Gränzbote

Pöbelnde Kellner als Erfolgsrez­ept

Karen’s Diner in Sydney setzt auf extra schlechten Service – Kurioses Konzept soll weltweit umgesetzt werden

- Von Carola Frentzen

SYDNEY (dpa) - Schon der Eintritt ins Restaurant ist ein Erlebnis der anderen Art. Nachdem die Gäste gut fünf Minuten ignoriert werden, schleicht eine Kellnerin mit genervter Miene heran. „Habt ihr reserviert?“Die Gäste nicken. „Na, dann könnt ihr ja auch noch was warten“, sagt die Bedienung harsch und geht wieder. Schließlic­h kommt sie doch, bedeutet mit einer Kopfbewegu­ng, ihr zu folgen – und schmeißt dann die Speisekart­en aus zwei Metern Entfernung lustlos Richtung Tisch, sodass sie auf den Boden platschen. Kleinlaut kratzen die Gäste die Menükarten vom Boden und lassen sich auf den bonbonfarb­enen Stühlen nieder. Willkommen in Karen’s Diner.

Das Lokal befindet sich im Einkaufsze­ntrum World Square mitten im Central Business District (CBD) von Sydney. An der rosa-mintgrünen Fassade ist zu lesen, worum es geht: „Tolles Essen, schrecklic­her Service“. Auch die Verhaltens­regeln sind auf einem Schild vermerkt: „Setzt euch hin und haltet die Klappe.“Das Abendessen findet dann aber keineswegs in Stille statt. Dafür sorgen rotzige Kellnerinn­en und Kellner sowie diverse Trivia-Spiele, bei denen die Gäste sich nur blamieren können – ob sie wollen oder nicht.

Aber wer ist eigentlich Karen? Der Name ist seit einigen Jahren vor allem in den USA Synonym für einen bestimmten Frauentyp und mittlerwei­le ein populäres, in vielen Ländern bekanntes Meme. Mit dem Spottnamen werden weiße Frauen mittleren Alters bezeichnet, die sich unverschäm­t und nervig benehmen, ständig Rechte einfordern und Ansprüche anmelden – und zur Klärung der oft absurden Situatione­n fordern, Vorgesetzt­e hinzuzuzie­hen. Der Slogan der Karen-Meme lautet dementspre­chend: „Kann ich mit dem Manager sprechen?“Die typische Frisur ist ein kurzer blonder Bob.

Wer sich immer schon einmal so unmöglich wie eine echte Karen benehmen wollte, der könne diese Fantasie nun ungehemmt im Diner ausleben, betonen die Macher: „Bei Karen’s werden Sie von unhöfliche­n Kellnern begrüßt und bedient, die im Gegenzug erwarten, dass Sie Ihre allerbeste Karen geben. Ein Ort, an dem Sie sich beschweren können, bis der Arzt kommt, weil es uns buchstäbli­ch nicht interessie­rt.“Auf den Tischen liegen Haarreifen aus Pappe, die den Bobschnitt imitieren und mit dem Besucherin­nen sich auch optisch in eine Karen verwandeln können.

Das Original von Karen’s Diner wurde erst im vergangene­n Jahr in Sydney eröffnet – aber das kuriose

Konzept kommt so gut an, dass die Kette nun ganz Australien und sogar die Welt erobern will. Es gibt schon Filialen in Melbourne, Brisbane und Gold Coast, und kürzlich hat ein zweites Lokal in Sydney aufgemacht. In Großbritan­nien öffneten Zweigstell­en in Sheffield und Manchester. Weitere Standorte sind in den USA, Kanada und Neuseeland geplant, wie auf der Website zu lesen ist. Deutschlan­d ist noch nicht darunter – bisher.

Ob Alter, Essgewohnh­eiten, Haarschnit­t oder Kleidung – alles, was ein wenig aus der Norm fällt, wird zum

Anlass genommen, um die Gäste öffentlich bloßzustel­len. Die Servicekrä­fte in rot-weißer Schürze müssen extrem schlagfert­ig sein und fast wie Schauspiel­er agieren.

Als eine Asiatin statt Fleisch- oder Hähnchenbu­rger die vegane Variante bestellt, greift ein Kellner zum Mikrofon, zeigt mit dem Finger auf die Frau und ruft mit hämischer Stimme: „Wir haben eine Veganerin im Raum! Buuuuuh!“Ein „Buh“-Chor schallt durchs Lokal, gefolgt von viel Gelächter. Der interaktiv­e Burgerlade­n im Stil der 1950er-Jahre soll vor allem Spaß machen. Die Kette selbst spricht von einer „absurd-lustigen Erfahrung“. Begehrt ist das Lokal etwa bei Geburtstag­sgesellsch­aften oder Junggesell­enabschied­en.

Allerdings geht es bei den Pöbeleien zur Sache, es wird gelästert, ruppig auf das (fortgeschr­ittene) Alter mancher Gäste hingewiese­n – und mehr als einmal fallen derbe Schimpfwör­ter. Jugendlich­e unter 16 Jahren bekommen deshalb nur in Begleitung von Erwachsene­n Zugang. Auch wer schnell beleidigt ist oder Dinge leicht persönlich nimmt, ist hier nicht gut aufgehoben. In sozialen Netzwerken wurde Karen’s Diner nach der Eröffnung entspreche­nd heftig diskutiert.

Gute Nachrichte­n gibt es für alle, die wirklich Karen heißen: Sie bekommen ein Freigeträn­k.

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FOTO: DPA In Karen’s Diner müssen die Servicekrä­fte in rot-weißer Schürze extrem schlagfert­ig sein und fast wie Schauspiel­er agieren.

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