grund, sich „der deutschen Gerichtsbarkeit“zu entziehen. Richter Dirk Hornikel ist überfragt, er hat den Fall von seinem Vorgänger übernommen.
Zeuge Heeschen soll zur Aufklärung beitragen, ob Nicola Marinelli, von März 2015 bis Ende 2015 Geschäftsführer bei Heckler & Koch, die von ihm geforderte, „vertraglich vereinbarte Sonderzahlung“zusteht oder nicht. Zu Beginn des Verfahrens ging es um eine halbe Million Euro, doch diese Summe sei vom Tisch, berichtet der Richter. Knackpunkt ist, ob Marinelli, der vom Konkurrenten Rheinmetall kam, bei seiner Vertragsunterzeichnung wusste, dass Heeschen damals die Position des Vorstandsvorsitzenden innehatte und auch weiterhin ausüben wollte.
Heeschen demonstriert Aussagebereitschaft und Offenheit, wirkt abgeklärt, eloquent, selbstbewusst und bestens vorbereitet, beantwortet Fragen in ruhigem Ton. Die Waffenfirma nennt er „eine deutsche mittelständische Manufaktur“.
Vage bleibt Heeschen beim Knackpunkt: Hat Marinelli vor Dienstantritt im März 2015 gewusst, dass Heeschen weiterhin CEO bleibt? Er wisse nicht mehr genau, ob explizit besprochen worden sei, erklärt der Zeuge. Das sei auch „nicht relevant“, schließlich sei klar besprochen und festgelegt worden, dass Marinelli nach einer gewissen Einarbeitungszeit spätestens zum Jahresende 2015 die Position des CEO übernehmen werde. Dazu kam es dann nicht, der neue Geschäftsführer wurde Ende des Jahres entlassen. Marinelli hingegen beteuert vor der Handelskammer, wenn er gewusst hätte, dass Heeschen CEO bleibt, hätte er nicht unterschrieben.
Richter Hornikel macht nach mehr als drei Stunden klar, dass die Beweispflicht auf Seiten des Klägers, also Marinelli liege, lässt anklingen, dass er diese nicht für ausreichend halte und schlägt vor, dass beide Seiten sich auf eine „reale Lösung“einigen. Die Anwältinnen von Heckler & Koch lehnen brüsk ab. Der Richter will seine Entscheidung am 24. September verkünden.
Andreas Heeschen, der seine Mehrheit bei Heckler & Koch an die Luxemburger Finanzholding CDE verloren hat, der aber noch kleinere Anteile an der Waffenfirma hält, lehnt nach seiner Vernehmung das Angebot von Richter Hornikel ab, als Zuhörer das Ende mitzuverfolgen. Er lasse sich über die Anwältinnen von Heckler & Koch informieren und verzichte auf Entschädigung für Fahrtkosten und Arbeitsausfall. Dann packt er seinen Managerkoffer und verabschiedet sich mit einem freundlichen „Auf Wiedersehen“.