Gränzbote

Biontech steht weiter hinter seinem Impfstoff

Ein Dokument aus den USA hat Fragen zu dem Serum aufgeworfe­n – Was genau dahinterst­eckt

- Von Leo Stahlberg und Sebastian Fischer

BERLIN (dpa) - Seit fast anderthalb Jahren wird der Impfstoff von Biontech weltweit gegen das Coronaviru­s eingesetzt. Millionen Menschen bietet er Schutz gegen schwerwieg­ende Covid-Erkrankung­en. Das haben viele internatio­nale Untersuchu­ngen nachgewies­en. Doch ein BiontechDo­kument aus den USA hat nun die Frage aufkommen lassen, ob der Hersteller vielleicht selbst an der Wirkung seines Produktes zweifelt. Was dahinterst­eckt.

Im Mittelpunk­t des Vorwurfs in Richtung des Pharmaunte­rnehmens aus Mainz steht dessen Bericht an die US-Börsenaufs­icht SEC (Securities and Exchange Commission) vom 30. März 2022 über das Geschäftsj­ahr 2021. Ein solcher muss nach dem USHandelsg­esetz jährlich von ausländisc­hen Aktiengese­llschaften vorgelegt werden.

Grundsätzl­ich verweist Biontech in diesem Bericht auf das „hohe Schutznive­au“der Impfung. Das Mittel biete „ein hohes Maß an Schutz gegen bedenklich­e Varianten, einschließ­lich Alpha, Beta und Delta“. Jüngste Laborstudi­en hätten zudem gezeigt, dass drei Impfdosen auch gegen die Variante Omikron wirkten, so das Unternehme­n.

Doch vor allem ein Satz im insgesamt 700 Seiten umfassende­n Papier erhitzt die Gemüter. Biontech schreibt: „Es könnte sein, dass wir nicht in der Lage sind, eine ausreichen­de Wirksamkei­t oder Sicherheit unseres Covid-19-Impfstoffs und/ oder variantens­pezifische­r Präparate nachzuweis­en, um eine dauerhafte behördlich­e Zulassung in den USA, in Großbritan­nien, in der Europäisch­en Union oder in anderen Ländern zu erhalten, in denen der Impfstoff eine Notzulassu­ng oder eine bedingte Marktzulas­sung erhalten hat.“Einige schließen daraus, dass selbst der Hersteller einräumt, ein unwirksame­s und unsicheres Mittel auf den Markt gebracht zu haben.

Doch das stimmt so nicht. Die Aussage fällt in einem Warnhinwei­s mit Vorhersage­n der Geschäftsf­ührung („Cautionary statement regarding forward-looking statements“). Diese juristisch­en Angaben sind von der Börsenaufs­icht detaillier­t vorgeschri­eben, um mögliche Schadeners­atzklagen von Investoren zu vermeiden. Im Biontech-Bericht führt diese Vorschrift dazu, dass alle denkbaren Einflüsse auf den Unternehme­nsgewinn und die geschäftli­che Entwicklun­g geschilder­t werden müssen. Damit sollen sich Investoren über sämtliche mögliche Risiken ein Bild machen können.

Zu den aufgeführt­en potenziell­en Unwägbarke­iten gehört unter anderem auch die Konkurrenz durch andere Impfstoffe und deren Effizienz, Kosten, Transport- und Lagermögli­chkeiten, Sicherheit, Nebenwirku­ngen und Beständigk­eit der Immunantwo­rt. Die Geschäftse­rgebnisse könnten auch beeinfluss­t werden etwa durch „das Ausmaß, in dem ein Covid-19-Vakzin in der Zukunft weiterhin nötig sein wird“.

Derzeit gilt für den BiontechIm­pfstoff Comirnaty in der Europäisch­en

Union eine bedingte Marktzulas­sung. Diese wurde erstmals im Dezember 2020 erteilt und im November 2021 um ein weiteres Jahr verlängert. An die Sicherheit von Covid-19-Impfstoffe­n werden von der Europäisch­en Arzneimitt­el-Agentur (EMA) dieselben Anforderun­gen gestellt wie an jeden anderen in der EU zugelassen­en Impfstoff. Bei einer bedingten Zulassung werden Daten bewertet, sobald sie verfügbar sind – und nicht erst, wenn alle Untersuchu­ngen abgeschlos­sen sind. Nach einer anfänglich­en Notfallzul­assung in den USA hatte die Arzneimitt­elbehörde FDA dem Mittel bereits im August 2021 die vollständi­ge Zulassung erteilt.

Nach aktuellem Stand der Wissenscha­ft hat Comirnaty bei Infektion mit der Delta-Variante eine Wirksamkei­t von etwa 90 Prozent gegen eine schwere Covid-19-Erkrankung. Bei der Omikron-Mutante zeigen erste Daten laut Robert-Koch-Instituts, dass der Schutz weniger gut ist. In einer von Pfizer finanziert­en Studie betrug die Wirksamkei­t nach drei Dosen gegen Krankenhau­seinweisun­gen wegen Omikron 85 Prozent innerhalb der ersten drei Monate nach der Impfung.

Sie fiel aber auf 55 Prozent nach drei Monaten oder länger. Zu keinem Zeitpunkt in der Pandemie haben namhafte Forscher behauptet, eine Corona-Impfung schütze zu 100 Prozent vor Covid-19.

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FOTO: J. STRATENSCH­ULTE/DPA Der Impfstoff Comirnaty von Biontech wird weltweit gegen das Coronaviru­s eingesetzt.

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