Von der Helferin zur Hilfesuchenden
Gülsen Liman hat geholfen, das Virus einzudämmen und kämpft nun immernoch mit den Folgen der eigenen Erkrankung
TUTTLINGEN - Sie hat selbst seit Beginn der Coronapandemie geholfen, das Virus einzudämmen. Am Ende hat es sie selbst erwischt. Gülsen Liman ist nach sechs Wochen langsam wieder auf dem Weg der Besserung und erzählt nun, wie sie den Perspektivwechsel erlebt hat.
„Ich hatte in den letzten beiden Jahren so viele Berührungspunkte mit Corona. Hab in der Impfstation mitgeholfen, Kinderimpftage mit organisiert und mir eigentlich nie Sorgen gemacht, dass es mich auch erwischen können“, erinnert sich Liman. Auch, als sie an einem Montag vor rund sechs Wochen plötzlich Schüttelfrost, Fieber und Halsschmerzen bekommen hatte, dachte sie nicht gleich an das Coronavirus. „Auch, weil ich bis zum Mittag des nächsten Tages immer ein negatives Testergebnis hatte“, sagt sie. Erst am Nachmittag zeigte das Teststäbchen auf einmal zwei rote Linien an. „Ich habe mich dann sofort isoliert und gehofft, dass es nicht schlimmer wird“, erinnert sich die Tuttlingerin.
Doch es wurde schlimmer: „Irgendwann bekam ich Atemnot und meine Sauerstoffsättigung sank immer weiter. Ich habe richtig Panik bekommen. Das war der Zeitpunkt, an dem ich wusste, dass ich ins Krankenhaus
muss“, sagt sie. Liman selbst arbeitet im Ambulanten Operations Zentrum (AOZ) in Tuttlingen und schulte während der letzten Monate das medizinische Fachpersonal in der Kreisimpfstation. „Ich bin selbst dreifach geimpft und habe irgendwie nicht damit gerechnet, dass ich irgendwann vom Helfenden zur Hilfesuchenden werde“, sagt sie.
25. April, an das Datum erinnert sich die Tuttlingerin noch genau. „Da wurde ich stationär aufgenommen“, sagt sie. Die ersten drei Tage sind ihr nur noch schleierhaft im Gedächtnis. An was sie sich allerdings noch sehr gut erinnern kann, ist das Personal. „Ich wurde so unfassbar gut aufgefangen. Von allen Pflegekräften und auch von meinem Arzt Dr. Jürgen Schmidt“, sagt sie. Besonders eine Situation sei ihr im Gedächtnis geblieben: „Als es mir richtig schlecht ging und ich mich pausenlos übergeben musste, kam eine Pflegekraft in Schutzkleidung zu mir ins Zimmer. Sie hat sich einfach neben mich gestellt und ihre Hand auf meine Schulter
gelegt. Das war mir in diesem Moment unglaublich viel wert“, sagt die Tuttlingerin.
Auch sechs Wochen nach dem positiven Test ist die 37-Jährige noch nicht wieder fit. „Ich habe immer noch Atemprobleme. Treppenlaufen zum Beispiel fällt mir unfassbar schwer. Auch mein Gedächtnis hat unter der Erkrankung gelitten und auch Wortfindungsschwierigkeiten habe ich bis heute“, sagt sie. Wo sie sich angesteckt hat, weiß sie nicht genau, aber „ich vermute bei der Arbeit“, sagt Liman. Denn dort käme sie häufiger mit Patienten in Kontakt. „Ich bin froh, dass ich geimpft und geboostert bin. Ich weiß nicht, wie viel schwerer der Verlauf sonst noch gewesen wäre“, sagt die 37-Jährige.
Trotz allem würde sie alles noch einmal genau so machen. „Ich würde mich wieder einbringen und helfen, das Virus einzudämmen“, sagt sie. Auch mit Blick auf den Herbst. Liman: „Viele vergessen, dass die Pandemie immer noch nicht vorbei ist“.