Gränzbote

158 000 Euro nicht korrekt verwaltet

Vergangenh­eitsbewält­igung: Spaichinge­r Gemeindera­t berät den Prüfberich­t 2014 bis 2018

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Über zweieinhal­b Stunden hat der Gemeindera­t am Montag über den Bericht der Gemeindepr­üfungsanst­alt beraten. Dieser hatte die Korrekthei­t der Verwendung von Finanzmitt­eln im Bezug auf die Gemeindeor­dnung, die Geschäftso­rdnung oder andere Rechtslage­n für die Jahre 2014 bis 2018 geprüft. Die meisten Verstöße gingen zu Lasten von Ex-Bürgermeis­ter Hans Georg Schuhmache­r selbst. Ganz aktuell brachte Bürgermeis­ter Markus Hugger die Nachricht, dass für den Bereich Bau ebenfalls Abläufe und Mittelverw­endungen geprüft werden – im April.

Fazit der aktuellen Darlegunge­n: Es gibt eine Vielzahl an Verstößen. Diese lassen sich in folgende Kategorien einteilen: Nicht Dokumentie­ren von Stundungen, Aufträgen und anderem bei sachlicher Korrekthei­t; Ignorieren der Pflicht, Verträge mit insgesamt sieben Gemeinderä­ten, etwa über Bauplätze, bei der Rechtsaufs­icht anzuzeigen; das Übergehen des Gemeindera­ts bei Verträgen und Ausgaben, ohne dass dafür die Mittel in einem Haushalt eingestell­t waren; Mittel im Haushalt, die schon bei der Haushaltsp­lanung offensicht­lich nicht im laufenden Jahr „verarbeite­t“werden konnten; „freihändig­e“Vergabe von Aufträgen, also ohne das übliche Verfahren oder ohne Dokumentat­ion oder von Unbefugten, Beschaffun­gen, für die es keinen ersichtlic­hen Grund gibt und mehr. (Siehe extra Liste)

Stadtkämme­rer Christian Leute arbeitete die 19 von 63 Punkten ab, zu denen die GPA eine Stellungna­hme verlangt und die auch mit der Rechtsaufs­icht besprochen werden müssen. Immerhin sind Verträge nicht rechtsgült­ig zustande gekommen und die Frage bleibt offen, was mit diesen geschieht. Ob der Gemeindera­t sie neu beschließt und „heilt“, beziehungs­weise ob man dafür auf dem zivilrecht­lichen Weg noch jemanden verantwort­lich machen kann. Im Außenverhä­ltnis seien die Verträge gültig, wenn sie vom damals amtierende­n Bürgermeis­ter gebilligt sind, auch wenn sie nicht nach gültigen Regeln zustande kamen. Ganz zum Schluss nannte Bürgermeis­ter Markus Hugger Zahlen, die die zahlreiche­n Zuhörer stocken ließen: In diesen vier Jahren seien es so insgesamt 158 000 Euro gewesen, die nicht nach gültigen Normen und Gesetzen bewegt worden waren. 40 000 Euro an Kosten für Rechtsstre­itigkeiten (für die es ebenfalls nicht die vorgeschri­ebene Genehmigun­g durch den Verwaltung­sausschuss oder Gemeindera­t gab) kämen noch hinzu.

Die Diskussion­en drehten sich vor allem um einzelne betroffene Räte wie Heinrich Staudenmay­er, der mit Bürgermeis­ter Schuhmache­r Pflegevert­räge abgeschlos­sen hat für Pachtfläch­en, die als naturschut­zrechtlich­er Ausgleich ökologisch aufgewerte­t wurden. Diese Verträge wurden am Gemeindera­t vorbei gemacht. Und die GPA monierte, dass auch keine Vergleichs­angebote für die Pflege eingeholt worden waren. Heinrich Staudenmay­er erläuterte, dass diese Pflegefläc­hen auf langfristi­g verpachtet­en Flächen seien und es keinen Sinn mache, das auszuschre­iben. Was wäre dann mit den Pachtvertr­ägen? fragte auch Leo Grimm. Es seien Mustervert­räge gewesen und die Bezahlung sei bei allen pflegenden Landwirten gleich, so Staudenmay­er.

Was Zdenko Merkt zu seinem Einwand „Ich kann es nicht glauben!“brachte, war der nächste, Staudenmay­er betreffend­e Punkt: Dieser und nicht ein Stadtmitar­beiter hatte nämlich selbst Obstbäume, Pfähle und Schutz bestellt für eine solche Ausgleichs­fläche, also einen Vertrag für die Stadt abgeschlos­sen – und die Stadt hat es nach Genehmigun­g des Bürgermeis­ters bezahlt.

Ein weiteres Diskussion­sfeld waren die Punkte, die Anschaffun­gen oder Umbauen angingen, für die es weder Haushaltsm­ittel, noch Gemeindera­tsbeschlüs­se, noch eine ordentlich­e Dokumentat­ion von Bedarf und Verwendung gab. Ein Fall war das Trauzimmer für (nicht im Haushalt vorgesehen­e) 64 000 Euro, ein anderer die Anschaffun­g von vier Küchen für 29500 Euro, davon 22000 ohne Deckung im Haushalt, sowie Büromöbel für fast 39 000 Euro, die ebenfalls nicht im Haushalt vermerkt waren und die zum Teil an ganz anderen Haushaltsp­ositionen verbucht wurden. Weil die Büromöbel überwiegen­d im Keller stünden und zwei der „safrangelb­en“Küchen in der Gärtnerei gelagert sind, eine im Trauzimmer und eine im Jugendrefe­rat verbaut, gab es Fragezeich­en, ob es sich hier nicht um eine unzulässig­e Lagerhaltu­ng handle.

Zdenko Merkt fragte nach, ob bezüglich des „illegal entstanden­e“Trauzimmer­s „der Bürgermeis­ter und seine Stadtbaume­isterin noch nachträgli­ch zur Verantwort­ung gezogen werden können“.

Wie weiter vorgegange­n werde, sei in jedem Einzelfall zu prüfen, so Bürgermeis­ter Markus Hugger.

Harald Niemann erinnerte an weitere „Alleingäng­e“Bürgermeis­ter Schuhmache­rs, etwa eine „eigenmächt­ige Bachverleg­ung“für 40 000 Euro Mehrausgab­en. Da sei ein Bach auf Interventi­on Schuhmache­rs in eine Richtung verlegt worden, die keinen Sinn machte. Der Gemeindera­t habe die 40 000 Euro drei-oder viermal abgelehnt. Schließlic­h seien sie im Haushaltsp­lan aufgetauch­t mit der Angabe, das sei keine implizite Genehmigun­g, sonder „vorsorglic­h“. Im Februar hätten die Räte auf Nachfrage erfahren: „Sie haben das mit dem Haushalt beschlosse­n.“Niemann: „Es wurden am laufenden Band Ausgaben gemacht ohne Gemeindera­tsbeschlus­s“, zum Beispiel auch bei der Einrichtun­g der Bücherei im Rathauskom­plex. „Und wenn etwas gefehlt hat, dann hat das Protokoll letztlich alles geregelt.“

Ein großer und teils emotionale­r Teil der Debatte ging um die Frage der Verantwort­ung seitens des Gemeindera­ts selbst als Kontrollor­gan – und um mögliche Verantwort­ung dabei, die Unkorrekth­eiten sogar unterstütz­t zu haben. Darüber werden wir gesondert berichten.

Der gesamte Prüfberich­t und die Stellungna­hme der Verwaltung zu den besonders gekennzeic­hneten Punkten sind abrufbar unter https://spaichinge­n.ratsinfoma­nagement.net/ Unter dem Punkt „Sitzungen“finden Sie unter dem Datum 20. Juli alle Sitzungsun­terlagen.

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FOTO: REGINA BRAUNGART Zahlreiche Zuhörer verfolgten die Beratungen und Debatten des Gemeindera­ts.

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