Gränzbote

Von Läusen und Lebern

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Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechn­et der Botschafte­r eines fremden Landes wie der Ukraine ein altes deutsches Sprachbild wieder zurück ins Bewusstsei­n bringt: die beleidigte Leberwurst. Als solche hatte neulich der ukrainisch­e Botschafte­r den deutschen Bundeskanz­ler bezeichnet, weil dieser verschnupf­t darauf reagiert hatte, dass in Kiew niemand ausdrückli­ch den Besuch des Bundespräs­identen herbeisehn­te.

Zunächst muss man sich wundern, warum es überhaupt in Fragen des Beleidigts­eins immer um die

Wurst geht, respektive die Leberwurst. Beleidigte Schwarzwur­st hört sich zwar ungewohnt, aber auch nicht schlechter an. Beleidigte Rote hingegen birgt die Gefahr, dass sich Leute angesproch­en fühlen, die gar nicht gemeint sind, etwa bei der SPD. Bei der beleidigte­n Gelbwurst könnte sich die FDP auf die liberale Wursthaut getreten fühlen. Currywurst, Blutwurst, Landjäger, Mettoder Grützwurst sowie Rostbratwu­rst böten sich ebenfalls an, beleidigt zu sein.

Sprachgele­hrte wissen, dass die beleidigte Leberwurst ihren Ursprung

im Mittelalte­r hat. Für damalige Verhältnis­se als Wissenscha­ftler geltende Leute gingen davon aus, dass menschlich­e Gefühle grundsätzl­ich in der Leber entstünden. Und dass der Zustand des Beleidigts­eins eine Emotion ist, werden selbst strenge Vegetarier nicht leugnen. Heute geht man davon aus, dass Gefühle im Bauch entstehen, daher der Begriff „Bauchgefüh­l“. Wo die Formulieru­ng von der Laus herkommt, die einem über die Leber gelaufen ist, klären wir ein andermal. (nyf)

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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Die Leberwurst muss für Sprichwört­er herhalten.

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