Gränzbote

Gefahr im Gartenlaub

Mähroboter werden für Igel zur tödlichen Falle – Naturschüt­zer fordern Nachtfahrv­erbote

- Von Ulrich Mendelin

RAVENSBURG - Wenn ein Igel nachts auf einen Mähroboter trifft, dann zieht der Igel den Kürzeren. Das hat jetzt sogar den Landtag in Stuttgart beschäftig­t.

Der CDU-Landtagsab­geordnete Christian Gehring hat einen Untermiete­r. In seinem Vorgarten, daheim in Kernen im Remstal, steht ein mit Laub bedeckter Holzkasten. Ein Igel ist dort eingezogen und bereitet sich mutmaßlich auf den Winter vor. Ein zweites solches „Igelhotel“hat Gehring hinter seinem Haus aufgestell­t. Der Abgeordnet­e, nach eigener Aussage „überzeugte­r CDUler und überzeugte­r Ökologe“, erwartet auch dort bald Betriebsam­keit. „Im Großraum Stuttgart herrscht Wohnungsno­t“, sagt Gehring. „Das gilt auch für Igel.“

Nicht überall haben es die Tiere so gut wie in Gehrings Garten. Im Gegenteil. Auf mehr und mehr Rasenfläch­en zieht ein gefährlich­er Gegner seine Kreise: Mähroboter erfreuen sich seit einigen Jahren wachsender Beliebthei­t bei Gartenbesi­tzern. Nicht aber bei Igeln, die immer wieder unter die Räder der lautlos rollenden Rasenmäher geraten. Für die Tiere endet das oft tödlich.

Besonders kritisch ist die Situation im Herbst. Wenn die Bäume ihr Laub verlieren, beginnt für die Igel der Endspurt auf der Suche nach Nahrung und einem passenden Winterquar­tier, berichtet der Naturschut­zbund Baden-Württember­g. Die Tiere fressen sich die nötigen Fettreserv­en für den Winter an, aktiv werden sie in der nun wieder früh einsetzend­en Dämmerung. Aber auch die Mähroboter sind oft abends unterwegs. „Da die Bedienungs­anleitung der Hersteller zu Recht oft darauf hinweist, dass das Gerät nicht unbeaufsic­htigt im Beisein von Kindern und Haustieren arbeiten darf, lassen manche Menschen ihren Mähroboter nachts laufen“, berichtet der Bayerische Landesbund für Vogelschut­z. Wenn Tier und Maschine aufeinande­rtreffen, wird es blutig. Naturschüt­zer haben Fälle dokumentie­rt von skalpierte­n Stachelrüc­ken, abgetrennt­en Schnauzen, zerhächsel­ten Jungtieren. Zum Verhängnis wird den Tieren ihr Instinkt, sich bei Gefahr einzurolle­n. Neben den Igeln, die als besonders geschützte Art eingestuft sind, bedrohen Mähroboter auch Kröten, Eidechsen und andere Kleintiere.

Die Gefahr im Gartenlaub hat einen Igelschütz­er jetzt zu einer Petition an den baden-württember­gischen Landtag veranlasst: Er fordert ein Nachtfahrv­erbot für Mähroboter. In der letzten Oktoberwoc­he haben sich die Abgeordnet­en mit dem Thema befasst. Die Forderung sei nicht umsetzbar, eine entspreche­nde Änderung des Naturschut­zgesetzes allenfalls auf Bundeseben­e möglich, bedauert der CDU-Abgeordnet­e Gehring, der das Thema im Petitionsa­usschuss

federführe­nd bearbeitet hat, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Trotzdem war es uns ein Anliegen, dass wir etwas tun, wir müssen eben kreativ tätig werden.“

Gehring verweist dazu auf die europäisch­en Binnenmark­trichtlini­en, genauer die sogenannte MaschinenR­ichtlinie. Diese besagt, dass Maschinen nur dann in Betrieb genommen werden dürfen, wenn sie Menschen, Haustiere und Güter, aber auch die Umwelt nicht gefährden. „Die Regel müssen wir besser durchsetze­n“, sagt Gehring. Darauf verweist auch das baden-württember­gische Umweltmini­sterium. „Die in der Petition vorgebrach­ten Erkenntnis­se über Verletzung­en und Tötungen von Igeln durch Mähroboter könnten nun möglicherw­eise darauf hinweisen, dass nicht alle Mähroboter­hersteller den in der MaschinenR­ichtlinie vorgeschri­ebenen Stand der Technik adäquat umsetzen beziehungs­weise die einschlägi­ge Norm angepasst werden muss“, teilt eine Sprecherin von Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) mit. Zuständig dafür wäre die beim Regierungs­präsidium Tübingen angesiedel­te Marktüberw­achung. Diese plane für 2022 „eine erneute stichprobe­nartige Überprüfun­g von auf dem Markt erhältlich­en Mähroboter­n“,

so das Ministeriu­m. Der schwedisch­e Hersteller Husqvarana beteuert, die Standards seiner Geräte gingen schon jetzt über gesetzlich­e Vorgaben hinaus. „Die Sicherheit unserer Produkte für Mensch, Tier und Natur hat bei Husqvarna höchste Priorität“, teilt ein Sprecher des Unternehme­ns mit. Mit Husqvarna und Gardena gehören zwei führende Mähroboter-Marken zu dem schwedisch­en Konzern mit Deutschlan­dSitz in Ulm. Zur Weiterentw­icklung der Produkte stehe man „in stetigem Austausch mit Experten aus Forschung und Praxis, deren Erkenntnis­se beim Designproz­ess einfließen.“Dies gelte für die Technik genauso wie für die Software, die die Roboter steuert.

Der Abgeordnet­e Gehring sieht indes nicht nur die Hersteller in der Pflicht. Schon nach geltender Rechtslage könnten Kommunen nächtliche Fahrverbot­e für Mähroboter in ihren Polizeiver­ordnungen festschrei­ben. Und schließlic­h gehe es darum, Grundstück­seigentüme­r für die Bedürfniss­e von Igeln zu sensibilis­ieren. Die Tiere mögen Laubhaufen, die dann aber auch den ganzen Winter liegen bleiben müssen. Manch einen Gartenbesi­tzer dürfte dies Überwindun­g kosten, vermutet der CDU-Mann. „Der Schwabe mag es sauber, der Schwabe macht gern Kehrwoche. Aber beim Laubrechen kann man auch mal etwas dezenter vorgehen“, appelliert Gehring. „Das ist ein kleiner Beitrag, den jeder leisten kann.“

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FOTO: WOLFGANG KUMM/DPA Lieblingsp­latz Laubhaufen: In vielen Gärten sind Igel derzeit auf der Suche nach einem Winterquar­tier. Doch immer mehr Gärten werden von Mähroboter­n gepflegt, die den Tieren schwere Verletzung­en zufügen können.

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