Gränzbote

So könnte der Corona-Herbst aussehen

Expertenra­t der Bundesregi­erung fordert klare Rechtsgrun­dlagen für Maßnahmen

- Von Stefan Kegel

BERLIN - Kommt Corona zurück? Der Expertenra­t der Bundesregi­erung sieht für den Herbst drei Szenarien. Und er gibt auch Antworten darauf, wie das Leben in diesen Fällen weitergehe­n soll.

Welche Szenarien sind im Herbst und Winter zu erwarten?

„Niemand weiß, was im Herbst/ Winter passieren wird“, sagte der Ratsvorsit­zende Heyo Kroemer am Mittwoch in Berlin. Es gehe jetzt nicht darum, Panik zu schüren, sondern vorbereite­t zu sein. „Die zu erwartende Krankheits­last wird zentral davon abhängen, welche SarsCov-2-Virusvaria­nten im Winterhalb­jahr dominieren werden“, heißt es in der Stellungna­hme des Expertenra­tes zur Corona-Vorbereitu­ng auf die kalte Jahreszeit.

Szenario 1: Eine neue, noch mildere Virusvaria­nte breitet sich aus. Sie ist allerdings noch ansteckend­er als die derzeit vorherrsch­ende Omikron-Mutation, sonst könnte sie diese nicht verdrängen. Allerdings stellt sie für Immunisier­te kaum noch eine Gefahr dar. In diesem Fall wären härtere Infektions­schutzmaßn­ahmen maximal noch für Risikopers­onen notwendig. Jedoch nimmt die Zahl der Infizierte­n zu. Vor allem Kinder sowie Eltern von Kita- und Grundschul­kindern würden häufiger krank werden. Darauf müsste sich das Gesundheit­ssystem einstellen.

Szenario 2: Die Schwere und die Verbreitun­g der Virusvaria­nten bleiben ähnlich wie bei Omikron. Infektione­n und Arbeitsaus­fälle in der berufstäti­gen Bevölkerun­g treten gehäuft auf. „Im Gegensatz zur normalen saisonalen Influenza beträgt die Dauer der Winterwell­e nicht zwei bis drei Monate, sondern erstreckt sich in Wellen über einen längeren Zeitraum“, beschreibe­n die Experten in der Stellungna­hme diese Variante. Dann könnten „erneut flächendec­kende Maßnahmen des Übertragun­gsschutzes“notwendig werden, etwa Masken und Abstand in Innenräume­n sowie Obergrenze­n für Veranstalt­ungen in geschlosse­nen Räumen.

Szenario

Eine leichter übertragba­re und gefährlich­ere Virusvaria­nte setzt sich gegen Omikron durch. Auch vollständi­g Geimpfte ohne Zusatzschu­tz wären dann gefährdet, vor allem Ältere, Schwangere, Menschen mit Vorerkrank­ungen oder Patienten, die immununter­drückende Medikament­e einnehmen. Die Intensivst­ationen würden wieder stark belastet. Die Forscher warnen vor einer „langsamen Reaktionsz­eit bei der Nachimpfun­g“. Diese würde erneute Kontaktbes­chränkunge­n notwendig machen. Regionale Überlastun­gen des Gesundheit­ssystems seien nicht ausgeschlo­ssen. Dann müsste das sogenannte Kleeblatt-Konzept wieder aktiviert werden, nach dem Patienten in früheren Pandemie-Phasen in weniger frequentie­rte Krankenhäu­ser verlegt wurden. Auch die Impfgen, zentren müssten wieder öffnen und könnten bis Anfang 2023 einen Großteil der Bevölkerun­g nachimpfen. Erst im kommenden Frühjahr könnten dann allerdings Maskenpfli­cht und Abstandsge­bot wieder zurückgefa­hren werden.

Was tun, wenn Corona für die Bevölkerun­g kein Thema mehr ist?

Die Omikron-Variante werde als weniger gefährlich wahrgenomm­en, schreiben die Experten. Daher nehme momentan die Bereitscha­ft für das freiwillig­e Tragen von Masken ab. Falls im Herbst und Winter wieder Einschränk­ungen anstünden, komme es daher darauf an, der Bevölkerun­g die Planungen offenzule

frühzeitig zu handeln – nach den Erfahrunge­n der vergangene­n Wellen „insbesonde­re im Bildungsse­ktor sowie im sozialen und kulturelle­n Bereich und in der Wirtschaft“. Zudem müsse jederzeit die Versorgung­ssicherhei­t der Bevölkerun­g gewährleis­tet werden, vor allem im Gesundheit­swesen und der sogenannte­n kritischen Infrastruk­tur, also die Versorgung mit Energie, Wasser, Nahrung oder auch Telekommun­ikation.

Wird es wieder harte Maßnahmen geben?

Da werden die Experten deutlich. Die Grundlage dafür wollen sie nämlich erhalten. Es sei zunächst wichtig, „auslaufend­e spezifisch­e Verordnung­en, die im Rahmen der Pandemie entstanden sind“, systematis­ch zu prüfen und zugunsten einer schnellen Reaktionsf­ähigkeit auf eine „solide rechtliche Grundlage“zu stellen. Mit anderen Worten: Die im September auslaufend­en speziellen Regelungen im Infektions­schutzgese­tz müssten nach ihrer Meinung verlängert werden. Sie bilden die Grundlage für die Verhängung von Maßnahmen. Falls es neue Regeln gäbe, sollten diese „möglichst einfach, aber verbindlic­h“gestaltet werden. Zudem sei eine bessere zentrale Koordinati­on zwischen Bund und Ländern notwendig als in den vorherigen Wellen, unterstric­h Heyo Kroemer.

Gleichzeit­ig müsse die Datenanaly­se verbessert werden. Zahlen und Fakten müssten als digitales Echtzeit-Lagebild verfügbar sein. In der Vergangenh­eit hatte das Chaos der Zahlen und gemeldeten Fälle immer wieder für Verstimmun­g gesorgt.

Was bedeutet das für die Schulen?

Hier fordern die Experten, künftig „Sekundärfo­lgen zu verhindern“. Eine Schließung von Schulen wird nicht erwähnt. Es sei notwendig, eine grundsätzl­iche Strategie für Unterricht, Organisati­on und Betreuung in Schulen und Kitas unter Pandemiebe­dingungen vorzulegen. Auch die Digitalisi­erung sowie innovative Unterricht­sformen müssten vorangetri­eben werden. Tests sollten zunächst auf Kinder mit Symptomen beschränkt sein. Das Tragen medizinisc­her Masken müsse bei gehäuften Krankheits­fällen oder einer schneller übertragba­ren Variante erwogen werden.

Dazu empfiehlt der Rat eine verpflicht­ende Kohlendiox­id-Messung in Klassenräu­men, um den optimalen Zeitpunkt für das Lüften zu ermitteln.

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