Warum Most gesünder als Wasser war
Mangel und Überfluss: So gingen Menschen auf der Alb und im Schwarzwald mit Wasser um
NEUHAUSEN OB ECK - Heutzutage drehen wir in der Küche oder im Bad einfach den Wasserhahn auf, wenn wir etwas trinken, kochen oder duschen wollen. Diesen Luxus hat es nicht immer gegeben. Die Lebenswirklichkeit der Menschen, deren Höfe beispielsweise im Freilichtmuseum ausgestellt sind, war eine andere.
Die Reise in die Vergangenheit beginnt vor dem Weberhaus. Dieses stammt aus dem 17. Jahrhundert und dient als Beispiel für das Leben der einfachen Bauern auf der Alb. „Die Bedingungen auf der Alb sind schwierig. Das, was an Niederschlägen herunterkommt, versickert sofort“, erklärt Kulturwissenschaftler Christof Heppeler. Grund dafür ist die Verkarstung der Alb. „Es gab über Jahrhunderte Wassermangel und Probleme bei der Ernährung von Mensch und Vieh.“
Was die Wasserversorgung angeht, war das die Aufgabe der Frauen. Das Wasser musste oft Kilometer weit herbeigetragen werden. Entweder auf dem Kopf oder mit einer Stange über den Schultern, berichtet Heppeler. „Wir würden dafür heute ganz sicher ins Auto steigen“, sagt er. Für Dörfer auf dem Berg, wie Kolbingen oder Irndorf, gab es auch Fuhrleute, die die Bewohner mit Wasser versorgten. Dafür war eine Gegenleistung zu erbringen, beispielsweise als Arbeitskraft.
Heppeler geht in das Haus hinein, die schmalen Holzstufen hinauf. Dort befindet sich die Küche, in der unter anderem ein Zuber steht. „Die Idee dahinter war es, aus einzelnen Brettern ein dichtes Gefäß zu bauen. Da geht der Beruf des Küfers Hand in Hand mit der Wasserthematik“, sagt er. Zum einen brauchte man die Behältnisse, um das Wasser zu transportieren. Zum anderen aber beispielsweise auch, um Wäsche zu waschen.
Auch bis zu den Waschplätzen hatten es die Frauen oft weit, erklärt Heppeler. „Das war ein brutaler Knochenjob“, sagt er. „Hygiene ist in diesem Fall nicht der Hauptentschluss. Das wiederum ist in unserer durchhygienisierten Welt schwer nachzuvollziehen. Aber damals war das Wasser für die Ernährung wichtig und weniger, um zu waschen“, erklärt er. „Die Küche ist im Alltag also der einzige Ort, in dem das Wasser eine Rolle spielt.“
Um die Wege zu verkürzen, wurden dann sogenannte Hülen gebaut. Eine natürliche Senkung wurde mit Lehm ausgestrichen, sodass das Regenwasser darin gehalten werden kann. Auch eine solche gibt es im Freilichtmuseum, direkt hinter dem Weberhaus. Das Wasser darin ist trüb und grün. Auf der Oberfläche schwimmen Gänse. Das Problem: Es handelt sich um stehendes Gewässer. Oft flossen Gülle und Mist dort hinein. Eine Folge: „Typhus war damals weit verbreitet“, sagt er zu den gesundheitlichen Begleiterscheinungen.
Vor allem wegen der gesundheitlichen Risiken hielten Pfarrer und Lehrer die Leute damals an, Obstbäume zu pflanzen, um das Obst zu vermosten. „So waren die Menschen, was das Trinken angeht, nicht vom Wasser abhängig.“
„Das sind für uns unvorstellbare Verhältnisse“, fasst der Kulturwissenschaftler zusammen. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts gab es dann – auch aus gesundheitlichen Gründen – erste Überlegungen für die sogenannte Albwasserversorgung, berichtet er. „Das Ziel war es, das Wasser, von dort wo es ist, an den höchsten Punkt in einen Hochbehälter zu pumpen und dann möglichst nah an die Menschen zu bringen.“Dazu mussten sich mehrere Dörfer zusammenschließen und investieren.
„Es war aber nicht so, dass alle, die unter dem Problem litten, Hurra gerufen haben.“Denn unter anderem glaubten viele, dass es verboten sei, das Wasser nach oben zu pumpen, weil es in der Natur immer nur nach unten fließe, schildert er. Um 1871 dann aber wurde der erste Hochbehälter in Schelkingen in Betrieb genommen. Ende der 1880er-Jahre zog dann auch der große Heuberg nach, wie Heppeler weiß.
Ende des 19. Jahrhunderts „verändert sich das also in unsere Richtung“, sagt Heppeler. Das Wasser konnte am Dorfbrunnen geholt werden. Es wurden aber auch die ersten Wasseranschlüsse in die Häuser gelegt, meist in die Küche, wie Heppeler erklärt. Es gab nur kaltes Wasser, versteht sich.
Ein Beispiel dafür findet sich im Bauernhaus Biehle am Dorfplatz im Museum wieder. Mit dem Wasseranschluss etablierten sich auch die wöchentlichen Waschtage für die Familie. Der Aufwand, sich zu waschen, war im Vergleich zu heute dennoch enorm. Denn das Wasser musste auf dem Herd erhitzt werden, so Heppeler. „Ein wirklicher Umbruch in unsere Zeit folgte erst nach dem Zweiten Weltkrieg.“Dann erst wurden, so Heppeler, Bäder im Haus gebaut und sich um die Warmwasserversorgung gekümmert.
Während die Menschen auf der Alb also lange mit Wassermangel zu kämpfen hatten, sah das im Schwarzwald anders aus. Heppeler geht zum Haldenhof, der im 17. Jahrhundert im Schwarzwald-Baar-Kreis erbaut wurde – wie andere Höfe auch, in der Nähe von fließendem Wasser.
„Die Menschen machten sich das fließende Wasser zu Nutze.“Der naheliegende Bach wurde meist umgeleitet, sodass in Hofnähe ein Brunnen vorhanden war. „Der hat funktioniert wie ein Kühlschrank“, sagt Heppeler. Ein weiterer Vorteil: Die
Frauen hatten nicht so weite Wege zurückzulegen wie auf der Alb.
Hauptsächlich aber wurde die Kraft des Wassers genutzt. Beispielsweise, um Arbeiten wie das Sägen von Holz oder Mahlen von Mehl zu erleichtern. „Die Kunst war es, die Wasserkraft so einzusetzen, dass sie einem hilft.“Unweit des Hofes steht eine Säge. Im Freilichtmuseum wird diese heute mit Wasser aus einem riesigen Wassertank angetrieben.
Damals wurde dafür aber eine das ganze Jahr über fließende Quelle benötigt. „Eine Quelle, die im Winter zufriert, nutzt einem ja nichts.“Er geht an das Mühlrad, das hinter der Ende des 18. Jahrhunderts erbauten Säge vorzufinden ist. „Für die vorindustrielle Zeit war das ein ausgereiftes System.“Das Wasser läuft von oben in die Kammern. Die erzeugte Kraft wird dabei auf die Zahnräder im Maschinenraum umgesetzt und schließlich auf die Sägevorrichtung übertragen.
Ähnlich funktioniert das auch bei der Hausmühle nebenan. Dort wird die durch das Wasser gewonnene Kraft auf die Mahlsteine übersetzt. „Der Zugewinn durch die Wasserkraft war enorm. Und eine wichtige Strategie, um in einer von der Natur abhängigen Welt zu überleben.“