Kämna und die Leistungsexplosion am Ätna
Nach einer Auszeit hat der Jungstar aus Wedel beim Giro d’Italia zu seiner früheren Form zurückgefunden – Radprofi auch nach der sechsten Etappe im Blauen Trikot
CATANIA (SID) - Lennard Kämna prostete seinen Teamkollegen mit einem frischen Glas Sekt zu, bedankte sich mit einer kurzen Siegerrede für das Vertrauen in seine Fähigkeiten und genoss beim ersten Schluck den Applaus im Hotelrestaurant. Sichtlich zufrieden und auch leicht gerührt feierte der 25-Jährige vom deutschen Team Bora-hansgrohe seinen zweiten Triumph bei einer großen Landesrundfahrt nach dem EtappenErfolg bei der Tour de France 2020 und untermauerte damit noch einmal seine glänzende Form.
„Ich habe es wirklich genossen. Lasst uns jetzt den Moment genießen, Cheers“, sagte Kämna nach seinem beeindruckenden Sieg am Ätna auf der 4. Etappe des Giro d’Italia. „Ich hatte fast gedacht, ich habe es verloren. Ich bin sehr, sehr glücklich. Dieser Sieg nimmt viel Druck“, hatte Kämna bereits nach dem Rennen gesagt.
Unverkennbar, Kämna hat wieder Spaß am Radsport – angesichts eines Tiefs im Vorjahr keine Selbstverständlichkeit. Keine Tour de France, keine Olympischen Spiele, keine WM – Kämna nahm sich eine dringend benötigte Auszeit. Der Kopf, nicht die Beine bremsten ihn aus.
Zwischen Mai 2021 und Februar dieses Jahres bestritt der hochveranlagte Youngster aus Wedel kein Rennen auf der Straße. Die Unterstützung seines Teams war ihm dennoch sicher. Ralph Denk, Teammanager bei Bora, nahm sich seines Schützlings persönlich an. „Als es ihm nicht gut ging, habe ich das zur Chefsache gemacht“, sagte Denk am Mittwoch.
Bei einem langen Mittagessen im kleinen Kreis, in dem Denk selbst kochte, wurde das weitere Vorgehen besprochen. Denk legte Kämna etwa einen Start im Oktober beim Mountainbike-Rennen Cape Epic in Südafrika nahe. Die Idee, Kämna „Afrika und eine andere Disziplin in unserem Sport zu zeigen“, fruchtete. Kämna fand seine Balance wieder.
Umso stolzer ist Denk auf den Erfolg am Ätna. „Die Erleichterung ist groß beim Team und bei mir persönlich“, sagte Denk: Kämna, so der 48Jährige, sei ihm im letzten Jahr durch die ganze Geschichte mit Pause und Auszeit, „sehr, sehr ans Herz gewachsen.“Er habe persönlich „viel Energie“in das „Projekt Lennard“reingesteckt, sagte Denk: „Deshalb sind solche Siege wie gestern natürlich nochmal ein ein Stück weit emotionaler.“
Womöglich können Kämna, Denk und Bora-hansgrohe bald noch einmal jubeln. Weitere Tageserfolge auf dem Weg zum Giro-Finale am
29. Mai in Verona sind nicht auszuschließen. Auf der sechsten Etappe, beim Tagessieg des Franzose Arnaud Demare, rollte Kämna am Mittwoch nach 174 Kilometern bei Gegenwind auf der flachen Zielgeraden in der Hafenstadt Messina mit dem Hauptfeld im Schongang ins Ziel – auf Rang
75. Damit bleibt er im Gesamtklassement mit 39 Sekunden hinter dem Spanier Juan Pedro Lopez vom Team Trek-Segafredo auf Rang zwei. Der 25-Jährige verteidigte so auch die Führung in der Bergwertung und das Blaue Trikot.