Musik aus Wohnzimmer und Kellerbar statt von der Bühne
Das 9. World Harmonica Festival in Trossingen fand am Wochenende online statt
TROSSINGEN (icks) – „United in Music“: Trotz der Pandemie ist Trossingen mal wieder Nabel der Mundharmonikawelt gewesen. Das 9. World Harmonica Festival fand online statt, ohne den üblichen Wettbewerb, aber mit einer großen Bandbreite an Musikstilen.
„See you in 2021!“hieß es vor vier Jahren, als die vielen Teilnehmer und Besucher des 8. Welttreffens sich verabschiedeten, um ihre zum Teil langen Heimreisen anzutreten. Doch dann kam Corona und im Frühjahr 2021 war klar, dass der diesjährige Termin abgesagt werden musste. Doch ganz so einfach wollten es sich Gerhard Müller, Präsident der in Trossingen ansässigen Fédération
Internationale de l´Harmonica (FIH), und sein Vize Steve Baker nicht machen. Sie beschlossen, das Festival unter dem Motto „United in Music“zumindest online zu organisieren.
Eine der ersten Überlegungen galt den Zeitzonen: „Wann könnte man in Asien streamen, wann in der westlichen Welt?“Als dies geklärt war, gingen Einladungen an ausgewählte Solisten und Ensembles mit der Bitte, ein etwa 30-minütiges Video zu erstellen. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich, wurden mal im heimischen Wohnzimmer oder in der Kellerbar, mal im Studio, dann wieder technisch brillant vor landschaftlicher Kulisse gefertigt.
Die Videos hintereinander abzuspielen, reichte den Präsidenten aber noch nicht: Sie wollten der Fangemeinde
auch mit Interviews dienen und die Möglichkeit für virtuelles „Meet and Greet“bieten. Drei technisch und musikalisch Versierte wurden mit ins Boot geholt: Robin Schmidt, Sebastian Lang und Malte Hübel. Und natürlich Michael Wanke, der seit Februar bei Hohner für Marketing und Kommunikation zuständig ist. Zur „Schaltzentrale“wurde der Saal der Musikschule Trossingen umfunktioniert: drei Tische voller Technik, zwei orangefarbige Sessel, ein überdimensionaler Bildschirm und zwei Rollposter. Die Interviews, meist zehn Minuten lang, wurden mit zwei Ausnahmen auf Englisch geführt.
Bei den beiden anderen stellte
Müller die Fragen auf Deutsch und Baker übersetzte. So bei dem Gespräch mit Yasuo Watani in Japan. Der 61-jährige Virtuose hatte in den Jahren 1984 bis 1988 am Hohner-Konservatorium bei Helmuth Herold studiert und war danach dort noch 14 Jahre lang als Lehrer beschäftigt, bevor es ihn wieder in seine Heimat zog. Er und Müller plauderten angeregt, unter anderem über das zweite Festival im Jahr 1989, als er Müller den 1. Platz vor der Nase wegschnappte. Für das diesjährige Festival hatte Watani ein achtsätziges Divertimento mit einem Streichquartett eingespielt – an der Bratsche seine in Trossingen geborene Tochter Ayako.
Jedes der Videos ist interessant, besonders sehenswert aber sind die des Rivet Ensembles (Die Hong Kong Harmonicas Association hatte ihre Videozeit auf vier Gruppen verteilt) und die des Sirius Ensembles aus Taiwan – ein absolutes Muss für jeden Piazzolla-Fan.
Joe Filisko und Erik Noden stellten die Techniker auf eine weitere Probe: Sie spielten live in Chicago. Die zweite Live-Einspielung erfolgte dann am Samstagabend in der Musikschule, von Steve Baker und The LiveWires. Diese beiden Auftritte werden noch aus der Hohner-Youtube-Aufzeichnung kopiert und zu den vorgefertigten Videos in die WHFSeite gestellt.