CDU siegt klar in Schleswig-Holstein
Ministerpräsident Daniel Günther kann zwischen mehreren Regierungspartnern wählen
KIEL (dpa) - Triumph für die Union, Fiasko für die SPD: Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein hat die CDU von Ministerpräsident Daniel Günther haushoch gewonnen. In den Hochrechnungen von ARD und ZDF lagen die Christdemokraten am Sonntagabend mit mehr als 43 Prozent weit vor allen anderen Parteien. Günther kann sich aussuchen, mit wem er nach fünf Jahren Jamaika-Koalition weiterregieren wird. Künftig reicht ihm ein einziger Partner. Die Wahl fällt wohl zwischen Grünen und FDP.
Die SPD stürzte auf ein für Schleswig-Holstein historisch schlechtes Ergebnis von nur noch knapp 16 Prozent
ab und bleibt in der Opposition. Sie verlor zudem den Platz als zweitstärkste Partei an die Grünen. Sicher im Landtag ist auch der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), die Partei der dänischen Minderheit. Dagegen sah es für die AfD am Abend nach einem Debakel aus: Sie lag bei beiden Sendern klar unter der Fünfprozenthürde. Damit wäre die AfD erstmals wieder aus einem Landesparlament herausgewählt.
Günther sprach vor jubelnden Anhängern von einem „enormen Vertrauensbeweis, einer enormen Unterstützung natürlich auch, auch für mich persönlich“. Der 48-Jährige kündigte an, in den nächsten Tagen
Gespräche mit beiden bisherigen Koalitionspartnern, FDP und Grüne, zu führen. Die SPD und den SSW erwähnte Günther als mögliche Partner nicht. Die Wahlbeteiligung lag nach Schätzungen bei 63 Prozent. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) machte deutlich, dass die Grünen in seinem Heimatland in der Regierung bleiben wollen. „Die Leute wollen Daniel Günther als Ministerpräsident und die Grünen in der Regierung“, sagte Habeck dem TV-Sender Welt. Schleswig-Holstein solle aber weiter ein modernes, weltoffenes und „ökologisches Vorreiterland“sein. Finanzminister Christian Lindner (FDP) verwies darauf, dass es in Kiel nun eine „bürgerliche Mehrheit der Mitte von Union und FDP“gebe. Er sprach von einer „Günther-Wahl“.
Die Wahl im nördlichsten Bundesland hat Strahlkraft weit über Schleswig-Holstein hinaus. Für die CDU bedeutete dies nach einer Serie von Niederlagen im Bund und mehreren Ländern – zuletzt im Saarland – erstmals seit nahezu einem Jahr wieder einen Erfolg. Wichtiger noch wird allerdings die Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen am nächsten Sonntag. Die NRW-Wahl wird gern auch „kleine Bundestagswahl“genannt.
KIEL (dpa) - Der Wählerwille ist glasklar: „Der nette Herr Günther“soll Schleswig-Holstein fünf weitere Jahre regieren. Mit seiner ungewöhnlich großen Beliebtheit über die CDUAnhängerschaft hinaus hat Ministerpräsident Daniel Günther (48) seine Partei bei der Landtagswahl am Sonntag zu einem triumphalen Sieg geführt – meilenweit vor SPD und Grünen. In der Wunderino-Arena, wo Handball-Rekordmeister THW Kiel meistens seine Spiele gewinnt, feiern die Christdemokraten am Abend frenetisch den erfolgreichen Titelverteidiger. „Daniel Günther, Ministerpräsident“, hallt es durch den Saal.
Günther will nun mit beiden bisherigen Koalitionspartnern, Grünen und FDP, Gespräche führen. Es gehe darum, für die nächsten fünf Jahre das beste Ergebnis für das Land zu holen. Schwarz-Grün oder SchwarzGelb – oder doch mit beiden weiter machen? Das ist für die CDU die Kernfrage.
Die laut Hochrechnungen deutlich über 40 Prozent für die Union gehen zu großen Teilen auf das Konto Günthers, der seit 2017 mit Grünen und FDP regiert. Die Grünen verdrängen mit einem Rekordergebnis erstmals im Norden die SPD auf Platz drei. Nach den Niederlagen bei der Bundestagswahl und im Saarland beschert Günther eine Woche vor der wichtigen Wahl in NRW der CDU das ersehnte Erfolgserlebnis.
Auch die Grünen fahren ihr bisher bestes Ergebnis im Land ein, ihr Erfolg ist eng verbunden mit den beiden forschen Spitzenkandidatinnen, Finanzministerin Monika Heinold (63) und Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré (29). Beide werden am Sonntagabend bei der Wahlparty enthusiastisch bejubelt. An der Basis herrscht die Hoffnung auf SchwarzGrün. „Die FDP hat nur genervt in den letzten fünf Jahren“, sagte Georg Wilkens auf der Grünen-Party in einer Kieler Brauerei. Aber ihr Ziel, stärkste Kraft zu werden und mit Heinold Günther abzulösen, verfehlen die Grünen klar.
In einem Bündnis mit der FDP könnte die CDU wohl deutlich mehr eigene Positionen durchsetzen als in einer Koalition mit den viel stärkeren Grünen. Diesen könnte daher ein bitteres Ende drohen: Rekordergebnis geholt und trotzdem Opposition.
Aber: CDU-Fraktionschef Tobias Koch würde gern mit Grünen und FDP über Jamaika II verhandeln, obwohl es für ein Zweierbündnis reicht. „Warum sollte man etwas auseinanderreißen, das fünf Jahre lang so gut geklappt hat?“, sagt er. Sein FDP-Kollege Christopher Vogt, enttäuscht über das schwache Abschneiden der Liberalen, meint dagegen: „Für eine Dreierkoalition spricht angesichts der Zahlen nicht so viel.“
Für die abgestürzte SPD mit Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller (49) ist der Ausgang der Wahl ein Fiasko. Das bisher schlechteste Ergebnis der SPD im Norden waren 25,4 Prozent im Jahr 2009 – nun liegt die Partei weit unter 20 Prozent. Die Sozialdemokraten sind bitter enttäuscht, Ex-Fraktionschef Ralf Stegner spricht von einem Debakel. In dem vom Ukraine-Krieg überlagerten Wahlkampf kamen die Genossen nicht recht in Gang und von der Bundesebene gab es keinen Rückenwind. Der trotz engagierten Wahlkampfs vielen unbekannt gebliebene ExStaatskanzleichef Losse-Müller stand gegen Günther auf verlorenem Posten.
Für die AfD zeichnete sich ein bitterer Abend ab: Die Hochrechnungen deuteten darauf hin, dass die Partei erstmals wieder aus einem Landtag gewählt wird. Jubel dagegen beim Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Die Partei der dänischen und friesischen Minderheit freute sich über das beste Ergebnis der Geschichte. Sie zieht in Fraktionsstärke in den Landtag ein und käme theoretisch auch als Koalitionspartner für die CDU in Betracht. „Wir stehen für Gespräche offen“, sagte Spitzenkandidat Lars Harms am Wahlabend.
„Günther ist so nett, den wähle ich“– nach dem Motto dürften auch Sympathisanten anderer Parteien CDU mitgewählt haben. Die Konkurrenz spürte das im Wahlkampf landesweit. Dass die so unterschiedlichen Parteien CDU, Grüne und FDP ohne Krise eine Wahlperiode durchhielten, liegt wesentlich an Günther: Der Langstreckenläufer und Handballfan löste moderierend alle Konflikte. Mit unideologischem, pragmatischem Herangehen, wie es Beteiligte schildern. Dass er wegen einer Corona-Erkrankung in der Wahlkampf-Endphase tagelang ausfiel, spielte keine Rolle.