Netzwerk hilft bei Rettung ukrainischer Museen
Russland raubt Kulturgüter aus dem Kriegsgebiet – Aus Deutschland kommt Hilfe für die Einrichtungen
MAINZ (KNA) - Die Ukraine kämpft nicht nur um das Leben ihrer Bürger, sondern auch um ihre Kunst. Russland greift gezielt auch Kulturstätten an oder raubt Museen aus. „Die wertvollen Bestände aus Mariupol wurden als Raubgut verschleppt“, sagt der Mainzer Kunsthistoriker Matthias Müller. Im Umland von Mariupol und in Charkiw und aktuell im Donbass seien Museen, Archive und Bibliotheken angegriffen und zerstört worden.
Auf diese Taten verwies auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) während ihres Besuchs in der südukrainischen Hafenstadt Odessa. Roth sagte, „dieser Krieg ist auch ein Krieg gegen die Kultur, gegen die Kultur der Demokratie.“Nach mehr als drei Monaten Krieg seien 375 Kultureinrichtungen zerstört oder beschädigt. Auch 137 Kirchen seien betroffen. „Da wird deutlich: Es geht darum, die kulturelle Identität der Ukraine anzugreifen.“Die Staatsministerin verwies darauf, dass Deutschland in der Ukraine auch die Digitalisierung von Archivbeständen unterstütze. „Hier werden auch Bibliotheken und alte Archive angegriffen, also das Gedächtnis von Städten, von Gemeinden, von einer Gesellschaft.“
Hilfe zum Schutz des Kulturguts in der Ukraine kommt aber auch von anderen Initiativen: unter anderem aus Deutschland, vom neu gegründeten „Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine“. Was im März mit einem spontanen Transport von Spezialfeuerlöschern, Brandschutzdecken und Verpackungsmaterial anfing, entwickelte sich zu wöchentlichen Lieferungen.
Das Netzwerk, zu dem unter anderem der Deutsche Kunsthistorikerverband, Stiftungen, eine Speditionsfirma und der Feuerwehrverband Rheinland-Pfalz gehören, hält per Videokonferenz
Kontakt zu Kultureinrichtungen in der Ukraine, sammelt Material und Spenden und lässt sie mit LKW, Bussen oder der Bahn in die Ukraine bringen, wie Müller berichtet. Partner in der Ukraine sind große Häuser wie das Lemberger oder Kiewer Nationalmuseum, aber auch viele kleine Museen.
Der russische Angriff habe Kulturinstitutionen „kalt erwischt“, erklärt der Direktor des Jüdischen Museums im westukrainischen Czernowitz, Mykola Kuschnir. Sammlungen hätten weder schnell evakuiert noch ordentlich gesichert werden können. Kaum ein Museum habe Material zum Verpacken der Objekte oder feuersichere Kisten gehabt.
Das Netzwerk Kulturgutschutz verschickt nun palettenweise Klimakisten, Kartonagen, Luftpolsterfolie, Klebeband, Spezialfeuerlöscher, Holzkisten, Kettensägen; auch brandhemmende Speziallacke, die etwa Holzkirchen vor Feuer schützen sollen oder Holzplatten, um Kirchenfenster vor Splittern abzuschirmen.
Dennoch wollten die ukrainischen Partner die Kunstschätze im Land behalten. Der Transport außer Landes sei zu gefährlich. Zudem bestünden Sorgen, dass Sammlungen nicht vollständig zurückkehren – so sei es beispielsweise einigen Kiewer Museen nach dem Zeiten Weltkrieg ergangen.
Vor dem Krieg hätten Museen selbstverständlich hybride nationale Identitäten – russisch, polnisch, deutsch und ukrainisch – abgebildet. „Jetzt muss man sich bekennen“, erklärt Müller. Dazu komme das erklärte Ziel der russischen Armee, die kulturelle Überlieferung der Ukraine auszulöschen und Ansätze einer eigenen nationalen Identität zu zerstören. „Das provoziert Gegenreaktionen“, befürchtet der Kunsthistoriker – und hofft zugleich, dass das Bewusstsein vom gemeinsamen kulturellen Erbe der Staaten erhalten bleibt.