Aus Trossingen nach Salzburg
Ehemalige Leiterin der Musikhochschule ist nun Rektorin der Universität Mozarteum
TROSSINGEN/SALZBURG - Zwölf Jahre, von 2006 bis März 2018, hat Elisabeth Gutjahr die Staatliche Hochschule für Musik in Trossingen geleitet. Seit dem Sommersemester 2018 ist sie Rektorin der Universität Mozarteum in Salzburg - die ganz andere Dimensionen hat als die Trossinger Musikhochschule. Entsprechend groß ist der Arbeitsaufwand der 60-Jährigen: „Die Tage sind dicht mit wichtigen Terminen - aber ich bin sehr gerne in Salzburg.“
Mehr als 40 künstlerische und pädagogische Studienrichtungen aus den Feldern Musik, Darstellende und Bildende Kunst, 550 Lehrende, 1700 junge Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt in der Ausbildung - die Zahlen zum Mozarteum beeindrucken. „Ich musste mich rein arbeiten in die neuen Kulturbereiche, habe viele Aufführungen besucht und viele Gespräche mit Verantwortlichen geführt - hatte mich für diese Themen aber schon immer interessiert“, sagt Elisabeth Gutjahr. Etwa für Bildende Kunst und Theater, so sei sie weiterhin im Vorstand des Zimmertheaters Rottweil. Es sei „ein Herzenswunsch“gewesen, über die Musik hinaus für andere Themengebiete Verantwortung zu tragen. Deshalb werde sie auch eine zweite Amtszeit bis 2026 in Salzburg in Angriff nehmen, die erste endet nach vier Jahren; die dortigen
Gremien hätten dafür bereits grünes Licht gegeben.
Dass sie Trossingen vor dreieinhalb Jahren verließ, sei nicht geplant gewesen.
Erste Anfragen aus Österreich habe sie „nicht ernst genommen - ich dachte, die suchen eine Quotenfrau“. Auch habe sie „in Trossingen nichts gefährden wollen“. Jedoch sei sie auch seitens der hiesigen Hochschule darin bestärkt worden, diese einmalige Chance zu nutzen. Viele Grundlagen für ihr jetziges Tun habe sie in der Musikstadt erhalten. „Stehvermögen durfte ich in Trossingen
Was macht eigentlich...? lernen“, erinnert sie sich etwa an die heiße Phase, als der weitere Bestand der Musikhochschule ernsthaft gefährdet war. „Es war eine besondere Zeit, als wir bedroht waren - aus der ich viel gelernt habe.“Sie denke „sehr gerne an Trossingen zurück ich durfte unglaublich viel lernen“.
„In Salzburg geht kaum was geradeaus - es gibt immer mehrere Hürden“, beschreibt Gutjahr die dortige „Art und Weise der Gestaltung von Prozessen - mit Hinterzimmergesprächen und Gegenbewegungen“. In den vergangenen gut drei Jahren habe sie „viel Basisarbeit leisten müssen - das Haus hatte etwas den Anschluss verloren, viele Departements mussten neu aufgerichtet werden“. Dass sie „die Ärmel hochgekrempelt und gearbeitet“habe, hat sich offenbar gelohnt: Gutjahr verweist auf ein internationales Ranking von Fachdisziplinen, bei dem „bemessen wird, wie oft Einrichtungen in der Fachpresse zitiert werden“. Da habe das Mozarteum 2018 noch auf Platz 52 gestanden und sei seither kontinuierlich nach oben geklettert - auf Platz elf in diesem Jahr. Auch die finanzielle Situation sei gut, so seien „zusätzliche drei Millionen Euro akquiriert worden“. Treffen mit Sponsoren gehören zu ihren Aufgaben.
Weitere sind neben der Arbeit in diversen Gremien unter anderem ein Bauprojekt des Mozarteums für Gesangspädagogik und digitale Medien, das sie betreue. Dieses habe in Salzburg zehn Standorte, „ich habe ein Jahr gebraucht, um zu lernen, wie diese funktionieren, wo etwas zu entwickeln ist“. Ein weiterer Standort, für Musikpädagogik und Bildnerische Erziehung, sei in Innsbruck, wo sie ebenfalls regelmäßig sei. Neu aufgebaut habe sie eine Forschungsabteilung samt neu installiertem Forschungsmanager. Eine neue Erfahrung war für Elisabeth Gutjahr auch, als eine Veranstaltung im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs im Mozarteum stattfand. „Da habe ich Angela Merkel kennengelernt, eine sehr aufgeschlossene Person - das wäre in Deutschland sicher nicht passiert.“
Wie überall haben die Auswirkungen der Pandemie auch die Salzburger
Einrichtung getroffen. „Aber mit Sicherheitskonzepten konnten wir so viele Präsenzveranstaltungen wie möglich realisieren.“Weil weitere Pandemien sicher folgen würden, sei es für sie wichtig, „an die Studierenden weiterzugeben, dass sie nicht nur lernen, ein Instrument zu spielen, sondern auch zu überlegen, wie Musik eine wichtige Rolle spielen kann in einer Pandemie“.
Ein leitendes Amt bringe mit sich, „dass man eigentlich alles wissen sollte“, sagt Elisabeth Gutjahr. Schon in Trossingen habe sie „immer das Gefühl gehabt, dass die Arbeitszeit dazu nicht ausreicht, dass ich oft nur ein Halbwissen habe“. Entsprechend viel Zeit stecke sie, auch im Urlaub wie derzeit auf Helgoland, in die Information über Themen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung. „Als Rektorin muss ich mich so weit darüber kundig machen, dass ich das managen kann.“Abschalten von der Arbeit
fällt deshalb schwer, „aber das will ich auch gar nicht“, sagt sie. Sie sei in Salzburg auch privat viel unterwegs, „um Kollegen zu treffen, um darüber im Bilde zu sein, wo Kunst gerade ist“.
Bisweilen kommt es dabei zu netten Erfahrungen - etwa bei den Salzburger Festspielen, wo sie Professoren der Trossinger Hochschule wiedergetroffen habe, die dort spielten. Mit ihrer 18-jährigen Tochter, die noch zur Schule geht, und ihrem Hund hat sie eine Wohnung gemietet in einem „traumhaften älteren Haus, das nur fünf Gehminuten von meinem Büro entfernt ist“. Apropos gehen - die schöne Natur Österreichs rund um Salzburg und Innsbruck hat Elisabeth Gutjahr aus Zeitgründen bislang noch nicht wirklich erkundet. Aber künftig schon mal die Wanderstiefel zu schnüren, hat sich die 60-Jährige fest vorgenommen.