Debatte um Mehrwertsteuer
Umweltbundesamt für teureres Fleisch und billigeres Obst
DESSAU-ROSSLAU (epd/sz) - Das Umweltbundesamt hat eine sozialökologische Reform der Mehrwertsteuer gefordert. Umweltbelange würden bisher nicht bei der Ausgestaltung der Steuer berücksichtigt, kritisierte die Behörde am Donnerstag in Dessau-Roßlau. Einige Regelungen förderten gar umweltschädliches Konsumverhalten. Die im April 2022 veränderte EU-Richtlinie zur Mehrwertsteuer müsse daher für Reformen genutzt werden.
Konkret forderte das Amt, den Mehrwertsteuersatz auf pflanzliche Grundnahrungsmittel auf null Prozent zu senken. Pflanzenbasierte Milch- und Fleischersatzprodukte sollten den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent erhalten. Im Gegenzug sollten tierische Lebensmittel, bislang mit sieben Prozent besteuert, mit dem Regelsatz von 19 Prozent belegt werden. Landwirte aus der Region zeigten sich empört über den Vorstoß.
BERLIN - Es ist eine bahnbrechende Entscheidung mit gravierenden Folgen für deutsche Autofahrer: Das Europaparlament hat das Aus für den Verbrennungsmotor beschlossen. Ab 2035 werden aller Voraussicht nach Autohersteller dazu verpflichtet, die CO2-Emissionen ihrer Neuwagenflotten um 100 Prozent zu senken. Ein Verkauf neuer Pkw mit Diesel-, Benzinoder Hybridantrieb wäre dann nur noch unter hohen Strafen möglich. Ziel der Maßnahme ist es, dass Europa bis 2050 klimaneutral wird. Welche Auswirkungen hat das auf die Verbraucher? Macht Deutschland beim EU-Plan mit? Und was hat der Emissionshandel damit zu tun?
Kann ich mir noch einen Verbrenner ● kaufen?
Ja. Autos mit Verbrennungsmotoren werden bis 2035 weiter produziert und verkauft. Das gilt auch für Plugin-Hybride. Allerdings haben schon viele Autohersteller wie VW oder Mercedes-Benz voll auf Elektromobilität gesetzt und ihre Produktion umgestellt. Die Entscheidung des EU-Parlaments hat viele Unternehmen daher nicht geschockt. Die Antriebswende ist im vollen Gang. Dennoch schaffen sich heute noch viele Deutsche lieber ein Auto mit Verbrennungsmotor an als ein E-Fahrzeug. Das liegt zum ersten daran, dass man häufig bis zu einem Jahr auf ein E-Auto warten muss. Zum zweiten ist die Ladeinfrastruktur – insbesondere Schnelladesäulen – zu wenig ausgebaut, und drittens können sich viele einen Neuwagen trotz des Staatszuschusses nicht leisten.
Ist Sprit künftig noch bezahlbar?
Vieles spricht dafür, dass es nach 2035 ohnehin teuer wird, noch einen Verbrenner zu fahren. Der von der Großen Koalition beschlossene CO2Preis je Tonne ausgestoßenen Kohlendioxids sorgt dafür, dass sich die Spritkosten kontinuierlich erhöhen. Hinzu kommt, dass die Autokonzerne ihre Flotte momentan auf Elektroantriebe umstellen, auch um die bereits gültigen CO2-Flottengrenzwerte der EU einzuhalten. Das wird dazu führen, dass E-Autos im Vergleich zum Verbrenner wahrscheinlich immer rentabler werden. Sollte es in den 2030er-Jahren möglich sein, Verbrenner mit umweltfreundlichen synthetischen Kraftstoffen zu betanken, wird es sich dabei aufgrund der hohen Herstellungskosten wohl ebenfalls um eine kostspielige Angelegenheit handeln.
Hat das Parlament auch E-Fuels verboten?
Laut EU-Parlamentsbeschluss sind auch Verbrennungsmotoren verboten, die mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. Diese mit Ökostrom erzeugten Kraftstoffe sind in der Produktion klimaneutral. Ihr Einsatz im Pkw-Bereich ist aber umstritten. Denn die Produktion ist sehr teuer, und Experten gehen davon aus, dass E-Fuels im Schiffs- und Flugverkehr gebraucht werden, wo die Elektrifizierung nicht so leicht möglich ist.
Was wird aus den Zulieferern und den Arbeitsplätzen in der Autoindustrie?
„Für die Zulieferer ist die Transformation der Automobilbranche eine Riesenherausforderung“, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. „Viele haben zwar schon vor Jahren Alternativen entwickelt und ihre Produktion umgestellt. Doch gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ist die Antriebswende mit großen Umstrukturierungen verbunden“, befürchtet Bratzel.
Der CAM-Direktor hält Investitionshilfen für kleine und mittelständische Betriebe deshalb für sinnvoll.
Große Zulieferer seien darauf nicht angewiesen. Laut einer CAM-Studie könnten 20 bis 25 Prozent der 800 000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie wegfallen. Das wären 160 000 bis 200 000 Jobs. Zugleich würden aber neue Arbeitsplätze in den Bereichen Ladeinfrastruktur, Batterieproduktion und Digitalisierung entstehen. Der Auto-Experte plädiert außerdem dafür, die soziale Frage nicht aus den Augen zu verlieren. „Wenn Automobilität so teuer wird, dass sich Normalverbraucher kein Fahrzeug mehr leisten können, droht auch hierzulande eine Gelbwestenbewegung wie in Frankreich“, warnt Bratzel.
Ist die Entscheidung endgültig?
Nein. Ende Juni müssen sich die Mitgliedsstaaten auf eine Position festlegen. Danach müssen EU-Parlament und Ministerrat einen Kompromiss
finden, damit die Vorgabe in Kraft treten kann.
Was macht die Bundesregierung jetzt?
Ob Deutschland dem EU-Beschluss zustimmt, ist noch unklar. Stattdessen bahnt sich ein Streit um synthetische Kraftstoffe an. Auf der einen Seite steht die FDP, die E-Fuels auch bei neuen Verbrennern einsetzen will. Auf der anderen Seite sprechen sich die Grünen für das VerbrennerVerbot aus. Finanzminister Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing (beide FDP) verweisen auf den Koalitionsvertrag. Darin heißt es, die Bundesregierung werde sich dafür stark machen, dass „nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können“. Deshalb müsse sich die Bundesregierung laut Lindner in weiteren europäischen Verhandlungen für Technologieoffenheit einsetzen, sonst sei eine Zustimmung Deutschlands nicht vorstellbar.
An den Koalitionsvertrag wollen sich auch die Grünen halten. Der verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Stefan Gelbhaar, verweist aber auf eine andere Formulierung in der Ampel-Vereinbarung. Darin heißt es, dass die Bundesregierung den Vorschlägen der EU-Kommission folgen und ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zulassen werde. Dies würde aber den Einsatz von E-Fuels ausschließen und das Gegenteil von dem bedeuten, was die FDP will.
Außerdem sei ihr Einsatz im Straßenverkehr „hypothetisch“, sagt Gelbhaar. Denn: „Weder Wasserstofffahrzeuge noch synthetischer Kraftstoff sind aktuell im Massenmarkt verfügbar, eine diesbezügliche Änderung ist nicht zu erwarten.“Sollte es dennoch Überschussmengen an E-Fuels geben, „sollten diese für fossile Alt-Pkw und Alt-Lkw genutzt werden“, betont der Verkehrspolitiker.
SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sieht das ähnlich. Er geht davon aus, dass synthetische Kraftstoffe insbesondere für Flug-, Schiffs- und Lastverkehr vorbehalten werden. Erst wenn E-Fuels billiger werden, „können synthetische Kraftstoffe eine klimaschonende Option für den Bereich der Bestandsfahrzeuge sein“. Für ihn ist klar, dass „der Verbrennungsmotor im Pkw-Bereich vor dem Aus steht und sich die Branche weltweit auf elektrische Antriebe im motorisierten Individualverkehr“fokussiert. „Die gestrige Entscheidung ist deshalb richtig, weil sie der Industrie, der Politik und der Bevölkerung einen klaren Orientierungsrahmen und Zeithorizont gibt“, sagte er.