Blasenentzündungen kommen oft wieder
Auch Kranichbeeren und Milchsäurebakterien können helfen – und ein umstrittenes Desinfektionsmittel
BREMEN - Mehr als die Hälfte aller Frauen hat mindestens einmal im Leben eine Blasenentzündung, auch Zystitis genannt. Bei etwa einem Viertel ist sie rezidivierend, kommt sie also immer wieder, und das mehrmals pro Jahr. Die Betroffenen sind oft verzweifelt. Aktuelle Studien machen jedoch Hoffnung auf ein Ende ihrer Leiden.
Manche Arzneimittel verschwinden, um dann später doch wieder zurückzukehren. Eines von ihnen ist Methenamin. Es ist eigentlich ein Desinfektionsmittel, doch Frauen wurde es früher hierzulande auch zur innerlichen Einnahme verordnet, gegen rezidivierende Blasenentzündungen. Der Grund: Wenn Methenamin in die Blase kommt, bildet sich dort das Bakterien abtötende Formalaldehyd. Doch das erwarb sich in den 1990er-Jahren den Ruf eines potenziellen Krebsauslösers. Weil zu dieser Zeit auch zunehmend Antibiotika als Alternative auf den Markt drängten, waren die Zeiten für den Blasenheiler Methanamin vorbei. Doch jetzt steht er wohl vor der Wiederauferstehung.
Ein Forscherteam um Chris Harding vom Freeman Hospital im englischen Newcastle upon Tyne behandelte 240 Frauen entweder mit Antibiotika oder aber mit zwei Tagesdosen Methenamin. Die Probandinnen hatten zuvor große Probleme mit wiederkehrenden Harnwegsinfektionen, die durchschnittlich sechsmal pro Jahr auftauchten. Doch durch die Medikamente senkte sich diese Quote binnen eines Jahres deutlich: auf etwas unter eins in der Antibiotika-Gruppe, und auf etwas über eins in der Methenamin-Gruppe. Die Verträglichkeit und Zufriedenheit mit der Behandlung war in beiden Gruppen gut, die Frauen empfanden nur die einmal tägliche Antibiotika-Einnahme als etwas angenehmer als die zwei Tagesdosen Methenamin.
Für Harding steht daher fest, dass Methenamin und Antibiotika gleichermaßen vor wiederaufflammenden Blasenentzündungen schützen. Was aber, wie der Urologe ausführt, deutlich für das Desinfektionsmittel spricht: Die Bakterien können keine Resistenz dagegen entwickeln. Im Unterschied zur Langzeitbehandlung mit Antibiotika, die „nicht nur das Risiko für Resistenzen, sondern auch für antibiotikatypische Komplikationen erhöht, wie etwa eine Infektion mit Clostridien“. Denn diese Bakterien sind besonders robust, so dass sie bei einer antibiotischen Behandlung die Oberhand im Darm gewinnen und zu schweren Durchfällen führen können.
Zur Frage des Krebsrisikos können Harding und sein Team keine Angaben machen, dazu müsste man Studien mit längerer Nachbeobachtung durchführen. Stephan Roth, Direktor der Urologie am Helios Universitätsklinikum in Wuppertal, betont jedoch, dass sich der Krebsverdacht zu Formaldehyd auf den Nasenrachenraum durch das Einatmen der Substanz beschränkt. „Und die Blase“, so der Urologe, „atmet das Formaldehyd ja nicht ein.“Im Blut hingegen löse sich die Substanz binnen Sekunden auf, weswegen Methenamin als Medikament vermutlich weitaus ungefährlicher sei als weithin befürchtet. „In den USA ist es zugelassen, und in Großbritannien und Australien kann es ebenfalls verordnet werden“, berichtet Roth.
Ob hierzulande eine Zulassung erfolgt, lässt sich nicht seriös vorhersagen. Man muss sich also bis dahin im Kampf gegen die Zystitis nach anderen Alternativen jenseits der Antibiotika umschauen– und da gibt es mittlerweile schon einiges, das Erfolg verspricht und hierzulande auch schon erhältlich ist.
Wie etwa die zahlreichen Cranberry-Produkte, die es in Apotheken und Drogeriemärkten zu kaufen gibt. Sie werden aus der Kranichbeere gewonnen, und deren Proanthocyanidine verhindern, dass sich Ecoli-Bakterien – sie sind die Hauptverantwortlichen für die Zystitis – an den Blasenwänden andocken können. In klinischen Studien zeigt Cranberry jedoch widersprüchliche Ergebnisse, was laut einer Studie von Wissenschaftlern um den Infektiologen Paul Loubet von der Université de Montpellier an der unterschiedlichen Qualität der Zubereitungen liegen dürfte. Außerdem hätten sich, so Loubet, die Proanthocyanidine im Labor als ziemlich unzuverlässig herausgestellt: „Je nach Bakterienstamm zeigten sie mal eine starke, mal eine schwache Wirkung.“
Der französische Infektiologe empfiehlt daher, Cranberry mit anderen antimikrobiellen Naturstoffen zu kombinieren, um ihre Effektivität zu erhöhen. Wie etwa mit dem Bienenprodukt Propolis. „Diese Kombination hat sich im Labor bei allen Ecoli-Stämmen als wirksam herausgestellt“, betont Loubet. Besonders die Andockfähigkeit der Keime nahm unter dem Einfluss des Bienen-Beeren-Duos ab.
Eine weitere Option wären Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat, die man sonst eher von der Kosmetik oder der Arthrose-Behandlung kennt. Sie spielen eine wichtige Rolle beim Aufbau der Schutzschicht, mit der das Innere der Harnblase ausgekleidet ist. Allerdings müssen die beiden Stoffe mittels eines Katheters direkt in die Blase eingebracht werden. Was den Vorteil hat, dass der Effekt sehr schnell eintritt. Der Nachteil sei aber, so Loubet, „dass man die Anwendung anfangs wöchentlich und später monatlich wiederholen muss“. Ganz zu schweigen davon, dass man einen Arzt für sie braucht.
Einfacher in der Handhabung ist da schon Vitamin C. Es ist entzündungshemmend und hat im Labor auch das Andocken der Bakterien blockieren können. „In klinischen Studien waren die Ergebnisse jedoch widersprüchlich“, betont Loubet. Was kein Einwand dagegen ist, einen mehrwöchigen Selbstversuch mit täglichen 100 bis 500 Milligramm des Vitamins zu starten, denn Nebenwirkungen hat es in der Regel nicht.
Besser sieht allerdings die wissenschaftliche Datenlage zu den Probiotika mit ihren Milchsäurebakterien aus. Sie produzieren, wie schon ihr Name verrät, große Mengen an Milchsäure, die wiederum Ecoli das Leben schwer macht. „Ein Problem bleibt jedoch, wie man die Blase ausreichend mit den probiotischen Kulturen besiedelt“, betont Loubet. Oral eingenommene Präparate hätten da, weil sie ja einen langen und beschwerlichen Weg durch den Verdauungstrakt hinter sich bringen müssen, weniger Chancen als jene Präparate, die über die Scheide verabreicht werden.