Scholz verteidigt Tankrabatt
Kanzler sieht Effekte der Steuersenkung für Treibstoffe
BERLIN (dpa/sz) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht eine teilweise Wirkung des umstrittenen Tankrabatts. Ein Regierungssprecher sagte am Montag in Berlin, die Einschätzung des Kanzlers sei, dass der Tankrabatt durchaus teilweise wirke. Es sei davon auszugehen, dass die Preise an den Tankstellen deutlich höher wären, wenn es die Steuersenkung nicht geben würde. Überlegungen, den Tankrabatt zu ändern oder zu streichen, gebe es nicht.
Der frühere Chef der Monopolkommission Daniel Zimmer sagte dagegen der „Schwäbischen Zeitung“: „Eine ökonomische Betrachtung legt nahe, dass die Konzerne die Steuersenkung nicht vollständig weitergeben.“Anfang Juni war die Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate gesenkt worden. Allerdings gibt es Kritik an den Mineralölkonzernen, weil die Spritpreise trotz der Steuersenkung deutlich zu hoch seien.
BERLIN - „Missbräuchlich überhöhte Benzinpreise“sieht Rechtsprofessor Daniel Zimmer, der ehemalige Chef der Monopolkommission, angesichts der aktuellen Situation an den Tankstellen. Der Jurist fordert die Verschärfung des Kartellrechts, Hannes Koch hat mit ihm über die Hintergründe gesprochen.
Die Tankstellen-Konzerne stehen im Verdacht, nicht die komplette Steuersenkung von etwa 30 Cent pro Liter Benzin und 14 Cent beim Diesel an die Konsumenten weiterzugeben. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will nun das Kartellrecht verschärfen. Kann das helfen?
Zunächst sollte man das geltende Recht umsetzen. Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gibt es den Paragrafen 34, der schon jetzt die Abschöpfung unrechtmäßiger Gewinne von Unternehmen ermöglicht. Wenn Habecks Vorwurf nachweisbar ist, hätten die Mineralölfirmen missbräuchlich überhöhte Preise gesetzt. Dann sollte das Bundeskartellamt offensiver rangehen.
Das Argument gegen die Unternehmen BP, Eni, Shell, Total und weitere lautet, sie hätten den Sprit an den Tankstellen stärker verteuert, als der Weltmarktpreis steigt. Einen Teil der Steuersenkung würden sie also in die eigene Tasche stecken. Sehen Sie Belege dafür?
Auf dem Markt für Benzin und Diesel agieren wenige große, marktbeherrschende Konzerne. Sie bilden ein Oligopol – das kann als erwiesen gelten. Sie orientieren sich in der Preispolitik nicht nur an ihren Kosten, sondern auch daran, was die Kunden zu zahlen bereit sind. Das ist zumindest das Verhalten, das Ökonomen von gewinnmaximierend handelnden Marktbeherrschern erwarten würden. Eine ökonomische Betrachtung legt daher nahe, dass die Konzerne sich teilweise vom Weltmarktpreis abkoppeln und die Steuersenkung nicht vollständig weitergeben.
Nach geltendem Recht ist es nötig, den Unternehmen konkrete Preisabsprachen nachzuweisen, bevor der Staat eingreifen kann, oder?
Nein. Der Nachweis von Absprachen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen wäre zwar nötig, um einen Verstoß gegen das Kartellverbot zu belegen. Neben dem Kartellverbot besteht im Kartellrecht aber auch das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen. Ein solcher Missbrauch kann insbesondere in der Forderung nach Preisen bestehen, die erheblich über denen liegen, die sich bei wirksamem Wettbewerb ergeben würden. Das gilt auch im Fall einer kollektiven Marktbeherrschung mehrerer Anbieter, von der ich auf den Kraftstoffmärkten ausgehen würde. Wenn die Konzerne bei einer auf dem sogenannten Tankrabatt beruhenden erheblichen Senkung ihrer Kosten das vorherige Preisniveau im Wesentlichen beibehalten, spricht der Anschein für die Annahme missbräuchlich überhöhter Preise.
Vor einigen Jahren wurde die sogenannte Markttransparenzstelle eingerichtet. Die Autofahrer können jederzeit nachschauen, an welcher Tankstelle es den billigsten Sprit gibt. War das ein Schuss in den Ofen?
Nein, die Verbraucher profitieren, wenn die Preise leicht vergleichbar sind. Trotzdem hält sich die Wirkung in Grenzen. Denn wir sehen das Phänomen der impliziten Koordination unter den Mineralölkonzernen. So haben die Verbraucher in bestimmten Situationen doch das Nachsehen.
Der Wirtschaftsminister will nicht nur ungerechtfertigte Gewinne der Ölkonzerne abschöpfen, sondern sie im Extremfall auch zerschlagen. Was halten Sie davon?
Das ist keine neue Idee. Die FDP wollte das in der schwarz-gelben Koalition um 2010 herum durchsetzen. Das Vorhaben traf aber auf massiven Widerstand unter anderem des Industrieverbandes BDI und war mit der Union nicht zu machen. Die Idee bestand darin, Unternehmen auch dann aufteilen zu können, wenn sie aus internem Wachstum heraus eine marktbeherrschende Stellung erlangen. Nach geltendem Recht kommt so etwas nur infrage, wenn Unternehmen sich zusammenschließen. Das ist in der Tat ein blinder Fleck des Kartellrechts, der beseitigt werden sollte.
FDP-Finanzminister Christian Lindner sagt, Mineralölkonzerne wie Eni, BP oder Shell, deren Zentralen im Ausland stehen, könne man in Deutschland gar nicht zerlegen. Stimmt das?
Würde eine neue Möglichkeit der Entflechtung nach internem Wachstum geschaffen, könnte das Kartellamt Konzerne verpflichten, eine bestimmte Anzahl von Tankstellen in Deutschland zu verkaufen. Das würde den Wettbewerb beleben.