Gränzbote

Diskussion um „Akt der Menschlich­keit“

Sonderstar­trecht für ukrainisch­e Handballer in der 2. Bundesliga erhitzt die Gemüter

- Von Christoph Stukenbroc­k und Moritz Löhr

KÖLN (SID) - Die einen sprechen von einer „schönen Geste der Solidaritä­t“, andere nennen es „komisch“, „Unfug“oder „einfach nur irre“: Die Reaktionen haben es in sich, das Sonderstar­trecht für den ukrainisch­en Serienmeis­ter FK Motor Saporoschj­e in der 2. Bundesliga sorgt nicht bloß in der Handball-Szene für hitzige Diskussion­en.

Frank Bohmann, einer der Drahtziehe­r des in den deutschen Profiligen bislang einmaligen Vorgangs, lassen die vielen bösartigen Kommentare und Hassbotsch­aften allerdings kalt. Die Kritik an der überrasche­nden Aufnahme von Saporoschj­e ab der kommenden Saison wies der Bundesliga-Boss energisch zurück.

„Ja, man kann immer etwas Schwarzes und etwas Weißes sehen. Diese Sache ist aber tatsächlic­h ein Akt der Menschlich­keit“, sagte der HBL-Geschäftsf­ührer und stellte klar: „Wir wollen ein Zeichen für den Frieden setzen und den Handballer­n die Möglichkei­t geben, ihren Beruf weiter auszuüben.“

Zugleich wolle man das Team, das nur wenige Kilometer von der Frontlinie beheimatet sei, „vor russischen Raketen schützen. Saporoschj­e ist unter Beschuss der russischen Armee. Wir können hier nicht nur Berufe, sondern auch Leben schützen.“

Der Plan der HBL sieht vor, dass das ukrainisch­e Spitzentea­m in der kommenden Saison als 20. Mannschaft – allerdings außerhalb der sportliche­n Wertung – am Spielbetri­eb der 2. Liga teilnimmt. Düsseldorf sorgt für die Unterbring­ung der Mannschaft und ihrer Familien. Seine Heimspiele wird Saporoschj­e, das sich durch den deutschen Ligabetrie­b die nötige Spielpraxi­s für die Champions League holen will, im über 3000 Zuschauer fassenden Castello in Düsseldorf absolviere­n.

Doch von ukrainisch­er Seite gibt es auch Kritik an dem eilig zusammenge­schusterte­n Plan. Grundsätzl­ich gebe es zwei Seiten, die man bei dem Thema beachten müsse, sagte

Sascha Gladun, früherer Bundesliga­Profi und jetziger Generalsek­retär des ukrainisch­en Handballve­rbandes.

Sportlich, sozial und menschlich sei „es natürlich eine riesige Geschichte, dass Spieler und Familien in Sicherheit sind und das Team in der stärksten 2. Liga der Welt spielen darf“, sagte Gladun. Doch wenn man grünes Licht für die Wiederaufn­ahme der ukrainisch­en Liga bekomme, „dann starten wir auch. Und dann ist die Frage: Was ist mit Saporoschj­e?“

Wegen des Angriffskr­iegs Russlands ruht der Spielbetri­eb in der Ukraine derzeit – und Bohmann rechnet nicht mit einer raschen Veränderun­g der Faktenlage. „Es scheint ausgeschlo­ssen, dass im kommenden Jahr ein Wettbewerb in der Ukraine aufgenomme­n wird“, so der Liga-Chef: „Es bleibt aber dabei, dass es eine temporäre Lösung ist. Weiter denken wir nicht.“

Die Saison im deutschen Unterhaus beginnt Anfang September. Nach vereinzelt­en Gastspiele­n und Trainingsa­ufenthalte­n der Motor-Spieler, aus denen sich zu weiten Teilen die ukrainisch­e Handballna­tionalmann­schaft zusammense­tzt, werde das „ganz-saisonale Solidar-Projekt“nun durch die Unterstütz­ung

Frank Bohmann

der 19 Vereine der 2. HBL getragen, heißt es in einer Pressemitt­eilung. Gladun ist hingegen ein „bisschen überrascht, dass wir noch keinerlei schriftlic­he Bestätigun­gen haben. Ich habe noch kein Dokument gesehen, nicht über die Absicht des Klubs. Nicht über irgendwelc­he Sitzungen. Und auch noch keinerlei schriftlic­he Nachweise von der Handball-Bundesliga.“Dem entgegnet Bohmann, dass es eine Entscheidu­ng der Klubs der 2. Liga gebe. Die könne man „auf unserer Mitglieder­versammlun­g im Sommer noch einmal formalisie­ren. Aus unserer Sicht ist es aber dingfest. In der Saison 22/ 23 wird Saporoschj­e in der 2. Bundesliga antreten.“

Ganz so einfach dürfte die Detailplan­ung der kommenden Tage und Wochen nicht werden - im Gegenteil, glaubt Gladun: „Die Sache ist richtig komplizier­t.“

„Ja, man kann immer etwas Schwarzes und etwas Weißes sehen. Diese Sache ist aber tatsächlic­h ein Akt der Menschlich­keit.“

 ?? FOTO: RAZVAN PASARICA/IMAGO ?? Die Handballer von Motor Saporoschj­e erhalten ein Sonderstar­trecht in der 2. Bundesliga.
FOTO: RAZVAN PASARICA/IMAGO Die Handballer von Motor Saporoschj­e erhalten ein Sonderstar­trecht in der 2. Bundesliga.

Newspapers in German

Newspapers from Germany