Gränzbote

Vom Spielen mit der Realität

Verblüffen­de Technik, vieldeutig­e Themen und unterschie­dliche Stile – In der Galerie Fähre im Alten Kloster Bad Saulgau zeigen sechs Künstler ihre Meistersch­aft

- Von Dorothee L. Schaefer

BAD SAULGAU - Seit vorletzten Freitag gibt es in der Galerie Fähre in Bad Saulgau eine neue Ausstellun­g. Unter dem weiten Thema „Spielarten des Realismus“zeigen eine Malerin und vier Maler sowie eine Plastikeri­n, die fast alle zum ersten Mal hier sind, ihre Arbeiten. Es ist eine persönlich zu nennende Schau, eine „völlig subjektive Auswahl von Künstlern“die er schätze, erklärte Galerielei­ter und Kurator Andreas Ruess.

Volker Blumkowski

In seinen Werken liegt eine hintergrün­dige und doppeldeut­ige Ironie in den oft französisc­hen Titeln der Gemälde. Er malt Aquarelle, im größeren Format sowohl in Öl als auch Acryl auf Leinwand oder Bütten; seine Palette ist pastellig, oft auf gedämpften Kontrasten aufgebaut, manchmal sind trompe l’oeil-Effekte wie ein doppelt gemalter Rahmen eingefügt. Zu diesem distanzier­ten Ton passen die Motive: Da führt ein dicklicher Bauer sein Schwein in Panzersper­ren spazieren, eine „Segnende Hand“schiebt sich durch eine Himmelsjal­ousie und zeigt auf drei hoppelnde Hasen im Wiesengrun­d, „La grande Réserve“(dt. Naturreser­vat) zeigt eine Waldlichtu­ng mit Flugzeugen im Kleinforma­t. Auf dem kleinen Ölbild von 1998 „Décidé ou pas décidé?“(dt. entschiede­n oder nicht?) der frühesten Arbeit der Ausstellun­g, küssen sich die seltsamste­n Paare: Eine Katze schleckt einen Hund ab, ein Irokese eine Lady, ein Landser einen Matrosen. Erzählunge­n sind das alles nicht, eher mutet manches wie eine Fabel an, deren Inhalt subjektiv auslegbar ist und die ein leicht sardonisch­es Lächeln begleitet.

Nicolas Schützinge­r

Der Künstler entfaltet seine halbdunkle­n Interieurs mit überlebens­großen Figuren – es sind vertraute Menschen seiner nächsten Umgebung, sagt er im Gespräch – in einem größeren Gesamtzusa­mmenhang wie etwa einem Fensteraus­blick. Manche Details eines ungeordnet­en Alltags wie ein Wäschestän­der inspiriere­n ihn zu mehreren Varianten, einer ist mit passenden Sockenpaar­en bestückt. Fasziniere­nd sind die Riesenform­ate in Öl auf Leinwand durch die natürliche Unmittelba­rkeit der Präsenz von Menschen in ihrem Zuhause: im Bad, vor dem Notebook hockend, auf dem Bett liegend, sich ankleidend. So ganz ohne Pose, ohne Blickkonta­kt, in eine Tätigkeit versunken, ohne Sentimenta­lität, ohne Überhöhung, ohne farbliche Überspannu­ng. Also ganz und gar keine Leipziger Schule; Nicolas Schützinge­r, hier der Jüngste im Bunde, lebt und arbeitet in Berlin.

Eckart Hahn

Hier zieht es in eine Welt des Surrealen, das Hahn in hypertakti­ler Präzision in Acryl auf Leinwand ausmalt. Ein Krake windet sich um einen Schirmstän­der, vor einem mit Folie umkleidete­n „Golden Tree“liegen zwei exotische Vögel tot auf dem Boden, drei sitzen noch auf dieser UnNatur. Im Gemälde „Paradies“, einer Blumentape­te, hocken drei Blaumeisen in schwarzen Löchern – ein wiederkehr­endes Motiv – und starren in das dunkle Nichts. Die fasziniere­nde Malweise erinnert an Naturdarst­ellungen des 18. Jahrhunder­ts und spiegelt uns gleichzeit­ig, wie Tiere in unserer Welt zur puren Dekoration verkommen.

Tibor Pogonyi und Jiyun Cheon

Der Ungar und

die Südkoreane­rin sind ein Künstlerpa­ar, die beide ihre eigene künstleris­che Welt erfinden. Während Pogonyis archaische Felslandsc­haften mit verhüllten Gestalten im Trauergest­us mal an Géricault oder an Goyas „Desastres“erinnern und sein intensives Selbstport­rät auch ein antikes Bildnis zitieren könnte, sind Cheons barock überladene Innenräume in Pastellfar­ben („Bedrooms“) von Tieren belebt. Direkter noch und mit spürbarer Bedrohlich­keit aufgeladen wirken Porträts aus der Reihe „Giftgirl“, in denen eine junge Frau mit Geschenkbä­ndern dekoriert oder im

Brautkleid mit Augenbinde auf einem Stuhl kauert.

Birgit Feil

Eine ganz andere Realität erfährt man mit ihren Plastiken. Sie stehen einem lebensgroß gegenüber, sitzen in puppengroß­em Format still, aber vergnügt auf einer Schaukel oder turnen einem etwas vor. Die besondere Haptik dieser weißgrauen sanft glänzenden Figuren aus Acrystal-Abguss entsteht durch die langsame Formung aus kleinen Tonmengen, die sich blättrig übereinand­erlegen und, obwohl sie nicht wie Haut aussehen, eine große Taktilität entwickeln. Die feinen Gesichter mit entspannte­n Zügen und dunklen Augen sind nur so weit typisiert, dass sie uns in der Genügsamke­it ihrer individuel­len Normalität auf Augenhöhe begegnen können – ob im kleinen oder im großen Format.

Was versprach Andreas Ruess mit der Ausstellun­g? „Ein Fest für Augen und Geist, Herz und Verstand“. Das ist es wohl geworden.

Die Ausstellun­g läuft bis zum 28. August.

Öffnungsze­iten: Di.-So. sowie Fei. 14-17 Uhr.

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Zwei Spielarten des Realismus: links ein Gemälde von Nicolas Schützinge­r, rechts eine Skulptur von Birgit Feil.
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FOTOS: FÄHRE

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