Landwirte klagen über zu billige Lebensmittel
Präsident des Deutschen Bauernverbands fordert für die Höfe höhere Preise – Produktionskosten steigen wegen höherer Düngerkosten
BERLIN - Viele Verbraucher in Deutschland leiden unter der hohen Inflation für Lebensmittel in den vergangenen Monaten. Eine Entspannung der Lage ist laut dem Deutschen Bauernverband (DBV) nicht zu erwarten – ganz im Gegenteil. „Wir brauchen dringend höhere Preise, um produzieren zu können“, sagt Präsident Joachim Rukwied mit Ausblick auf den Bauerntag in Lübeck. Den Landwirten sei durchaus bewusst, wie angespannt die Lage für Familien sei, „die am 25. im Monat schauen müssen, wie sie zum 30. kommen“. Aber, betont Rukwied: „In diesem Fall ist die Politik gefordert.“
Aus Sicht des Bauernpräsidenten geht das Problem tiefer. „Lebensmittel sind historisch bedingt zu günstig, die Wertschöpfung für uns Landwirte zu gering.“Sein stellvertretender Generalsekretär, Udo Hemmerling, sprach kürzlich von zweistelligen Preissteigerungen für Lebensmittel, weil die Produktionskosten der Bauern durch den hohen Preis für Stickstoffdünger durch die Decke gingen. Auf konkretere Zahlen festlegen wollte sich Rukwied nicht, das sei nicht seriös, aber er machte deutlich, dass er sich nicht nur höhere Preise wünscht. „Wir gehen davon aus, dass sie weiterhin steigen werden, weil die Preissteigerungen in den Läden noch nicht voll eingepreist worden sind.“
Der Bauerntag in Lübeck am Dienstag und Mittwoch mit mehr als 800 Teilnehmern wird der erste für Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Der DBV bewertet dessen Reise in die Ukraine vergangene Woche positiv, auch weil der Grünen-Politiker konkrete Versuche unternehme, den Weizen aus der Ukraine zu bekommen. Viel Hoffnung hat Rukwied aber nicht.
Um die geschätzten 20 bis 23 Millionen Tonnen aus der Ukraine zu bekommen, „braucht man zwingend den Seeweg“. Die Seestraßen seien allerdings vermint. Sein bitteres Fazit: „Kurzfristig wird da nichts möglich sein.“
Umso dringender, will der Bauernpräsident damit auch deutlich machen, wäre es aus seiner Sicht, dass Özdemir und sein Bundeslandwirtschaftsministerium den deutschen Bauern mehr Flächen zur Produktion von Lebensmitteln zur Verfügung stellt. Aufgrund von EU-Vorschriften zum Klimaschutz und zur Sicherung der Biodiversität dürfen vom kommenden Jahr an vier Prozent der Flächen nicht bewirtschaftet werden. „Zwei Prozent davon könnten wir sinnvoll nutzen“, sagt Rukwied. Dass der russische Außenminister Sergej Lawrow „in Nordafrika mit gestohlenem Weizen als Gutmensch auftritt, ist ein No-Go“. Jede Tonne Weizen, den Deutschland und Europa dorthin liefere, schwäche die Position Russlands.
Dieser „ethisch-moralischen Verpflichtung“, wie Rukwied es nennt, hat Özdemir allerdings schon mehrfach eine Absage erteilt. Der Landwirtschaftsminister setzt darauf, kurzfristig ökologische Vorrangflächen für die Produktion von Futter freizugeben und will mit Änderungen in der Fruchtfolge mehr Weizen produzieren.