Überflutetes Moos könnte wieder Hochmoor werden
Der Biber trägt sowohl zum Hochwasser- als auch zum Klimaschutz bei - wenn er weiterbauen darf
DÜRBHEIM - Der Faulbach am Dürbheimer Moos ist eigentlich zwei Meter breit, seit der Biber aber kräftig Dämme baut, steht das Bachufer teilweise sechs Meter breit unter Wasser. Ob der Biber weiter bauen darf oder das Wasser aus den aufgestauten Gebieten zumindest teilweise abgelassen wird, ist noch nicht geklärt. Im Herbst sollen laut dem Umweltamt des Landkreises Tuttlingen weitere Abstimmungen mit den verschiedenen betroffenen Behörden getroffen werden.
Schon seit über zehn Jahren ist der Biber im Moos aktiv. „Im vorigen Jahr hat die Natur den Biber selbst geregelt, aber dieses Jahr hat es viel geregnet“, sagt Ulrich Mayer, der sich seit fünf Jahren ehrenamtlich um das Dürbheimer Moos kümmert. Wenn der Biber ohne Beeinflussung des Menschen weiter seine
Dämme baut, wird sich das
Moos verändern.
Vor allem im Sinne der
Retention beziehungsweise dem Rückstauen von Wasser wirkt sich der Biber wohl positiv auf das Moos aus. „Mehr Dämme nehmen den Wasserdruck im Bachbett gemeinsam verteilt auf, woraus sich weniger Drucklast für den einzelnen Damm ergibt. Zudem stützt das Rückstauwasser des unterhalbliegenden Dammes den oberen Damm.
Das ist vergleichbar mit Staustufe an Staustufe“, schreibt das Umweltamt auf Anfrage unserer Zeitung.
Doch nicht nur im Sinne des Hochwasserschutzes könnte die Arbeit des Bibers einen positiven Effekt haben.„Für den Klimawandel ist es gut, wenn das Moos vernässt wird“, sagt Mayer. Moore sind wichtige Kohlenstoffspeicher.
„Im Mittel speichern Moore circa 700 Tonnen Kohlenstoff je Hektar, sechsmal mehr als ein Hektar Wald“, schreibt etwa die Landesanstalt für Umwelt- und Messungen BadenWürttemberg (LUBW). Allein in den Mooren in Baden-Württemberg seien damit geschätzt fast 30 Millionen Tonnen Kohlenstoff gespeichert. Weltweit gehe man davon aus, dass fast 30 Prozent des Kohlenstoffs im Boden in Mooren gebunden ist.
Wird das 65 Hektar große Dürbheimer Moos weiter vernässt, so könnte es wieder zu einem Hochmoor werden. „Das Dürbheimer Moos ist ein abgetorftes Hochmoor“, so Mayer. Wenn der Brennstoff knapp war, wurde früher Torf abgebaut und als Brennmaterial verwendet. Seit 1994 steht das Gebiet unter Naturschutz.
Ob und wie der Klimawandel das Moos beeinflussen wird, ist schwer zu sagen. „Zu dem Thema gibt es keine eindeutigen Untersuchungen. Wie beim Wetter auch kann man da auf ein einzelnes Naturschutzgebiet keine einfachen Rückschlüsse ziehen“, sagt Joachim Genser vom Regierungspräsidium Freiburg.
„Auffällig ist aber, dass sich die Verbreitung der einzelnen Tierarten verändert hat“, so Genser. So beobachte das Regierungspräsidium manche Tierarten, die früher nur in
Tieflagen im Rheintal heimisch waren. Jetzt findet man zum Beispiel Gottesanbeterinnen vereinzelt im Schwarzwald und anderen Berggebieten auf 1000 Metern Höhe.
„Besonders bei Insekten ist es sehr auffällig. Bei einem Fachgutachten im neuen Naturschutzgebiet in Möhringen gab es eine enorme Libellenvielfalt. Da waren Arten, die eigentlich auf der Schwäbischen Alb nicht vorkommen“, sagt Genser.
Ulrich Mayer sieht im Dürbheimer Moos besonders Veränderungen bei den Zugvögeln. „Manche Arten kommen mit der Hitze nicht klar, aber es gibt auch Gewinner“, erzählt Mayer. Besonders die Vögel, die in Spanien und nicht weiter weg, wie in Afrika überwintern, kämen früher zurück und würden sich an die geänderten klimatischen Bedingungen anpassen. „Die, die aus Südafrika kommen checken es aber nicht“, sagt er.
Etwa 60 bis 80 Vogelarten leben im Dürbheimer Moos, teilweise ganzjährig oder sie nutzen es als Zwischenstopp nach den Alpen, bevor sie weiter bis nach Skandinavien fliegen, und als Brutstätte.
Darunter sind auch viele gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Arten. In den 1980er- und 90er-Jahren hat das Regierungspräsidium Mitarbeiter in die Schutzgebiete geschickt, und „Inventar darüber geführt, was da ist“, erzählt Joachim Gensen. Ein Gutachten von seinem Vorvorgänger Michael Witschel listet die verschiedenen Tier- und Pflanzenarten auf, die im Dürbheimer Moos leben. Darunter sind Vogelund Libellenarten, aber auch Schmetterlinge und Kröten.
Das Moos ist zum Beispiel Laichplatz von großen Populationen der Erdkröte, des Teichmolches und Bergmolches. Für die Kröten wurde ein neuer Krötentunnel zwischen Balgheim und Drübheim gebaut. Der besondere Wert des Dürbheimer Mooses liege laut dem Bericht von Witschel „in dem großen zusammenhängenden Moor- und Feuchtwiesenkomplex, der für den Raum Tuttlingen in dieser Qualität und Ausdehnung einmalig ist.“
Da das Moos aus Teichen, gerodeten Flächen mit Tümpeln, einem kleinen Waldgebiet, Schilf und Wiesen besteht, dient er vielen Arten als Lebensraum. Eingriffe in das Moos gibt es nur wenige. „Ein Landwirt rodet manchmal die Wiesenflächen, damit nicht alles zuwächst“, sagt Ulrich Mayer. „Dann gibt es noch den Biber und die Wasserbüffel.“
Seit 2007 halten Bernd und Kerstin Flaig aus Dürbheim Wasserbüffel am Moos. Momentan sind es etwa 14 Stück. „Die Büffel machen Kuhlen, in denen sich das Wasser staut und dann liegen sie da rein. Das ist auch gut für Insekten, die sich dort aufhalten“, sagt Mayer.
Für ihn als Vogelbeobachter ist vor allem das Frühjahr spannend, wenn die meisten Vogelarten ins Dürbheimer Moos kommen und die Vegetation noch nicht so dicht ist wie im Sommer. Etwa zwei bis drei Plätze hat Mayer, an denen er mit seinem Fernglas die Vögel beobachtet. Manche erkennt er alleine am Gesang. „Zwischen März und Juni ist die Natur hier hauptsächlich sich selbst überlassen“, sagt er.