Ein Bus jede halbe Stunde
Mit der Mobilitätsgarantie soll auch auf dem Land das Auto überflüssig werden – In Baden-Württemberg gibt es bereits einen solchen Plan
BERLIN - Ein Bus, der stündlich von Dorf zu Dorf fährt, und das bis in die Nacht: Das ist in der Schweiz ganz normal. Dort haben die Bürger in Dörfern mit 100 Einwohnern das Recht auf ein dichtes und zuverlässiges Netz von Bussen und Bahnen. In Deutschland ist man davon noch weit entfernt. Die Verhandler einer möglichen Ampel-Koalition tüfteln gerade aus, wie sich die Mobilität auf dem Land und in den Speckgürteln der Städte so weit verbessern lässt, dass das Auto größtenteils obsolet wird und der ländliche Raum nicht abgehängt wird. Eine Idee: die Mobilitätsgarantie.
Die haben sich bereits SPD und Grüne in ihr Wahlprogramm geschrieben, die FDP hat sich bisher nicht ausdrücklich dafür ausgesprochen. Die Idee besagt, dass es mindestens einmal stündlich, besser noch alle 30 Minuten, ein Mobilitätsangebot in allen deutschen Ortschaften geben soll. Einige Bundesländer sind schon sehr weit. So haben sich Baden-Württemberg und Sachsen zu einer Mobilitätsgarantie verpflichtet. In den meisten Bundesländern ist davon noch nicht die Rede. Dabei ist die Initiative der Länder und Kommunen wichtig. Denn sie bestimmen, welche Bus- und Bahnlinien betrieben werden.
Dass der Nahverkehr auf dem Land stärker gefördert werden soll, befürwortet der Geschäftsführer des Bahn-Lobbyverbands Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Im Moment sei eine gute Versorgung der Bevölkerung auf dem Land mit Bussen und Bahnen eine freiwillige Aufgabe, sie müsse jedoch verpflichtend werden. „Erst dann haben die Bürger und Bürgerinnen eine echte Alternative zum Auto“, sagt Flege. Der BahnLobbyist rechnet nicht damit, dass eine flächendeckende Mobilitätsgarantie in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden kann. Schon eher könne sie bis zum „Ende des Jahrzehnts“realisiert werden.
Baden-Württembergs grünschwarze Landesregierung hat bereits eine Mobilitätsgarantie vereinbart. Ab 2030 soll von 5 Uhr morgens bis Mitternacht flächendeckend ein Halbstundentakt gelten. Kostenpunk, zunächst bis 2026 laut Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne): rund 600 Millionen Euro. Wie Kommunen und Land sich diese aufteilen und woher das Geld kommen soll, ist noch umstritten.
Der Bund ist zwar nicht unmittelbar für die Mobilität auf dem Land verantwortlich. Er sorgt aber über die Regionalisierungsmittel für das Geld. Längst fordern Verbände wie Allianz pro Schiene oder der Verkehrsclub Deutschland eine deutliche Aufstockung der Mittel. So könnte zum Teil auch die Mobilitätsgarantie finanziert werden. Andere Finanzierungsmöglichkeiten sehen vor, dass man Dritte – etwa Unternehmen – zur Kasse bittet.
Doch der Staat kann auch auf andere Weise finanziell unterstützen. Der Sprecher des Bahn-Konkurrenten Transdev, Tobias Heinemann, schlägt eine staatliche Förderung von Jobtickets vor. So können die rund 240 000 Landesbediensteten im Südwesten seit 2016 von einem Jobticket profitieren. Das Land erstattet dabei 25 Euro der Kosten für Abokarten in Bus und Bahn.