Die erste Frau an der Spitze des DGB
Frühere SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi führt Dachverband der deutschen Einzelgewerkschaften – Turbulente Kandidatensuche
BERLIN - Die Erleichterung war Yasmin Fahimi deutlich anzumerken, als sie mit dem obligatorischen Blumenstrauß in der Hand den Beifall für ihre Wahl zur DGB-Chefin entgegennimmt. 358 stimmten für die bisherige SPD-Bundestagsabgeordnete, 26 dagegen. Macht eine Zustimmung von gut 93 Prozent. Das entspricht etwa den Ergebnissen, die ihre Vorgänger Michael Sommer und Reiner Hoffmann erzielt haben. Die 54-jährige ist in der Geschichte des Dachverbands der deutschen Einzelgewerkschaften die erste Frau an der Spitze. Zweifel am Erfolg in diesem Job kennt sie nicht. „Große Aufgaben geht man am besten mit Selbstbewusstsein und Zuversicht an“, sagt sie gleich zu Beginn ihres Grundsatzreferats über die zukünftige Ausrichtung des DGB.
Fahimi bringt viel Erfahrung in der Gewerkschaftsarbeit und in der Politik mit. Bundesweit bekannt geworden ist sie 2014, als der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel sie zur Generalsekretärin
der Partei machte. Dort hielt sie es nur ein Jahr aus. Sie konnte keine großen Akzente setzen. Das Verhältnis zu Gabriel verschlechterte sich schnell. Zudem haftete ihr der Ruf einer Quotenfrau in der Parteispitze an. Doch das war nicht das Ende ihres Aufstiegs.
Denn zu kämpfen lernte Fahimi schon früh. Sie studierte Elektrotechnik und Chemie. Letzteres schloss sie mit Diplom ab. Anfang der 2000er-Jahre wechselte sie aus der Wissenschaft in die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE). Dort stieg sie von der Gewerkschaftssekretärin zur Leiterin der Grundsatzabteilung beim Hauptvorstand auf. Mit dem Erfolg kam auch die Liebe. Sie ist seither mit dem Chef der IGBCE, Michael Vassilialidis, liiert, der bei der Kür zur DGB-Chefin noch eine wichtige Rolle spielen sollte.
Doch zunächst ging es wieder in die Politik zurück. 2017 wechselte Fahimi ins Bundesarbeitsministerium, das von der Sozialdemokratin Andrea Nahles geleitet wurde. Zudem ließ sie sich als Direktkandidatin für die Bundestagswahl in Hannover aufstellen – und holte das Mandat. Im Bundestag sitzt sie nur noch kurz. Sie wird das Mandat wegen ihrer Wahl als Vorsitzende des DGB zurückgeben.
Das gute Wahlergebnis auf dem Bundeskongress täuscht mehr Einigkeit vor, als tatsächlich vorhanden ist. Das zeigt ein kurzer Rückblick auf den Ablauf. Klar war, dass ihr Vorgänger Reiner Hoffmann in den Ruhestand geht. Daraufhin sollte die IG Metall eine Kandidatin vorschlagen. Das blieb aus. Schließlich wollte IGBCE-Chef Vassiliadis sich zur Wahl stellen, scheiterte jedoch am Widerstand der Großgewerkschaft Verdi. Irgendwie verständigten sich die Einzelgewerkschaften dann auf Fahimi. Bei einigen Gewerkschaftern machte der Vorwurf des Beziehungsklüngels die Runde.
Fahimi wird es nicht weiter stören. Sie gilt als durchsetzungsfähig und bisweilen auch ruppig im Umgangston. Und an Aufgaben mangelt es ihr im DGB nicht, wie sie gleich am beginn ihrer Grundsatzrede feststellt: „Die Tarifbindung festigen, die Mitbestimmung modernisieren, mehr Verteilungsgerechtigkeit durchsetzen, eine bessere Aus- und Weiterbildung schaffen, die überfällige Gleichstellung der Geschlechter voranbringen, prekäre Beschäftigung bekämpfen, die öffentliche Daseinsvorsorge stärken und die Systeme sozialer Sicherheit zukunftsfest aufstellen.“Nebenbei fordert die neue Spitzengewerkschafterin eine Vermögensabgabe und hohe Lohnabschlüsse angesichts steigender Preise.