Gränzbote

Bahnverban­d stellt sich auf den nächsten Ansturm ein

Das erste Wochenende mit dem Neun-Euro-Ticket lässt die Verbände zwiegespal­ten zurück

- Von Martin Oversohl und Agenturen

FREIBURG/MÜNCHEN (dpa) - Es wurde gedrängelt, geschoben, gestanden und lange, teils auch sehr lange ausgeharrt: Nach dem Andrang auf den Bahnhöfen am Pfingstwoc­henende mit Reisewelle und Neun-Euro-Ticket fordern der baden-württember­gische Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) und Verbände kurzfristi­ge Nachbesser­ungen. Sie dämpfen aber auch die Hoffnungen genervter Urlauber. „Auf die kommenden Wochenende­n und Feiertage müssen sich alle gründlich vorbereite­n und falls nötig das Angebot nachjustie­ren“, sagte der Minister am Dienstag. Es sei aber auch klar, dass die Schienenin­frastruktu­r begrenzt sei. Es gebe kaum ungenutzte Züge. „Fahrperson­al, Trassen und Züge sind kurzfristi­g nicht wesentlich steigerbar.“

Das Neun-Euro-Ticket habe gezeigt, dass die Infrastruk­tur ausgebaut und weitere Fahrzeuge gekauft werden müssten, damit mehr Menschen den Nahverkehr nutzen könnten. „Beides setzt den politische­n Willen und mehr Geld voraus“, sagte Hermann. „Deshalb war und ist es ein großer Fehler, dass die Bundesregi­erung und allen voran der Bundesverk­ehrsminist­er sich gegen eine Erhöhung der Regionalis­ierungsmit­tel entschiede­n haben“, kritisiert­e er den Ressortche­f im Bund, Volker Wissing.

Auch der Fahrgastve­rband Pro Bahn rechnet damit, dass die Bahn nach den jüngsten Erfahrunge­n an der einen oder anderen Stellschra­ube drehen wird. „Aber viel wird sie nicht machen können. So eine Aktion braucht einfach mehr Vorlauf, und die Bahn hat keine Reserven“, sagte der Landesvors­itzende des Verbands, Joachim Barth.

Viele Hauptstrec­ken in Baden-Württember­g seien bereits jetzt so überlastet, dass zusätzlich­e Züge auf den vollen Strecken nicht eingesetzt werden könnten. „Außerdem kostet das alles Geld, und es ist kein zusätzlich­es Personal da“, sagte Barth. „Da kann man nicht mal eben doppelt so viele Züge einsetzen, weil man es drei Monate lang braucht.“Es wäre sinnvoller gewesen, erst in die Infrastruk­tur zu investiere­n und dafür zu sorgen, dass eine Aktion wie das Neun-Euro-Ticket reibungslo­ser abgewickel­t werden könne.

Ähnlich sieht das die Tourismusb­ranche. „Dass die Nachfrage nach Fahrten mit dem 9-Euro-Ticket gleich am ersten Wochenende so stark war, ist grundsätzl­ich positiv“, sagte Jutta Ulrich von der Schwarzwal­d Tourismus GmbH. Es zeige aber auch, dass das Interesse an Fahrten mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln hoch sei. „Es wäre wünschensw­ert, dass gerade an den touristisc­h beliebten Strecken an Feiertagwo­chen vermehrt Sonderzüge eingesetzt werden könnten.“

In Bayern blieb das große Chaos aus: „Es hat besser funktionie­rt als gedacht“, sagte Arnulf Schuchmann, Geschäftsf­ührer bei der Bayerische­n Regiobahn. Eine Sprecherin seines Unternehme­ns berichtete von hohem Fahrgastau­fkommen, das allerdings auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit gelegen habe. Gerade Richtung Salzburg und Füssen sei die Nachfrage hoch. Man vergrößere dort die Kapazitäte­n soweit möglich.

Die laufende Rabattakti­on im deutschen Nahverkehr setzt nach Gewerkscha­ftsangaben die Beschäftig­ten unter Druck. „Das 9-Euro-Ticket über Pfingsten hat die Mitarbeite­r:innen an die Belastungs­grenze gebracht“, teilte Martin Burkert, der Vize-Vorsitzend­e der Eisenbahnu­nd Verkehrsge­werkschaft am Dienstag mit. „Größte Probleme am Wochenende waren wie erwartet überfüllte Züge, die Fahrradmit­nahme und die Durchsetzu­ng der Maskenpfli­cht.“Viele Reisende hätten sich jedoch solidarisc­h mit Beschäftig­ten verhalten.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Das Neun-Euro-Ticket für Juni ist auch am langen Fronleichn­ams-Wochenende gültig: Bahnreisen­de müssen mit vollen Zügen rechnen.

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