Igel können sogar hüpfen
Anett und Bernd Kaiser pflegen herumirrende Igelkinder genauso wie verletzte Tiere
Tor, Schuss, Panik - Zeit fürs neue „Danke der Woche“
Es geht dieses Mal an:
Geländer.
Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass das Wort „Geländer“nicht die Steigerung von „Gelände“ist. Gelinde gesagt, hat das Geländer auf freiem Gelände praktisch nichts verloren, womit wir direkt beim heutigen Thema wären: „Wo gehört ein Geländer eigentlich hin und wo nicht?“.
Wie viele wissen, liegt ein regional bedeutsames Fußballturnier hinter uns und die Spannung in den Spielen war sehr hoch: Emotionen und packende Zweikämpfe kannten keine Grenzen. Fast. Denn das besagte Geländer ringsherum hat doch alles ziemlich schroff in die Schranken gewiesen und damit auch unbemerkt in die Duelle eingegriffen: Gefertigt für die Ewigkeit, aus verzinktem Stahl und unnachgiebig wie ein strenger Schiri, begleitete es die kraftvollen Aktionen der Spieler:innen außen. So stocksteif, dass die ständige Gefahr eines Zusammenpralls kein Wink mit dem Zaunpfahl, sondern direkt ein Mahnmal war. Natürlich möchten wir Zuschauer nahe am Spielgeschehen sitzen oder stehen. Aber wenn ein Zweikampf mit Wucht am Geländer endet, steht keiner mehr und nur der Schreck sitzt tief! Muss das sein? Könnte die Stahlkonstruktion nicht mit größerem Abstand platziert werden? Nein? Ach so. OK, ich dachte nur, ich frage mal. Schließlich ging es für mich im Fußball immer um spritzige Dynamik, statt um unflexible Reihen. Das unbewegliche Geländer passt nicht dazu. Dachten die Planer dieser Dinge denn, Spieler:innen wollten sich vielleicht mal daran festhalten? Wann? Wenn der Boden schwankt?
Schau mal: Oft hat die Wettervorhersage den Regen nicht auf dem Schirm, den wir dann literweise auf dem Schirm haben. Und wenn der Spielgrund entsprechend nass und rutschig wird, gibt’s dem Spiel Grund genug, noch gefährlicher zu sein.
Also: In einer Zeit, in der es für alles irgendwelche Bestimmungen gibt und zum Beispiel Zäune nicht zu nah am Gehweg stehen dürfen, sollten Geländer direkt am Rand eines Amateur-Fußballplatzes auch nicht erlaubt sein. Gehweg damit, sozusagen. Und wenn es unbedingt sein muss, dann sollten die Stangen für den Fall eines Falles wenigstens gepolstert sein. Sonst entstehen mindestens Fußball-Platzwunden, die vermeidbar sind.
Du ahnst es ja nicht.
Weißt du, wenn jemand im Zweikampf die Nase vorn hat und dann mit dem Kopf ans Zink knallt, können wir alle froh sein, wenn nur der Zinken gebrochen ist. Also, schauen wir weiterhin einfach nur zu, oder erkennen wir, mittendrin zu sein, im Risiko?
Naja, also Danke.
PS: Und was gibt es heute Abend noch? Schiricoree – dann haben wir den Salat.
„Das Danke der Woche Buch: Ironische GeDANKEn und Wortspiele über kuriose Alltagsthemen“von Matteo Felisoni (Selbstverlag); Taschenbuch (211 Seiten): ISBN-13: 979-8775445423 (exklusiv bei Amazon); ASIN: B09MYSTM2Y; Preis: 9,99 Euro. E-Book: ASIN: B09NCKKZBC; Preis: 4,99 Euro.
EGESHEIM - So richtig entscheiden kann man sich nicht, wen man schneller ins Herz schließt, die vierbeinigen Schützlinge oder ihre beiden zweibeinigen Helfer: Anett und Bernd Kaiser kümmern sich seit einem knappen Jahr um kranke, verletzte, zu früh aufgewachte große oder umherirrende Mini-Igel. Und das mit einer Hingabe, dass man sich gut vorstellen kann, dass allein das dem einen oder anderen Stacheltierchen das Leben gerettet haben muss. Seit vergangenem Herbst gibt es eine Igelstation bei den Kaisers in Egesheim.
Los ging alles mit Frieda. Das Igelchen war in Tuttlingen vom Enkel der beiden Kaisers in einem Gulli entdeckt worden, dem eine Sprosse fehlte. Wenige Tage später lag auch Paula da drin. Zum Glück inspizierte der Enkel den Gully nach dem ersten Mal hartnäckig weiter. „Ich wollte schon immer Igel päppeln“, sagt Anett Kaiser. Und so gaben Frieda und Paula den Startschuss für die Igelrettung in Egesheim.
Wenn man sich eine solche Aufgabe sucht, braucht man viel Fachwissen einerseits und viel Liebe andererseits. Letztere haben die Eheleute seit langem. Bevor Anett Kaiser den schrecklichen Verkehrsunfall hatte, der sie letztlich in Frührente zwang, arbeitete sie als Krankenschwester. Nach einem Nachtdienst – es ist schon viele Jahre her – fuhr sie versehentlich ein Eichhörnchen an und nahm es mit. Das Hörnchen war aber nur geschockt, flitzte im Auto rum und versteckte sich im Loch unter dem Kupplungspedal. So schlich Anett Kaiser eben im zweiten Gang nach Egesheim. „Ich wollte dem Tierchen doch nicht weh tun.“Bernd Kaiser, Zimmermann von Beruf, inzwischen aber auch aus gesundheitlichen Gründen verrentet, reagierte so, wie später auch bei den Igeln: Er baute ein Eichhörnchenhäuschen.
Auch wenn Anett Kaiser inzwischen das Päppeln der Igel, die Schulungen, die Fachliteratur, die Youtubefilme gelernt hat und sogar ein Mikroskop besitzt, um im Kot der Igel fiese Parasiten aufzuspüren, damit sie gezielt gekämpft werden können: Bernd Kaiser ist mit dem gleichen Herzblut dabei. Wenn wieder ein Igel abgegeben wird, verzieht er sich in seine gut ausgestattete Werkstatt und beginnt zu sägen und zu zimmern. Denn jeder Igel bekommt sein eigenes Häuschen zum Überwintern. Und nach dem Winterschlaf wartet ein ausgeklügeltes Futterhaus mit Leckereien auf die wieder wild umherziehenden Igel.
Das ist aber nicht nur eine unten offene Holzkiste mit Loch, sondern ein ausgeklügeltes System: Das Futterhaus hat drei Kammern. In der mittleren liegt das Futter wie Mehlwürmer, Katzenfutter ohne Getreide (denn das könnte die Tiere töten, weil sie Getreide nicht verstoffwechseln können) oder sogar auch mal ein gekochter Hähnchenschenkel. Diese Kammer steht auf einer Platte, damit sich kein Fuchs von unten hinein gräbt. Die rechte Kammer ist der Eingang, die linke der Ausgang. Der Trick: beide Ausgänge haben pendelnde Klappen. „Eine Ratte würde da also niemals reingehen, sie hasst es, wenn sich hinter ihr etwas schließt.“Igeln ist das wurscht, sie schlafen sogar am liebsten in einer Kiste mit einem labyrinthartigen Eingang.
Derzeit ist Ruhe bei den Kaisers. Los mit der Igelfürsorge geht es dann wieder im Spätsommer. „Ab Herbst ist ein Urlaub unmöglich“, sagen die beiden. Denn gerade in unseren Breiten, zumal auf dem Heuberg, wird es oft früher kalt, als es für die im jeweiligen Jahr neu geborenen Igel gut wäre. Aber wenn die Temperatur unter fünf Grad geht, suchen sich die Mütter einen Schlafplatz. Egal, ob ihr Nachwuchs schon genug angefuttert hat, um selbst schlafen zu gehen, oder nicht. Und dann irren die Kleinen tagsüber durch die Gegend und sterben, wenn sie nicht eine gute Seele aufliest.
Tagsüber herumirren ist das Stichwort. Das tun gesunde Igel nie, sagen Kaisers. Das bedeutet, wenn ein Igel tagsüber herumrennt, stimmt etwas nicht. Die erfahrene Igel-Päpplerin sieht auf den ersten Blick, ob das Tier dehydriert ist an einer Falte im Genick („Hungerknick“), oder auch wenn das Tier durch Bisse oder ein Auto oder einen Mähroboter verletzt ist. Letztere machen grausame Wunden, weshalb ein solcher Roboter niemals nachts laufen sollte, wenn die Spitzschnäuzchen unterwegs sind. Diese ziehen nämlich nachts los und fressen, was ihnen dabei so unter die Schnauze kommt: Schnecken, Spinnen, Maden, Ameisen, Grashüpfer.
Sie sorgen also für einen gesunden Garten, dezimieren viele Schädlinge – aber es gibt immer weniger. Der Grund: Straßen, Schneckenkorn, Rattengift und – viel zu aufgeräumte Gärten. Kaisers zeigen im eigenen Garten, wie leicht es ist, Winter-Unterschlupf für Igel zu bieten: ein Haufen Reisig, eine Holzbeuge und ein bisschen Laub oder Stroh oder auch ein großer, oben verschlossener, an der Seite geöffneter umgedrehter Blumentopf, fertig. Luxushäuschen sind die von Bernd Kaiser.
Elf Igel haben die Kaisers über den Winter gebracht. Die erste Frage bei der Aufnahme ist aber knallhart: Kann das Tier dank Pflege und Medikamenten überleben und ausgewildert werden? Wenn nein, weil die Verletzungen zu groß, die Krankheit zu weit fortgeschritten sind, dann muss es eingeschläfert werden. Denn es ist und bleibt ein Wildtier.
Anett Kaiser hat im Winter von verschiedenen Tierfreunden ihre Igel bekommen. Sie alle sind im Verein Igelherz e.V. zusammen geschlossen. Der hilft auch mit Rat und Tat und den angeschlossenen Tierärzten. Mit Spritzen und Zitzenaufsätzen wird verwaisten Mini-Igelchen
Nahrung zugeführt, notfalls auch im Vier-Stunden-Takt, oder auch entkräftete größere Tiere wieder aufgepäppelt. Die noch Schwachen kommen in den Keller zum Überwintern, denn sie kommen doch immer mal wieder raus und fressen: die Stabileren in den Schuppen und die Gesunden in die Winterhäuschen auf dem Rasen. Und im Frühling werden sie dort wieder laufen gelassen, wo man sie gefunden hat. „Igel haben einen guten Orientierungssinn“, sie finden sich dann auch wieder zurecht.
Die Igelstation kann schon ins Geld gehen, sagen die beiden, nicht nur wegen der Medikamente. „Ich bin schon mal im Lidl gefragt worden, was ich denn mit den 40 Eiern will“, lacht Anett Kaiser. Das Geheimnis: „Rührei geht immer“, natürlich ohne Gewürze. Ansonsten sind Igel auch Persönlichkeiten mit Vorlieben. Einen hatten sie mal, der fraß nur Huhn, aber kein Rind. Übrigens: Milch ist grundverkehrt. Wenn ganz kleine Igelchen versorgt werden müssen, dann mit einer Spezialmilch. Und jeder hat seinen eigenen Charakter, sagen Kaisers. Manche fauchen, rollen sich zusammen und manche springen sogar in die Luft. Eine ganz schön wirkungsvolle Methode, wenn eine neugierige Fuchsschnauze zu nahe kommt und dann die Stacheln zu spüren bekommt.
Aber so ein Igelchen ist eigentlich auch nur ein Mensch, könnte man meinen. Denn wenn es gefüttert wird und nicht recht will, dann hilft eines, so die Ersatz-Igelmama: „Man muss immer mit ihnen schmatzen, dann fressen sie.“